Diese US-Langstreckenwaffen können nach Deutschland kommen

Die Bundesregierung hat mit den USA ab 2026 die Stationierung von US-Langstreckenwaffen in Deutschland vereinbart. Welche Wirkung und Auswirkung haben diese Waffen, die, sobald sie in Deutschland aufgestellt sind, weit nach Russland hineinreichen können?
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Atomrakete.Foto: Alones Creative/iStock
Von 31. Juli 2024

„Die Stationierung ist die notwendige Antwort der NATO auf eine bereits bestehende Bedrohung durch von Russland im Gebiet Kaliningrad stationierte Iskander-Raketen“, argumentiert der CDU-Verteidigungspolitiker Johann Wadephul.

Der frühere SPD-Außenminister Sigmar Gabriel hingegen wünschte sich kürzlich in einem Gespräch mit der „Rheinischen Post“ eine öffentliche Debatte darüber. Er bedauerte, dass die Raketenstationierung am Rande des jüngsten NATO-Gipfels in Washington am 10. Juli „einfach entschieden“ wurde.

Scholz nannte dementgegen den verteidigungspolitischen Schritt in Washington eine „sehr gute Entscheidung“. Denn Deutschland müsse „einen eigenen Schutz haben mit Abschreckung“. Dazu seien die Präzisionswaffen wie Marschflugkörper (Cruise Missile) vom Typ Tomahawk, Luftabwehrraketen vom Typ SM-6 sowie die neu entwickelte Hyperschallrakete Dark Eagle notwendig, erklärte der Bundeskanzler.

Diese Waffen verfügen nach US-Angaben über deutlich größere Reichweiten als die derzeitigen landgestützten Raketensysteme in Europa. Was können diese Waffen?

Cruise Missile Tomahawk

Der Marschflugkörper des Typs Tomahawk ist 1976 ursprünglich für die amerikanische Marine als Angriffswaffe entworfen und in verschiedenen Varianten weiterentwickelt worden. Diese unter der Schallgrenze und mit 878 Stundenkilometer relativ langsam fliegende Cruise Missile hat eine Reichweite von 1.600 bis 2.500 Kilometer – je nach Typ – und wurde seit 1992 in allen militärischen Konflikten von der US-Navy gegen Landziele und Schiffe eingesetzt. 

Nachteil der Tomahawk-Rakete: Ihre langsame Geschwindigkeit ermöglicht es Gegnern, die Cruise Missile grundsätzlich aufzuspüren und abzufangen. Der Vorteil der Tomahawk liegt darin, dass sie in der Lage ist, gegnerisches Bodenradar zu unterfliegen und Geländeprofile zur Deckung zu nutzen. Für Deutschland geplant ist die Stationierung des Typs BGM-109 Tomahawk.

Diese Missile ist in der Regel mit einem Gefechtskopf von 450 Kilogramm bestückt. Sie lässt sich aber auch atomar bewaffnen. Ihr Vorteil gegenüber dem in Deutschland gebräuchlichen Marschflugkörper Taurus liegt darin, dass sie vom Boden aus abgefeuert wird. Anders als beim Taurus, der einen Kampfjet als Träger benötigt und somit einfacher abgefangen werden kann, startet die Tomahawk aus mobilen Silos eines Raketenwerfers; auch ein Massenstart ist dadurch möglich. Eine Tomahawk kostet etwa 740.000 Euro.

Neueste Flugabwehrrakete SM-6

Die Standard-Missile 6 (SM-6) ist die neueste US-Abwehrrakete, mit der Flugzeuge, Marschflugkörper und ballistischen Raketen in ihrem Endanflug bekämpft werden können. Ihre 2023 und 2024 in Dienst gestellten Varianten lauten kryptisch AIM-174B und RIM-174.

Im Juni 2024 etwa war die luftgestützte Variante AIM-174B am Kampfflugzeug F/A-18E/F Super Hornet der US-Marine zu sehen, die am alle zwei Jahre stattfindenden Manöver RIMPAC im Pazifik teilnahm. Bereits am 1. Februar 2024 hatte die US-Marine bekannt gegeben, dass sie im Golf von Aden eine ballistische Rakete der jemenitischen Houthi-Rebellen mit einer SM-6 abgeschossen habe.

Die mit einer Suchantenne ausgestattete SM-6 ist eine sogenannte Lenkwaffe und kann in verschiedenen Varianten von einem Flugzeug, einem Schiff oder aus einem herkömmlichen Raketenwerfer vom Boden aus abgefeuert werden. Ihre operative Reichweite beträgt je nach Zielbekämpfung zwischen 240 und 460 Kilometer bei maximaler Geschwindigkeit von 4.287 Stundenkilometer. Stückpreis: etwa 4 Millionen Euro. 

Der neueste Knall: Hyperschall

Die modernste Waffe im Arsenal der Amerikaner stellt die Hyperschalllangstreckenwaffe LRWH mit dem Namen Dark Eagle dar. Sie befinde sich noch in der Entwicklung, heißt es laut der Online-Militärplattform „hartpunkt“, die sich auf einen Bericht des Congressional Research Service bezieht.

Die Reichweite des Hyperschallgleitflugkörpers (Hypersonic Glide Vehicle, HGV) mit dem Namen Dark Eagle soll über 2.500 Kilometer hinausgehen und beruhe auf einer gemeinsamen Entwicklung der amerikanischen Armee und Marine. Die Geschwindigkeit des HGV betrage mehr als Mach 5, das sind 6.200 Kilometer pro Stunde. Zuletzt sei am 28. Juni ein erfolgreicher Flugtest auf Hawaii durchgeführt worden, weiß „hartpunkt“ zu berichten. Stückpreis: 37 Millionen Euro.

Bei der Dark-Eagle-Hyperschallwaffe handelt es sich nach Angaben der amerikanischen Armee um eine neue Fähigkeit, die eine „einzigartige Kombination aus Geschwindigkeit, Manövrierfähigkeit und Flughöhe bietet, um zeitkritische und hochwertige Ziele zu bekämpfen“.

HGVs werden laut der Online-Militärplattform „Europäische Sicherheit und Technik“ (EST) durch eine Trägerrakete in exo-atmosphärische Höhe transportiert. Das heißt, die Dark Eagle fliegt bis in eine Höhe, die an die nahe gelegene Region des Weltraums außerhalb der Erdatmosphäre reicht oder gar in den Weltraum eintaucht.

„Nach Erreichen der Hyperschallgeschwindigkeit trennen sich die HGVs von der Boosterrakete und gehen zum antriebslosen Gleitmodus über. Im Gegensatz zu ballistischen Raketen, die eine weitgehend unveränderte Flugbahn einhalten, manövrieren HGVs während ihrer Gleitflugphase. Sie können hierdurch gegnerische Abwehrsysteme umfliegen“, beschreibt EST die neue Waffe. 

Pistorius will eigene „Abstandswaffen“

Nach Aussage von Verteidigungsminister Pistorius im „Deutschlandfunk“ werde Deutschland „nicht darum herumkommen“, selbst in entsprechende Langstreckenwaffen zu investieren. Ende Juni hatte der Minister angekündigt, er beabsichtige, eine Gruppe europäischer Staaten zusammenzubringen, die „gemeinsam die Fähigkeitslücke bei Abstandswaffen großer Reichweite schließen“.

In einem Interview mit „hartpunkt“ erklärte am 23. Juli der Stellvertreter des Chefs der Luftwaffe, Generalleutnant Lutz Kohlhaus (Dreisternegeneral), er sehe vor allem Bedarf für „Abstandswaffen“ mit mehr als 2.000 Kilometern Reichweite. Kohlhaus: Wenn ein potenzieller Gegner über Marschflugkörper, ballistische Raketen oder Langstreckendrohnen wie etwa die 2.500 Kilometer weit reichende iranische Shahed 136 verfüge, dann müsse die Bundeswehr auch an diese Reichweiten herankommen. 

Russische Iskander

Als größte Bedrohung seitens Russlands nimmt die NATO die russischen Iskander-K-Marschflugkörper wahr. Deren Reichweite beträgt nach russischen Angaben zwar nur 490 Kilometer. Aufgrund ihrer Stationierung im ehemals ostpreußischen Königsberg – und damit in unmittelbarer Nähe Polens, Litauens, Finnlands und Schwedens – lösen die Iskander-Raketen jedoch größte Besorgnis aus, zumal sie auch mit nuklearen Sprengköpfen ausgestattet werden können. 

 

Über den Autor:

Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C. und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.



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