FDP-Chef Lindner: Eckpunkte seiner Rede auf dem Parteitag – „Es ist jetzt langsam Zeit für das deutsche ‚Ja‘ zu Europa“
Während Frankreichs Präsident Emmanuel Macron immer noch auf eine Antwort auf seine europäischen Reformvorschläge warte, bleibe Merkel „unkonkret und vage“, sagte Lindner am Samstag vor den rund 660 Delegierten in Berlin. Gebraucht werde jedoch „leadership“.
Auch aufgrund der Uneinigkeit zwischen den Koalitionspartnern SPD und Union bewege sich nichts, kritisierte Lindner. „Wenn aber Deutschland sich nicht bewegt, wird sich auch in Europa nichts bewegen.“ Lindner rief Merkel auf:
Sagen Sie, was Sie für richtig halten, wovon Sie in der Europafrage überzeugt sind, und kämpfen Sie dafür!“
Das vergleichsweise kurze Treffen Ende April von Merkel mit US-Präsident Donald Trump, der Macron zuvor pompös empfangen hatte, nannte Lindner eine „protokollarische Ohrfeige“. Dies zeige auch, dass Europa derzeit „auf der Weltbühne nicht mit einer Stimme“ spreche.
„Dabei darf es nicht bleiben, wenn wir Einfluss behalten, wenn wir neuen Einfluss gewinnen wollen.“ Deutschland müsse die Initiative zu einem EU-Sondergipfel ergreifen, „damit Europa zu Iran, Syrien und Freihandel mit einer Stimme spricht“.
„Dieser Kontinent muss seine Schockstarre überwinden“, sagte Lindner weiter und mahnte europäische Handlungsfähigkeit an. Auf Konflikte wie im Nahen Osten und der Sorge vor einem Welthandelskrieg gebe es nur eine mögliche Antwort: Europa.
Migration: Kritik an Seehofer – Wo bleiben die Taten?
In der Migrationspolitik übte der FDP-Chef deutliche Kritik an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Dieser müsse einen Migrationsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen einberufen, um seinen Worten endlich Taten folgen zu lassen, forderte Lindner in Bezug auf die geplanten Ankerzentren.
Den soeben vom Bundeskabinett beschlossenen Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus lehnte der FDP-Chef ab. Eine solche Regelung dürfe es nur bei einer dauerhaften Bleibeperspektive der Betroffenen geben.
Vorwurf an Merkel
Der FDP-Vorsitzende warf Bundeskanzlerin Merkel in der Europapolitik fehlende Führungsstärke und „Zögerlichkeit“ vor. Auch aufgrund der Uneinigkeit zwischen den Koalitionspartnern SPD und Union bewege sich nichts.
Lindner warnte: „Wenn aber Deutschland sich nicht bewegt, wird sich auch in Europa nichts bewegen.“ Daher müsse der durch Deutschland verursachte „Schwebezustand“ überwunden werden, forderte der FDP-Chef.
Auf Deutschland komme spätestens mit dem Brexit mehr Verantwortung zu. „In dieser Zeit sind ’nein, vielleicht, später‘ zu wenig“, sagte Lindner.
Es ist jetzt langsam Zeit für das deutsche ‚Ja‘ zu Europa.“
FDP und die Russland-Politik
Lindner ging in seiner Rede auch auf den innerhalb der eigenen Partei umstrittenen Kurs in der Russland-Politik ein. „Russland hat seinen Platz im Haus Europa, wenn es sich an die Hausordnung hält“, sagte er unter Applaus. Niemand könne ernsthaft eine Konfrontation mit Russland wollen, genauso wenig könnten aber Völkerrechtsbrüche toleriert werden. Der FDP-Chef sprach sich dafür aus, Russland wieder in den Kreis der G7 + 1 oder G8 einzuladen und den EU-Russland-Gipfel wieder aufzunehmen.
Lindner betonte, darin seien sich die Freien Demokraten „völlig einig“. Anders sei dies bei der Forderung nach einem Sanktionsabbau, wie vom Landesverband Thüringen und von Parteivize Wolfgang Kubicki vertreten. Dies würde jedoch den Hardlinern im Kreml in die Hände spielen, warnte Lindner.
Der Bundesvorstand befürwortet in seinem Antrag die Sanktionen. Kubicki spricht sich in einem Änderungsantrag für ein „dosiertes Entgegenkommen unsererseits“ aus.
In Erwartung einer möglichen Debatte über die konkurrierenden Anträge vom Bundesvorstand, der die Russland-Sanktionen befürwortet, und Thüringer FDP gab sich Lindner gelassen. Die Freien Demokraten seien „eine lebendige, liberale Partei“.
„Ein Meinungsspektrum macht uns nicht schwach, sondern stark.“ Niemand, der beim Parteitag eine am Ende unterlegene Meinung vertrete, sei danach beschädigt. Durch solche Spekulationen „lassen wir uns die Freude an der Kontroverse nicht nehmen“.
USA: Wenn es schwieriger wird, brauchen wir mehr Dialog statt weniger
Mit Blick auf die USA forderte Lindner, gerade dann, wenn die Beziehungen schwierig seien, „braucht es nicht weniger Dialog, sondern mehr Dialog“. Die europäische Antwort auf die amerikanische Drohung mit einem Handelskrieg sollte der Einsatz für mehr Freihandel sein, sagte der FDP-Chef. Er rief den Bundestag auf, daher das Ceta-Freihandelsabkommen mit Kanada zu ratifizieren.
Bürgergeld statt Hartz IV
FDP-Chef Christian Lindner plädiert weiterhin für ein Bürgergeld anstelle von Hartz IV. „Hartz IV ist für viele doch ein Magnet geworden“, sagte Lindner beim Parteitag in Berlin.
Ein Zuverdienst lohne sich für viele Bezieher nicht. Die liberale Idee des Bürgergelds sieht vor, verschiedene Sozialleistungen zusammenzufassen.
Selbstverdientes Einkommen soll dabei geringer angerechnet werden als heute. Erneut forderte Lindner die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags.
Solidaritätszuschlag abschaffen – Mehr Frauen in die Chefetage
Lindner bekräftigte die Forderung seiner Partei nach einer vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Sollte dieser nach dem 1. Januar 2020 noch erhoben werden, werde die FDP alle Rechtsmittel bis zum Verfassungsgericht in Karlsruhe ausschöpfen.
Zu den Schwerpunkten bei dem zweitägigen Treffen zählen die Themen Innovation, Bildung und Digitalisierung. Weiteres Thema ist der mit knapp 22 Prozent geringe Anteil von Frauen unter den FDP-Mitgliedern. Das Präsidium hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Maßnahmen entwickeln soll, um mehr Wählerinnen und weibliche Mitglieder zu gewinnen.
Zudem sollen sich mehr Frauen auch in Führungspositionen engagieren. Dabei soll ergebnisoffen diskutiert werden – auch über die Frauenquote, die in der FDP bislang als tabu galt. In der Aussprache positionierten sich gleich mehrere Redner gegen eine Frauenquote. (afp/dpa)
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