FDP-Europakandidat: „Wir können von einem Ampelausstieg nur profitieren“

Der FDP-Spitzenkandidat zur Europawahl in Mecklenburg-Vorpommern, Paul Bressel, erklärt im Interview mit „Epoch Times“, warum er für einen Austritt der FDP aus der Ampel ist, warum er keine Angst vor Neuwahlen hat und warum er im dänischen Modell einen Ansatz für die Migrationspolitik in Deutschland sieht.
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Paul Bressel wurde im Dezember vom Landesparteitag zum Spitzenkandidat zur Europawahl in Mecklenburg-Vorpommern gewählt.Foto: privat/Emmanuele Contini/Getty Images/Montage: Epoch Times
Von 27. Dezember 2023

Noch bis zum 1. Januar läuft in der FDP die Mitgliederbefragung über den weiteren Verbleib in der Ampelkoalition. Die Initiative erfolgt auf einen offenen Brief von 26 liberalen Landes- und Kommunalpolitikern hin, die nach den schlechten Wahlergebnissen der Partei in Hessen und Bayern gefordert hatten, die FDP müsse ihre Koalitionspartner überdenken.

Einer, der sich früh für einen Austritt aus der Ampel ausgesprochen hat, ist der Europawahl-Kandidat für Mecklenburg-Vorpommern, Paul Bressel. Der Schweriner Unternehmer und Immobilieninvestor gilt in seiner Partei als streitbarer Geist, der öffentlich kein Blatt vor den Mund nimmt.

Herr Bressel, bis Ende Dezember läuft die Mitgliederbefragung zum Ende der Ampelkoalition. Sie haben sich klar für einen Austritt ihrer Partei aus der Regierungskoalition ausgesprochen. Warum?

Als die Ampel im Jahr 2021 zustande kam, war ich sehr optimistisch. Ich freute mich darauf, eine kompetente und qualifizierte Person wie Christian Lindner als Bundesfinanzminister zu sehen.

Auch in der Gesellschaft und bei den Wählern spürte man einen gewissen Optimismus. Nach insgesamt zwei Jahren hat sich die Stimmung jedoch massiv gewandelt. Die Ampel verzeichnet derzeit nur noch Umfragewerte von etwa 30 Prozent, vergleichbar mit einer einzelnen Oppositionspartei. Wir merken, dass die Menschen mit der Arbeit der Ampel unzufrieden sind. Gerade in Bezug auf die FDP-Wähler kann ich subjektiv feststellen, dass unsere Wähler massiv enttäuscht sind.

Diese Enttäuschung wird sich auch auf die kommenden Kommunal-, Landes- und Europa-Wahlen auswirken. Der Maßstab für die Arbeit der FDP wird immer auf Bundesebene gemessen, dabei wird leider die gute und produktive Arbeit der Kreis- und Landesverbände oft nicht berücksichtigt.

Für mich persönlich ist der Austritt aus der Ampel wichtig, um innerhalb der Gesellschaft und bei den Wählern wieder Vertrauen und Stabilität herzustellen, die wir aktuell verloren haben. Wir sehen das auch an den geplanten Protesten, die derzeit stattfinden, und erkennen, wie groß die Unzufriedenheit mit der Arbeit der Ampel ist.

Wo sehen Sie die Fehler der FDP in der Ampelkoalition?

In den vergangenen zwei Jahren sehen wir verschiedene Probleme und Krisen, zum einen die Corona-Krise, den Ukraine-Krieg und die Migrationskrise.

Nach meinem Gefühl haben die Menschen ein Bedürfnis nach Stabilität, Planungssicherheit und politischer Struktur, die die Ampelkoalition nicht geben konnte.

Während dieser Krisen haben wir Gesetze wie das Heizungsgesetz, das Selbstbestimmungsgesetz und andere Gesetze verabschiedet, die völlig falsche Signale an die Menschen und die Wirtschaft gesendet haben. Durch diese falschen Signale ist das Vertrauen der Menschen massiv gesunken.

Ebenso haben die Menschen das Gefühl, dass die Koalitionsparteien so unterschiedlich sind, dass es schwerfällt, lösungsorientierte Politik zu gestalten.

Das beste Beispiel ist die Migrationskrise, wo es aktuell noch keine praktischen Ansätze oder Lösungen gibt. Auch in dieser Thematik sehen wir eine große Unzufriedenheit in der Gesellschaft, ohne dass die Ampel diese kompensiert.

Wird die FDP nicht deshalb gebraucht? Der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler sagt, ohne die FDP würde die Regierung „vergrünen“ und nur noch Orchideenthemen behandeln. Die FDP sorge in der Regierung für mehr Realismus und weniger Ideologie.

Ich schätze unseren Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler sehr und schätze auch seine Aussagen, mit denen er auch recht hat.

Ohne die FDP wäre diese Koalition ein absolutes Desaster für Gesellschaft und Wirtschaft. Mit der FDP in der Koalition konnten wir viele ideologiegesteuerte und wirtschaftsfreundliche Gesetze blockieren und auch bürgernahe Realpolitik gestalten. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass wir bei Neuwahlen noch einmal eine grüne Partei in Regierungsverantwortung sehen werden.

Die FDP hat aber mehr als Regierungsverantwortung zu verlieren. Mit Blick auf die Umfragewerte müsste Ihre Partei ja um den Einzug in den Bundestag zittern. Ist der Ampelausstieg da nicht ein Himmelfahrtskommando?

Das weiß niemand. Viele sagen, dass der Ausstieg aus der Ampel der Tod der Partei wäre, ebenso gibt es viele Stimmen, die sagen, dass wir mit einem Verbleib in der Ampel in den Umfragen weiter sinken.

Meiner Meinung nach können wir von einem Ausstieg aus der Ampel nur profitieren, indem wir das Vertrauen der Wähler zurückerobern und ihnen zeigen, dass wir mit der Politik der Ampel auch nicht zufrieden sind.

Seit der Ampel sind wir aus verschiedenen Landtagen geflogen, alles auf Basis der Bundespolitik. Das darf nicht der Preis für den Verbleib in der Ampel sein.

Wie wollen Sie aber Menschen überzeugen, eine Partei zu wählen, die sich aus der Regierungsverantwortung gestohlen hat?

Dazu sollten wir erst einmal die Mitgliederbefragung und das Ergebnis abwarten. Ich bin sehr froh darüber, dass wir in der FDP die Möglichkeit haben, solche Umfragen durchzuführen, um mögliche Stimmungsbilder zu analysieren und auf Basis dessen unsere Politik steuern können. Gute Politik funktioniert nur von unten nach oben!

Ebenso glaube ich, dass ein Großteil unserer Wähler den Ampelausstieg als positives Signal der FDP wahrnehmen wird. Gerade hier im Osten, wo die AfD mit über 30 Prozent in den Umfragen ein klares Stimmungsbild für die Unzufriedenheit der aktuellen Politik widerspiegelt.

Unsere Wähler können wir nur mit echter, liberaler Politik überzeugen. Das können wir aktuell auf Bundesebene leider nicht. Das Signal des Ampelausstiegs könnte uns viele Stimmen bringen, weil es zeigt, dass wir den Willen der Mehrheit ernst nehmen und bei uns parteipolitische Macht nicht an erster Stelle steht.

Was ist für Sie der Markenkern der FDP?

Für mich steht immer noch der Liberalismus als wichtigste Säule der FDP im Vordergrund. Und genau daran müssen und sollten wir uns in Zukunft wieder orientieren. Ganz nach dem Motto „Back to the Roots“.

Immer wieder betonen Sie in der Öffentlichkeit die Notwendigkeit der Umkehr in der Migrationspolitik. Wie müsste diese Politik aus Ihrer Sicht aussehen?

Auch wenn das dänische Migrationsmodell teilweise umstritten ist, halte ich viele Ansätze davon für das beste Konzept. Ich bin überzeugt, dass unser Sozialstaat nur erhalten werden kann, wenn wir anfangen, eine vernunftbasierte und nicht ideologiebasierte Migrationspolitik anzusteuern.

Dazu zählt unter anderem, dass Asylsuchende statt Geld nur noch Sachleistungen erhalten, um die Anreize zu minimieren.

Ebenso könnten wir eine Migranten-Quote in Wohngebieten einführen, um die Integration zu gewährleisten und Parallelgesellschaften zu verhindern. Es ist auch wichtig, dass wir die Liste der sicheren Herkunftsstaaten erweitern, gerade mit den Maghreb-Staaten und Syrien sollten Vereinbarungen geschlossen werden. Im Großen und Ganzen ist es wichtig, dass wir auch abschreckende Signale senden, damit unser Sozialstaat nicht ausgenutzt wird.

Es ist dabei wichtig, dass wir weiterhin wirklich Schutzbedürftigen auch helfen. Diese Balance müssen wir mit vernunftbasierter Sachpolitik hinbekommen.

In Dänemark verzeichnet man bereits erste Erfolge. Mit diesem Konzept haben es die dänischen Sozialdemokraten geschafft, den Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln zu nehmen und sie in den Umfragen einzudämmen. Vielleicht wäre das auch in Deutschland möglich. Vieles spricht dafür!

In der gesamten Debatte dürfen wir auch nicht vergessen, dass wir Nicht-EU-Bürgern auch vereinfachte Möglichkeiten bieten müssen, sich in Europa etwas aufzubauen und zu arbeiten. Wir benötigen dringend Fachkräfte für die Wirtschaft, auch in den einfachen Berufen.

Leider ist es immer noch so, dass wir die Berufsabschlüsse vieler Länder nicht anerkennen, beispielsweise in der Gastronomie und in der Pflege. Hier müssen wir dringend dafür sorgen, dass wir bürokratische Hürden abbauen und mehr Berufsabschlüsse anerkennen.

Gerade erst haben die EU-Staaten ein umfassendes Abkommen zur Migration verabschiedet. Wie bewerten Sie als Kandidat für das Europaparlament diese Einigung?

Grundsätzlich ist es ein Durchbruch in der EU-Asylpolitik. Nun müssen wir auf den Beschluss der Mitgliedstaaten warten. Ich hoffe nur, dass Schleuser und Migranten die Schlupflöcher nicht noch in letzter Sekunde ausnutzen und wir dadurch in den nächsten sechs Monaten einen erhöhten Zulauf erwarten müssen.

Unsere Kommunen und Länder, auch bei anderen EU-Mitgliedsstaaten, sind jetzt schon maßlos überfordert.

Danke für das Gespräch!

Das Interview führte Patrick Langendorf

Paul Bressel ist Unternehmer und Immobilieninvestor. Bis Dezember gehörte er zur Regionalleitung Schwerin des Unternehmerverbandes Norddeutschland Mecklenburg-Schwerin. Anfang November wählte ihn der Wahlparteitag der FDP zum Kandidaten für die Europa-Wahl im Juni 2024 in Mecklenburg-Vorpommern. In seiner Partei ist Bressel für seine klare Positionierung bekannt. So schrieb er beispielsweise nach seiner Nominierung auf X (vormals Twitter): „Ich ermutige auch meine Mitstreiter, unbeirrt für ihre Überzeugungen einzustehen, selbst inmitten des linken und sozialliberalen Zeitgeistes innerhalb der FDP.“



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