„Es gibt keine Gasmangellage“: Hitzige Bürgerversammlung zu LNG-Terminals vor Rügen

Eine Informationsveranstaltung zum Thema LNG-Terminal vor Rügen verdeutlicht, wie weit die Positionen zwischen den geplanten Betreibern der Anlagen und den kritischen Bürgern vor Ort auseinanderliegen. Epoch Times war mittendrin und fing die Stimmung ein.

Hitzig ging es auf der Bürgerinformationsveranstaltung am 6. Juni zum geplanten Bau zweier LNG-Terminals im Hafen von Mukran auf Rügen (Mecklenburg-Vorpommern) zu.

Im Gästehaus des Ostseebades Baabe im Südosten der Insel Rügen stellten sich Vertreter des Betreibers der geplanten LNG-Terminals im Hafen vom Mukran, die Deutsche ReGas und GASCADE, den Fragen der Bürger. GASCADE wird die Anbindungsleitung von Mukran nach Lubmin betreiben. Die Landesregierung war über den parlamentarischen Staatssekretär der Staatskanzlei, Heiko Miraß (SPD), vertreten.

Für ihn sind die LNG-Terminals in der Ostsee ein Thema, das auf Bundesebene diskutiert werden müsse. Für den Bund gehe es dabei um die Energiesicherheit in Deutschland. „Und das ist ein Punkt, den zunächst erst einmal die Bundesregierung und der Bundestag beurteilen [müssen]“, erklärt der Staatssekretär.

„Ohne Gesetz keine Genehmigung“

Seiner Ansicht nach darf das LNG-Beschleunigungsgesetz nur dann Anwendung finden, wenn wirklich eine Notlage droht. „Und das ist in dem Fall ein Gasengpass.“ Der Bund sei dabei in der Pflicht, darzulegen, warum das so ist. Die Bundesregierung sehe diese Gasmangellage. „Ob der Bundestag dieser Beurteilung folgt, wird sich zeigen.“

Es gebe dazu unterschiedliche Gutachten: Die einen kämen zu dem Ergebnis, dass man vor einer Gasmangellage stehe. Andere kämen zum gegenteiligen Ergebnis. „Da wird sich der Bundestag eine Meinung bilden müssen.“ Dabei versprach er: „Ohne Gesetz des Bundes wird es keine Genehmigung des Landes Mecklenburg-Vorpommern geben und ohne Genehmigung wird nicht gebaut.“

Man werde alle notwendigen Kriterien und dann auch die Einwände der Bürger, Vereine und Verbände in dem Verfahren würdigen. „Wie sich das gehört“, so Miraß.

Röhrensystem wird mit 120 Bar betrieben

In den Worten von Thilo Thunhorst von GASCADE, aber auch von Dr. Stephan Knabe, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutschen ReGas, hört sich das etwas anders an. Für manche Zuhörer klingen die Worte der beiden so, als stehe bereits fest, dass die Terminals und die 51 Kilometer lange Anbindungsleitung, die die Terminals mit dem Ferngasleitungsnetz in Lubmin verbinden, gebaut werden. Das wird in den Wortmeldungen der Zuhörer deutlich.

So erklärt Thunhorst, der als Trasseningenieur für die Genehmigungsverfahren rund um die Erweiterung des Ferngasleitungsnetzes zuständig ist: „Wir haben vor, die Pipeline technisch bis Ende des Jahres fertigzustellen.“ Dabei will man die überschüssigen Nord-Stream-2-Röhren (Durchmesser: 1,20 Meter) nutzen, die bereits im Hafen von Mukran liegen. Die Bundesregierung hatte die Röhren vor kurzem erworben. „Das ganze Röhrensystem wird mit einem Betriebsdruck von 120 Bar betrieben.“

Voraussetzung für den schnellen Bau dieses Röhrensystems sei die Aufnahme des Hafens Mukran in das LNG-Beschleunigungsgesetz. Jetzt im Juni wolle man bereits den Bauantrag dafür einreichen und auch einen Antrag auf vorzeitigen Baubeginn im Hafen Mukran stellen.

Die Arbeiten, die man aktuell durchführe, seien alles Vorbereitungsarbeiten, um möglichst zügig mit dem Bau beginnen zu können – die immer auch rückgängig gemacht werden können, erklärt Thunhorst.

„Wir haben bereits 15 LNG-Terminals errichtet“

Aus den Worten von Dr. Stephan Knabe, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutschen ReGas, hört man eine noch stärkere Bestimmtheit für die Durchführung des Bauvorhabens heraus: „Wir wissen seit dem 8. Mai, dass wir dieses LNG-Terminal-Bauprogramm statt RWE nun umsetzen sollen, und haben diese Aufgabe angenommen.“

Er erklärt, dass die Anlieferung von LNG im Hafen von Mukran nur ein Übergang sein soll. Langfristig soll das Terminal und die geplante Gasleitung auf dem Grund der Ostsee nach Lubmin Wasserstoff aufnehmen und weiterleiten. Er geht von einer Mindestnutzung von 10 Jahren für die Anlagen aus.

„Dazu wäre beides auch geeignet“, so Knabe. In den letzten 20 Jahren habe man zusammen mit dem schon errichteten LNG-Terminal in Lubmin bereits insgesamt 15 LNG-Terminals errichtet.

Analyse der Bundesnetzagentur zeigt Versorgungslücke

Hintergrund für den Bau der LNG-Terminals sei eine Analyse im Auftrag der Bundesregierung zu der Energie, die Deutschland benötige. Für 2023 betrage der prognostizierte Verbrauch 86 Milliarden Kubikmeter Gas und für 2024 rund 85 Milliarden Kubikmeter Gas.

„Nimmt man dazu noch den Gasbedarf dazu, zu dem sich Deutschland zur Versorgung von Ländern in Mittel und Osteuropa verpflichtet hat (Tschechien, Slowakei, Ungarn), plus einen Risikoaufschlag von 10 Prozent, ist man bei einem jährlichen Gasbedarf für 2023 und 2024 von 100 Milliarden Kubikmeter“, so der Gründer der Deutschen ReGas.

Erdgasimporte von 62 Milliarden Kubikmeter seien für 2023 und 2024 abgesichert, dazu kommt eine jährliche Eigenförderung Deutschlands von 5 Milliarden Kubikmetern. Dadurch bestehe allein 2023 und 2024 zum gesamten Gasbedarf von 100 Milliarden Kubikmetern eine Versorgungslücke von rund 33 Milliarden Kubikmetern. Diese Versorgungslücke soll 2023 durch Anlieferungen über die LNG-Terminals knapp zur Hälfte und 2024 fast vollständig geschlossen werden.

„Technik rund um LNG bewährt und sicher“

Er verspricht, dass die Technik rund um LNG bewährt und sicher sei und seit 60 Jahren weltweit genutzt werde. Dabei werde Methan auf minus 164 Grad Celsius heruntergekühlt und somit verflüssigt. Dadurch sei es in den Schiffen komprimiert transportierbar, wobei ein Kubikmeter flüssiges LNG nach der Erwärmung am LNG-Terminal 600 Kubikmeter Erdgas ergebe, die dann in das Ferngasleitungsnetz eingespeist würden.

Die Verluste seien minimal, alles würde genutzt und es bestehe keine Explosionsgefahr. Alle fünf Tage würde nach seinen Aussagen ein LNG-Transportschiff an den Terminals anlegen. Später werde aus möglichst „grünem“ Wasserstoff umgewandelter Ammoniak womöglich erstmal an den Terminals in Mukran angeschifft. Dieser ist giftig und stinkt, gesteht Knabe ein.

Dass der Heizwert von Ammoniak allerdings nur etwa halb so hoch wie der von Benzin oder Diesel und etwa ein Sechstel von flüssigem Wasserstoff beträgt, berichtet er nicht. Die zwei Terminals in Form zweier Schiffe mit der notwendigen Technik zur Regasifizierung würden im Hafen von Mukran keine größeren Sichtbeeinträchtigungen darstellen, verdeutlicht er anhand verschiedener Fotomontagen.

Bürger zeigen sich skeptisch bis ablehnend

Der Großteil der rund 150 anwesenden Bürger im Saal zeigte sich skeptisch bis ablehnend. Mal geht es bei ihren Bedenken um die Lärmbelästigung, mal um eine mögliche Verschmutzung des Meeres, mal um die Gefahr von Bränden oder Explosionen. Für Stephan Knabe von der Deutschen ReGas sind diese Bedenken alle nicht notwendig und würden auf die geplante Anlage nicht zutreffen. Den Klagen über die nächtliche Lärmbelastung versprach er aber nachzugehen.

Dann fragt ein Bürger, ob man auch in Mukran Frackinggas aus den USA nutzen wolle. Er berichtet dabei von einer Reportage, die kürzlich in der ARD lief. Knabe antwortet daraufhin, dass er die Reportage gesehen habe und selbst erstaunt gewesen sei, wie wenig man dort auf Umweltschutz und Sicherheitsbestimmungen achte.

Jedoch habe die Deutsche ReGas keinen Einfluss auf die Herkunft des LNG, das nach Mukran angeliefert würde. Der Einkauf werde durch die Bundesnetzagentur begleitet. Zwei Firmen würden die Belieferungen eigenständig organisieren (TotalEnergies und eine zweite Firma). „Sie kaufen auf dem Markt einfach das günstigste Gas ein“, so Knabe.

„Dieses Vorhaben muss neu beurteilt werden“

Gegenüber Epoch Times erklärt Staatssekretär Miraß, dass zum neuen Vorhaben – den Terminals im Hafen Mukran mit Anbindungsleitung nach Lubmin – noch keine konkreten Unterlagen vorlägen. „Dieses Vorhaben muss neu beurteilt werden.“

Dabei seien die zwei Terminals in dem für Industrieansiedlungen ausgelegten Hafen Mukran eine Sache, die Verlegung von rund 50 Kilometer Erdgasleitung durch den Greifswalder Bodden nach Lubmin eine andere, so Miraß. Es wären in der Tat 50 Kilometer Leitung, die durch einen sehr sensiblen Naturraum verlaufen würden. „Das muss dann natürlich naturschutzrechtlich und umweltschutzrechtlich geprüft werden.“

„Es gibt gar keine Gasmangellage“

Andrea Kähler, Vorsitzende der Bürgervereinigung Zukunft Sellin und Gemeinderatsvertreterin in der Rügener Gemeinde, hält nicht nur den Bau der LNG-Terminals vor Rügen und ihre Aufnahme in das LNG-Beschleunigungsgesetz für falsch, sondern auch das LNG-Beschleunigungsgesetz an sich ist für sie rechtswidrig.

Kernpunkt dabei sei für sie, dass gar keine Gasmangellage gegeben sei. „Man hat weltweit Überkapazitäten, die will man nutzen, heißt es immer.“ Da das Gesetz jedoch rechtswidrig sei, könne man nicht darauf aufbauen. „Ein Beschleunigungsgesetz ist ein schnelles Gesetz, was für Notlagen geschaffen wird und dann relativ schnell auch in Gang gesetzt wird.“

Das Gesetz verstoße zudem aus Sicht der Bürgerinitiative gegen das Klimaschutzgesetz und das Naturschutzgesetz, weil alle Genehmigungsverfahren verkürzt würden. „Bei einigen Vorhaben kann man daher schon anfangen zu bauen und im Nachhinein wird dann erst geprüft und eventuell genehmigt.“

Sie berichtet von einem Gutachter aus Greifswald, nach dessen Ansicht man vielleicht für zwei Jahre die LNG-Schiffe brauche, dann müsste Deutschland eigentlich alle klimafreundlichen Energien so ausgebaut haben, dass sie den gesamten Energiebedarf abdecken würden. „Mit LNG hole man sich nur neue Probleme ins Haus“, gibt sie den Gutachter wieder.

„Bürger wurden verängstigt“

In ihren Augen habe man die Bürger im Herbst des letzten Jahres sehr verängstigt, doch schließlich musste niemand im Winter frieren. „Es hat keine Notlage gegeben und wir sehen auch in Zukunft keine Notlage“, so die Kommunalpolitikerin.

Sie findet, dass sich die Politik unehrlich verhält, indem sie das Frackinggas, dessen Herstellung in Deutschland verboten sei und auf gefährliche Weise hergestellt werde, aus anderen Ländern hierher hole.

„Wir sind gegen LNG, sowohl auf als auch vor und rund um Rügen.“ Man sei in der Gemeinde Sellin gerade auf dem Weg zu einem Bürgerentscheid beziehungsweise zu einem Ratsbeschluss, um klarzumachen, dass man gegen LNG sei.

Auch zeigt sie sich unzufrieden über die Auswahl der Podiumsteilnehmer. Man habe darauf verwiesen, dass zu einer Podiumsdiskussion auch Kritiker des Projektes gehörten, wie zum Beispiel Umweltverbände. Das sei heute nicht der Fall gewesen. „Somit war das für mich heute auch keine Podiumsdiskussion.“



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