Finanzieller Alarm: Kommunen schauen mit Sorge in die Zukunft

Kritik an der Wirtschaftspolitik der Ampel kommt nun aus den eigenen Reihen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil findet deutliche Worte in Richtung Berlin. Die Kommunen sehen unterdessen angesichts deutscher Wirtschaftsschwäche mit großer Sorge in die Zukunft.
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Die Kommunen schauen sorgevoll in die Zukunft.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 19. August 2023

Die Kritik an der Wirtschaftspolitik der Ampel nimmt zu. Nicht nur die Opposition nimmt die Bundesregierung unter Beschuss. Auch aus den eigenen Reihen kommen Zweifel daran, dass sich Deutschland im Moment auf dem richtigen Weg befindet.

So forderte gerade erst Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) eine klare Kurskorrektur der Ampel in Berlin. „Wir stehen gleichzeitig vor mehreren großen Herausforderungen und müssen jetzt endlich aus der Analyse dieser Herausforderungen ins Machen kommen. Dabei muss der Staat eine Vorreiterrolle einnehmen“, sagte Weil der „Welt am Sonntag“. Darüber berichtete vorab am Samstag das Onlineportal der „Welt“. „Es wäre beispielsweise eine Initialzündung, wenn der Staat eine große und entschlossene Initiative zur Beschleunigung und Vereinfachung von Verfahren starten würde. Das hätte eine Signalwirkung für die ganze Gesellschaft“, so der Ministerpräsident.

Es geht um eine Staatsreform

Deutschland sei „schlicht überreguliert“, befindet Weil weiter. Das gelte in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen. „Es geht hier um nicht weniger als ein Stück Staatsreform. Wir sind zu kompliziert, zu langsam und deswegen auch zu teuer. Wir müssen schneller, einfacher, preiswerter werden“, sagte Weil.

Weil kritisierte weiter die Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gegenüber der vorübergehenden Einführung eines vergünstigten Strompreises für energieintensive Unternehmen.

Noch im Wahlkampf hatte Scholz mit einem subventionierten Industriestrompreis von 4 Cent geworben. Nun möchte er davon allerdings nichts mehr wissen. „Eine Dauersubvention von Strompreisen mit der Gießkanne können wir uns nicht leisten und wird es deshalb auch nicht geben“, sagte der Kanzler am vergangenen Mittwoch auf dem Unternehmertag NRW in Düsseldorf. Zuvor hatte er sich schon im „Sommerinterview“ des ZDF am letzten Sonntag gegen einen subventionierten Industriestrompreis ausgesprochen. Ein Brückenstrompreis würde nach Ansicht des Kanzlers lediglich ein „schuldenfinanziertes Strohfeuer“ auslösen.

Dieser Ansicht widerspricht Stephan Weil nun öffentlich. Die Betriebe bräuchten zwar keine Dauersubventionierung, aber eine Unterstützung für einen Übergangszeitraum. „Da droht ein Substanzverlust, und eine Industrie, die weggeht, kommt nicht wieder. Eine Deindustrialisierung kann sich dieses Land und kann sich auch Europa nicht leisten“, sagte Weil.

Mehrausgaben und gesunkene Einnahmen

Auch die Kommunen in Deutschland machen sich zunehmend Sorgen darüber, wie es angesichts der Wirtschaftskrise weitergehen kann. Die Finanzlage verschlechtert sich zunehmend. Mehr als 2000 Kommunen in der Bundesrepublik seien hoch verschuldet und könnten ihre Finanzprobleme nicht mehr aus eigener Kraft lösen, sagte Uwe Zimmermann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), gerade erst im Gespräch mit „Focus online“.

Seit vielen Jahren ächzen die Kommunen unter den vielen Altschulden, die sie immer wieder aufnehmen mussten, da Bund und Länder immer mehr Aufgaben an die Kommunen delegierten. Dazu kommt, dass durch die Inflation die Ausgabenseite der Städte und Gemeinden noch einmal ansteigt. Auf der anderen Seite gehen Steuereinnahmen, beispielsweise durch die Gewerbesteuer, zurück. Zimmermann betont gegenüber „Focus online“ weiter, dass in dieser Lage auch noch eine unzureichende Finanzierung der Unterbringung von Flüchtlingen dazukomme.

Kommunen schauen deshalb angesichts der Wirtschaftsschwäche mit großer Sorge in die Zukunft. „Wenn Wertschöpfung verloren geht, gehen auch Steuereinnahmen verloren. Für einige Städte kann das zu gravierenden Problemen führen, denn viele haben bereits jetzt einen defizitären Haushalt“, sagte Uwe Zimmermann im Gespräch mit der „Welt“.

Je abhängiger, umso mehr wird Wirtschaftskrise bemerkbar

Je abhängiger eine Kommune von einem Konzern sei und je mehr dieser in Schwierigkeiten gerate oder sogar seinen Produktionsstandort verlagere, umso stärker bekommen das die Kommunen in ihrem Geldbeutel zu spüren. Die Sanierung von Straße und Brücken, aber auch der Ausbau von Kitas oder anderer kommunaler Infrastruktur bleibt dann auf der Strecke. Im Gespräch mit „Welt“ fordert Zimmermann deshalb, den sinkenden Einnahmen bei der Gewerbesteuer entgegenzuwirken. „Ein möglicher Ansatz wäre, den Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer zu erhöhen“, sagte er.

Die Sorgen teilt auch der Deutsche Städtetag und schaut mit Sorgen in die Zukunft. „Wir haben in Deutschland eine gute Infrastruktur für den Mittelstand und die Industrie. Die müssen wir erhalten und ausbauen – und dafür muss der Staat investieren“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Er betonte, dass die Städte Projekte wie Energiewende, Wärmewende und Verkehrswende des Bundes ausdrücklich unterstützten. Bund und Länder müssten dann aber auch dafür sorgen, dass die Kommunen die notwendigen Mittel hätten.

Hier sieht Dedy vor allem Finanzminister Christian Lindner (FDP) in der Pflicht. „Ein drängendes Problem für die Städte sind die schädlichen und aggressiven Steuergestaltungen einiger Unternehmen, die drastisch zugenommen haben – und bei wachsendem wirtschaftlichen Druck weiter zunehmen könnten“, sagte er.

Immer mehr Unternehmen verlagerten steuerliche Gewinne auf dem Papier in „innerdeutsche Steueroasen“, also zu Gemeinden mit einem besonders niedrigen Hebesatz für die Gewerbesteuer. „Der Schaden für die öffentliche Hand ist groß, gerade für die Kommunen. Da sollte die Bundesregierung auf jeden Fall ran und diese Form der Gewinnverschiebung stoppen“, sagte Dedy. Auf Anfrage der „Welt“ teilte das Finanzministerium mit, dass man das Thema im Blick und sich im letzten Jahr auch damit beschäftigt habe. Man sehe „keine generellen strukturellen Probleme“.

„Zentrale Zukunftschancen“ werden verspielt

Die Kommunen im Land blicken trotzdem in eine düstere Zukunft. Für 2023 müsse man ein kommunales Defizit von 6,4 Milliarden Euro befürchten, im Jahr 2024 sogar ein kommunales Defizit in Höhe von fast 10 Milliarden Euro für ganz Deutschland, sagt Uwe Zimmerman vom Deutschen Städte- und Gemeindebund gegenüber „Focus online“. Schon heute belaufe sich der kommunale Investitionsstau allein für den Erhalt der Infrastruktur auf rund 165 Milliarden Euro.

„Nun drohen aufgrund der absehbaren Finanzmisere sogar kommunale Investitionskürzungen“, so Zimmermann. Das zeige, dass die Finanzausstattung der Städte und Gemeinden dringend stabilisiert und gestärkt werden müsse. „Sonst werden zentrale Zukunftschancen für unser Land verspielt“, warnt der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes.



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