FDP-Chef Lindner: Keine Koalition unter grünem Kanzler – hin zum „aktivierenden Sozialstaat“

Die nächste Bundestagswahl ist in gut einem Jahr. FDP-Chef Lindner macht schon mal klar, was mit seiner Partei nicht ginge. Einige Inhalte des ARD-„Sommerinterviews“ mit Christian Lindner.
FDP-Chef Christian Lindner plädiert im ARD-«Sommerinterview» für Regelverschärfungen beim Bürgergeld.
FDP-Chef Christian Lindner plädiert im ARD-„Sommerinterview“ für Regelverschärfungen beim Bürgergeld.Foto: Joerg Carstensen/dpa
Epoch Times28. Juli 2024

FDP-Chef Christian Lindner hat eine Beteiligung seiner Partei an einer möglichen Bundesregierung unter Führung der Grünen ausgeschlossen: „Klar ist für mich eins: Noch mehr grün, also mit einem grünen Kanzler und einem grüneren Regierungsprogramm, das würde nicht zu uns passen“, sagte der Finanzminister im Interview mit dem ARD-„Hauptstadstudio“.

„Damit habe ich jetzt schon sogar was für den Fall eines möglichen Kanzlerkandidaten Habeck gesagt“, fügte er hinzu. Wirtschaftsminister Robert Habeck gilt als wahrscheinlichster Kanzlerkandidat der Grünen, nachdem Außenministerin Annalena Baerbock öffentlich ihren Verzicht darauf erklärt hatte.

Lindner äußerte sich im Social-Media-Format „Frag selbst“, bei dem Zuschauer online Fragen einreichen können und das vor der Sendung des klassischen ARD-„Sommerinterviews“ am Sonntag online gezeigt wurde.

Ein Nutzer fragte demnach, ob Lindner wieder eine Regierung mit Grünen-Beteiligung stützen würde. Die Antwort ließ Lindner offen: „Wir kennen die Wahlprogramme nicht. Wir kennen noch nicht einmal die Kanzlerkandidaten außer Olaf Scholz, dem Amtsinhaber“, sagte er. Zu gegebener Zeit werde die FDP sich dazu positionieren.

Wiedereinzug der FDP in nächsten Bundestag offen

Die nächste Bundestagswahl ist voraussichtlich am 28. September 2025. Nach aktuellen Umfragen wäre eine Wiederauflage der Ampel-Koalition unwahrscheinlich, für eine Mehrheit von SPD, Grünen und FDP würde es demnach nicht mehr reichen.

Die Freien Demokraten selbst bewegen sich nur noch zwischen 4 und 6 Prozent. Zur Frage, mit welchen Argumenten er mit seiner Partei wieder über die Fünf-Prozent-Hürde kommen wolle, sagte Lindner, die FDP sei die einzige Partei, die für individuelle Freiheit stehe, den Menschen etwas zutraue und Respekt vor Leistung und Eigentum habe. Dafür kämpfe man jeden Tag.

„Woher kommen die Geräusche der Ampel-Koalition? Weil die FDP sich einer Politik, wie SPD und Grüne sie ohne uns machen würden, entgegenstellt. Das möchten wir gerne fortsetzen. Unser Land muss weiter aus der Mitte nach vorne geführt werden, es darf nicht nach links.“

Ziel: Ein aktivierender Sozialstaat

Lindner will seine Partei mit dem Versprechen einer Reform des Sozialstaats in den nächsten Bundestagswahlkampf führen. „Grob gesagt, weg vom Umverteilungsstaat, hin zum aktivierenden Sozialstaat“. Dazu gehörten mehr Ausgaben für Bildung und Sprachförderung – aber auch „klare Anforderungen an diejenigen, die arbeiten könnten, aber es nicht tun“.

Bei der nächsten Bundestagswahl werde es zwei Optionen geben, sagte der FDP-Politiker. Die erste bedeute höhere Steuern und mehr Schulden. Dieser Weg werde gerade auch in Frankreich nach den jüngsten Parlamentswahlen diskutiert, damit seien aber Sorgen um die wirtschaftliche Stabilität verbunden. „Der andere Weg ist, ambitioniertere Strukturreformen und eine wachstumsfreundliche Politik“, betonte Lindner.

Dazu müsse über den Sozialstaat gesprochen werden. „Wer bedürftig ist, wer Hilfe braucht, wer unsere Solidarität verdient, braucht auch die Sicherheit, dass sie oder er sie erhält.“ Wer auf der anderen Seite nicht arbeite, vorsätzlich Angebote ausschlage oder wer sich irregulär, illegal in Deutschland aufhalte, dürfe nicht vom deutschen Sozialstaat profitieren. „Und damit wir die Größenordnung verstehen, da geht es um zweistellige Milliarden-Eurobeträge.“

Die Ampel-Koalition habe beim Bürgergeld oder beim Asylbewerberleistungsgesetz schon einiges getan, führte der Minister aus. „Aber ich gehöre zu denen, die sagen, wir werden hier weitere Strukturreformen brauchen, die dann in Verbindung mit wachstumsfreundlicher Politik uns Mittel bereitstellen werden.“

Kritik an Geldern für Bundeswehr zurückgewiesen

Die Kritik von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Etat für die Bundeswehr 2025 wies Lindner zurück. „Herr Pistorius hat ein 100-Milliarden-Euro-Sonderprogramm für die Ertüchtigung der Streitkräfte, das hatte keiner seiner Vorgänger“, sagte Lindner. „Damit kann man arbeiten, und damit muss man auch wirtschaften.“

Das Bundeskabinett hatte sich vergangenen Mittwoch auf den Bundeshaushalt 2025 verständigt. Die Vereinbarung umfasst einen kleineren Wehretat als von Pistorius gefordert – der Verteidigungsminister wollte rund 58 Milliarden Euro, bekommen soll er etwa 53 Milliarden Euro.

Pistorius hatte sich darüber beschwert und erklärt, bestimmte Dinge nicht in der Geschwindigkeit anstoßen zu können, wie es Zeitenwende und Bedrohungslage erforderlich machten. Lindner sagte dazu, „das ist falsch“. Die Ampel-Koalition investiere stark in die Sicherheit. „Deutschland erfüllt das NATO-Ziel von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die äußere Sicherheit. Wann in den letzten Jahrzehnten hat es das gegeben?“

Man mache mehr als Frankreich und Italien. In den kommenden Jahren stünden weiterhin mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Sicherheit zur Verfügung. „Jetzt muss ich den Spieß einmal umdrehen: Es ist nicht so, dass alles, was der Verteidigungsminister sagt, automatisch begründet und richtig ist.“ Lindner betonte, es gehe um Steuergeld und die Effizienz der Mittelvergabe.

Zur Sicherheit gehöre aber auch die finanzielle Stabilität der Bundesrepublik, betonte der Finanzminister. Pistorius erhalte für seinen Haushalt außerdem „all das, was er im Gespräch mit dem Bundeskanzler und mir an dringenden Bedarfen nachweisen konnte“.

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat im Tauziehen um die Ausgaben für die Bundeswehr seinen Kurs verteidigt. „Wir haben das Zwei-Prozent-Ziel für die NATO erreicht, zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren.“ (afp/dpa/dts/red)



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