Europa rüstet auf: Vernetzte Drohnenschwärme und neue Kampfjets

Deutschland, Frankreich und Spanien einigten sich auf die Fortführung des größten europäischen Rüstungsprojekts. Das neue Luftkampfsystem FCAS wird weiterentwickelt, die Gesamtverantwortung liegt weiterhin in Frankreich.
Titelbild
Der Vorstandsvorsitzende des französischen Konzerns Dassault Aviation, Eric Trappier, vor dem maßstabsgetreuen Modell des Systems de Combat Aerien Futur (SCAF).Foto: Eric Piermont/AFP via Getty Images
Von 20. November 2022

Berlin, Paris und Madrid haben sich auf das größte europäische Rüstungsprogramm, das Future Combat Air System (FCAS), geeinigt. Mit einem geschätzten Gesamtvolumen von 100 Milliarden Euro sollen Luftkampfsysteme der neuesten Generation entwickelt und eingeführt werden.

Vorgesehen sind der Bau von Kampfjets und vernetzten Drohnenschwärmen. Ab 2040 soll das System die derzeit in Deutschland, Frankreich und Spanien eingesetzten Kampfflugzeuge Rafael und Eurofighter ablösen.

„Nach intensiven Verhandlungen steht der Abschluss eines Industrieabkommens bevor“, hieß es am 18. November aus dem Élysée-Palast in Paris, schreibt die FAZ. Die politische Übereinkunft sei „ein großer Schritt nach vorne, insbesondere im aktuellen internationalen Kontext“. Daran beteiligt waren Vertreter aus Deutschland, Frankreich und Spanien.

Auf industrieller Seite nahmen der französische Flugzeugbauer Dassault Aviation sowie der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus teil. Nach mehrmonatigen Verhandlungen kann die Industrie nun mit der Entwicklung des neuen Kampfflugzeugsystems fortfahren.

„Luftkampfsystem stärkt militärische Fähigkeiten Europas“

Die Einigung sei „ein wichtiges Signal der exzellenten Kooperation zwischen Frankreich, Deutschland und Spanien“, heißt es aus Berlin dazu weiter. Das geplante Luftkampfsystem stärke die militärischen Fähigkeiten Europas. Die Gespräche „auf hoher Regierungsebene“ hätten zum Durchbruch geführt.

Das Bundesverteidigungsministerium teilte mit, dass parallel zu diesen Industrieverhandlungen zwischen Dassault Aviation und Airbus „auf höchster Regierungsebene bekräftigt (wurde), dass bei dem unter französischer Gesamtverantwortung stehende Projekt ein kooperativer Ansatz auf Augenhöhe verfolgt wird“.

Bei dem Projekt – voller Titel: Next Generation Weapon System in einem Future Combat Air System (NGWS/FCAS) – wird Frankreich in seiner Führungsrolle immer wieder kritisch beäugt. Hinterfragt wird beispielsweise, ob sich die französische Rüstungsindustrie übermäßige Vorteile verschafft. Ein Streitpunkt: Wer hält die Nutzungsrechte, wenn mit Steuergeldern in dieser Höhe technologische Quantensprünge finanziert werden?

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht erklärt, „die politische Einigung bei FCAS ist ein großartiger Schritt und ein – gerade in diesen Zeiten – wichtiges Zeichen der exzellenten deutsch-französisch-spanischen Zusammenarbeit.“

Vertragsunterzeichnung in kommenden Tagen geplant

Die abschließende Vertragsunterzeichnung ist in den kommenden Tagen geplant. Zuvor müssen noch die Regierungen in Berlin, Paris und Madrid zustimmen. In Deutschland ist dazu ein Ja des Haushaltsausschusses im Bundestag notwendig, was als Formsache gilt.

In Paris sorgte man sich, dass Deutschland bei FCAS abspringen könnte. Gründe könnten hierfür die hohen Kosten, die technologische Komplexität, das britische Konkurrenzprojekt „Tempest“ oder weitere Beschaffungen der US-amerikanischen F-35A Lightning II für die Bundeswehr sein, so das Magazin für Europäische Sicherheit und Technik.

3,5 Milliarden Euro Entwicklungskosten für nächste Phase

Aus Berliner Kreisen heißt es, dass die Entwicklungskosten für die nächste Programmphase bei rund 3,5 Milliarden Euro liegen. Auf Basis des Demonstrationsmodells soll dann intensiv getestet werden, ob sich das ehrgeizige Projekt technologisch realisieren lässt.

Generalleutnant Ingo Gerhart, Inspekteur der Luftwaffe, erklärt:

Dieses neue Kampfflugzeugsystem der 6. Generation ist weit mehr als ein Nachfolger des Eurofighters und der Rafale.“

Rüdiger Knöpfel vom Bundesamt für Beschaffung, Informationstechnik und Ausrüstung in Koblenz, äußert auf der Bundeswehr-Website zu dem Projekt: „Wir reden hier von verschiedenen Systemeinheiten. Zu denen gehört ein bemanntes Kampfflugzeug, aber auch ein Schwarm unbemannter Luftfahrzeuge. Das ist die Idee. Aber da sind natürlich eine Menge Herausforderungen mitzubetrachten.“

Der Datenlink, die Kommunikation, alles müsse so sicher sein, dass es auch heutigen Zulassungskriterien entspreche. Stealth-Eigenschaften sollen alle taktisch relevanten Signaturen verringern, vornehmlich die Radarrückstrahlung bei der Erfassung durch weiträumige gegnerische Luftraumüberwachung.

Im Bereich des intelligenten elektronischen Kampfes gehe es um einen Wettstreit zwischen Maßnahmen zur Ortung eines Luftziels und Gegenmaßnahmen zum Schutz des Luftfahrzeugs vor Entdeckung.

Antriebe, Bewaffnung, Vernetzung

„Grundsätzlich zeigt sich die Leistungsfähigkeit eines Luftfahrzeugs darin, sich gegen andere Flugzeuge und Luftverteidigungssysteme durchzusetzen sowie viele verschiedenartige Ziele mit hoher Wirksamkeit und zu vertretbaren Kosten zerstören zu können, ohne selbst Schaden zu nehmen“, äußert die Bundeswehr.

Neben einer Entwicklung verschiedener Antriebsalternativen spielt die Bewaffnung eine zentrale Rolle. „So wird das künftige Luftfahrzeug eine hohe Präzision der Luft-Boden-Bewaffnung benötigen als auch Luft-Luft-Waffen mit einer hohen Reichweite.“

Eine besondere Rolle spielt auch die Vernetzung der Sensordaten des einzelnen Luftfahrzeugs in ein taktisch-operatives Netzwerk. „Dafür werden eine komplexe Software und genug Rechenleistung im Flugzeug benötigt werden, um die großen Datenströme zu verarbeiten.“ Daneben sei zusätzlich die Frage nach der Abschirmbarkeit des Gesamtsystems gegen gegnerische elektronische Maßnahmen und Cyber-Angriffe entscheidend.

Initiiert wurde das FCAS-Projekt im Jahr 2017 von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.



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