FDP beharrt auf 12-Punkte-Plan und lobt „Überraschungsmoment“ der Grünen

Das Präsidium der FDP hat den am Wochenende bekannt gewordenen Plan zur „Beschleunigung der Wirtschaftswende“ am Montag abgesegnet. Die SPD bleibt kritisch. Auffällig zurückhaltend geben sich jedoch die Grünen – was erste Würdigungen aus den Reihen der Liberalen zur Folge hat.
FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner.
FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 23. April 2024

Die FDP hält an ihrem sogenannten 12-Punkte-Plan zur Beschleunigung der Wirtschaftswende fest. Am kommenden Wochenende strebt sie dessen Bestätigung durch einen Parteitagsbeschluss an. Dieser sieht unter anderem ein Ende der Möglichkeit zum Rentenantritt vor dem gesetzlichen Eintrittsalter vor. Zudem soll es erhebliche Verschärfungen beim Bürgergeld und ein Einfrieren der Sozialleistungen geben.

Gleichzeitig will die Partei Überstunden steuerlich entlasten, den Solidaritätszuschlag vollständig abschaffen und die Bürokratie abbauen. Am Montag, den 22. April, hat das Präsidium der FDP das Papier beschlossen. „Bild am Sonntag“ hatte als erstes Medium daraus zitiert.

Lindner: Fliegender Koalitionswechsel der FDP kommt nicht in Betracht

Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hat den Vorstoß seiner Partei, der einige Elemente des Ampelkoalitionsvertrags infrage stellt, verteidigt. Die heutige Lage sei „eine ganz andere“ als zum Zeitpunkt von dessen Vereinbarung. Man habe nun „völlig andere Herausforderungen“ und müsse diese nun angehen. Zudem hätten, wie „T-Online“ ihn zitiert, „wichtige Reformen in Deutschland vor zehn Jahren“ gemacht werden müssen.

CSU-Chef Markus Söder sprach angesichts des Inhalts des 12-Punkte-Plans von einer „Scheidungsurkunde für die Koalition“. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht äußerte sich in ähnlicher Form. Sie forderte Neuwahlen für September, weil Deutschland „nicht auch noch ein Trennungsjahr“ der Koalitionäre verkrafte. Aus der CDU kamen Appelle zur Zusammenarbeit oder gar zum Koalitionsausstieg.

FDP-Chef Christian Lindner wies diese jedoch noch am Montag im „heute journal“ des ZDF zurück. Die CDU trage „Mitverantwortung für die Lage dieses Landes, diese Wachstumsschwäche ist doch nicht über uns gekommen in den letzten Wochen“. Außerdem hätten sowohl CDU als auch CSU lange Zeit das Wachstumschancengesetz blockiert. Der Bundesfinanzminister erklärte, er mache „keine Koalitionsspielchen“. Es gehe ihm um Impulse für das Wirtschaftswachstum angesichts des „schlechtesten Wachstums aller entwickelten Wirtschaftsnationen“.

Kühnert: „Wir wollen auch, dass der Sozialetat schrumpft“

Die SPD hat Vorschläge der Liberalen als „Parteitagsfolklore“ abgetan. Es gab aus ihren Reihen deutliche Kritik an den im Papier formulierten Forderungen. Parteichef Lars Klingbeil sprach von „Überbleibsel aus der Mottenkiste“ und einer Politik auf dem Rücken von „Handwerkern, Krankenschwestern oder Erzieherinnen“.

In den „Tagesthemen“ der ARD mahnte er jedoch, die Bundesregierung müsse sich bezüglich der Themen wie Investitionen, Bürokratie und Energiepreise „zusammenraufen“. Spätestens nach dem FDP-Parteitag müssten die Koalitionspartner die drängenden Fragen „zu dritt anpacken“.

Generalsekretär Kevin Kühnert, der den Liberalen das „Fingerspitzengefühl von Investmentbankern“ bescheinigte, äußerte sich im „Stern“ zu den Vorhaben des Koalitionspartners. Unter den Bürgergeldbeziehern in Deutschland befänden sich 800.000 Erwerbstätige, die aufstocken müssten. Zwei Millionen Haushalte von arbeitenden Menschen seien auf Wohngeld angewiesen. Er empfiehlt höhere Löhne als Gegenstrategie:

„Auch der Sozi ist dafür, dass der Sozialetat schrumpft – nur eben durch den Abbau von Ungerechtigkeiten.“

Baerbock beschränkt sich angesichts des FDP-Papiers auf Appelle zur Geschlossenheit

Die Grünen haben sich bis dato kaum zum Konzeptpapier der FDP zu Wort gemeldet. Am Montag gab es dazu lediglich ein sehr allgemein gehaltenes Statement von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Diese mahnte zur „Geschlossenheit zwischen […] allen demokratischen Akteuren in unseren Gesellschaften“. Sie erklärte:

„Wir sehen, dass diese turbulente Weltlage, gerade auch für Demokratien eine große Herausforderung ist, weil Autokratien ganz gezielt die jetzige, so volatile Situationen nutzen, um Demokratien zu destabilisieren.“

Inhaltlich grenzte sie sich von den Positionen des Koalitionspartners jedoch nicht ab. Die FDP verteilte bereits Lob angesichts der Zurückhaltung.

Der Bundestagsabgeordnete Maximilian Mordhorst sprach diesbezüglich von einem „konstruktiven Überraschungsmoment“. Gegenüber „Focus online“ verteilte er eine „Einladung zu ergebnisorientierten Gesprächen“ und mutmaßte:

„Bei den Grünen scheint es irgendwo ‚klick‘ gemacht zu haben.“

Auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik scheinen, so Mordhorst, „mehr Schnittmengen zwischen uns und den Grünen als mit den Sozialdemokraten vorhanden zu sein“.

Erstes Liebeswerben für ein künftiges „Jamaika“?

Über künftige Koalitionen wollte auch er nicht spekulieren. Der FDP, so Mordhorst, gehe es nicht um diese, sondern „um das Land“ und die „wirtschaftliche Zukunft Deutschlands“. Zuletzt hatten sich die Liberalen vorwiegend um Abgrenzung von den Grünen bemüht. Ob der nunmehrige Konfrontationskurs gegenüber der SPD nun den Auftakt zu einem generellen Strategiewechsel darstellt, bleibt abzuwarten.

Schafft es die FDP wieder in den Bundestag, wäre eine schwarz-grüne Koalition nach derzeitigem Umfragestand nicht möglich. Ein Jamaika-Bündnis wäre jedoch möglich. CDU-Chef Merz wäre – im Unterschied zum CSU-Vorsitzenden Söder – einer Zusammenarbeit mit den Grünen gegenüber aufgeschlossen.

Einsparungen im Sozialbereich dürften bei den Grünen zwar, ähnlich wie die „Migrationswende“, innerparteiliche Kritik hervorrufen. Allerdings spricht wenig dafür, dass die Partei ein Jamaikabündnis daran scheitern lassen würde. Die wohlhabende bürgerliche Grünen-Klientel wäre von Verschärfungen beim Bürgergeld nicht betroffen, ihre Wähler aus der Beamtenschaft nicht von Reformen der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die CDU-Ministerpräsidenten könnten jedoch einem Jamaika-Projekt – und einer Merz-Kanzlerkandidatur – einen Strich durch die Rechnung machen. Sie streben eine Reform der Schuldenbremse an. Diese schließt nicht nur Merz, sondern auch die FDP kategorisch aus. Gleichzeitig würde man bei diesem Vorhaben an der SPD nicht vorbeikommen.



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