Fast jedem dritten Krankenhaus droht Insolvenz in diesem Jahr

Große Befragung von Klinikführungskräften in Deutschland: Mehr als die Hälfte der Befragten sieht die Liquidität der Kliniken gefährdet. Der Report bemängelt ausbleibende Ausgleichszahlungen bei gleichzeitig gestiegenen Preisen. Auch die Fallzahlen sinken.
Unbenutzte Betten auf einem Klinikflur: Im Gesundheitswesen waren im Oktober auch Krankenhäuser von Insolvenz betroffen.
Leere Betten sind ein Grund, warum die Situation der Kliniken immer prekärer wird.Foto: Rainer Jensen/dpa
Von 11. Juli 2024

Die finanzielle Not der Krankenhäuser verschärft sich nach einer Branchenerhebung weiter. Mehr als die Hälfte von 650 befragten Klinikführungskräften sah im zweiten Quartal die Liquidität des eigenen Hauses „gefährdet“ oder sogar „stark gefährdet“, wie die Umfrage der Unternehmensberatung Roland Berger ergab. Im Schnitt könnte nach dieser Selbsteinschätzung 28 Prozent der Kliniken bis Jahresende die Insolvenz drohen, vermelden Agenturen.

70 Prozent machen Verlust

„Es sind nicht nur die kleinen Krankenhäuser, es sind auch sehr, sehr, sehr viele große Krankenhäuser dabei, auch Maximalversorger und Universitätskliniken“, sagte der Krankenhausfachmann und Partner des Münchner Beratungsunternehmens, Peter Magunia, „Insbesondere öffentliche Krankenhäuser stehen noch mal stärker unter Druck.“

Im vergangenen Jahr schrieben demnach 70 Prozent der Krankenhäuser rote Zahlen. „Wir glauben, dass es auch sehr kurzfristig zu weiteren Schließungen kommen wird, wenn wir uns die wirtschaftliche und die Liquiditätssituation ansehen“, sagte Magunia.

Anders als oft angenommen, geraten keineswegs nur kleine Krankenhäuser auf dem Lande in Not. „Die Herausforderung ist in den Städten teilweise noch ein bisschen größer“, sagte Janes Grotelüschen, Co-Autor und ebenfalls Partner bei Roland Berger. „Was die Bettendichte angeht, sind wir in den Städten meistens noch besser ausgestattet als ländlich. Daher gibt es in den Städten teilweise noch größere Auslastungsprobleme.“

Ein weiteres großes Problem ist fehlendes Personal, weil Pflegekräfte und andere Klinikangestellte keine allzu hohen Einkommen haben: „In den Städten ist es teilweise noch schwieriger für die Krankenhäuser, Personal zu finden, weil die Lebenshaltungskosten nicht so gut mit den Tarifen zusammenpassen“, sagte Grotelüschen.

Neuer Pleiterekord möglich

Die Umfrage deckt sich im Wesentlichen mit der pessimistischen Einschätzung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), die im Frühjahr dieses Jahres von einer nie erlebten wirtschaftlichen Schieflage gesprochen hatte. 2023 hatten laut Krankenhausgesellschaft bundesweit 40 Häuser Insolvenz angemeldet. Für 2024 könnte ein neuer Negativrekord drohen.

Die Bundesregierung hat zwar versprochen, die Krankenhausfinanzierung auf solide Füße zu stellen. Die Reform soll Anfang 2025 in Kraft treten. Momentan aber herrscht in den Krankenhäusern Unsicherheit, wie Magunia sagte. „Derzeit kann kein Krankenhaus die Effekte aus der Krankenhausreform kalkulieren und sozusagen auf das eigene Haus herunterbrechen. Es gibt kein Modell, weder eines, das zur Verfügung gestellt würde, noch eines, das man sozusagen selbst aufsetzen könnte.“

Mittel- und längerfristig werden viele Krankenhäuser nach Einschätzung der beiden Klinikexperten auf Zusammenschlüsse angewiesen sein. „50 Prozent aller Geschäftsführer denken über Fusionen nach“, sagte Magunia. „Viele Krankenhäuser werden nicht solitär überleben können, sondern nur im Verbund.“ Es gebe bereits einige Krankenhausverbünde – „die müssen aber auf jeden Fall größer werden“.

Krankenhäuser verlieren Kreditwürdigkeit

Gesunkene Fallzahlen und der weiterhin ausbleibende Ausgleich für die inflationsbedingt stark gestiegenen Preise in den Jahren 2022 und 2023 sieht Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft, als Ursache für die schlechte wirtschaftliche Situation. Das habe der Krankenhaus Rating Report für das laufende Jahr verdeutlicht, den die DKG Ende Juni 2024 auf ihrer Internetseite kommentierte.

Demnach seien die um 13 Prozent gestiegenen Kosten nur knapp zur Hälfte durch Preisanpassungen ausgeglichen worden. Seit 2022 gäben die Kliniken stets mehr Geld aus, als sie einnehmen. Die Rücklagen schrumpfen, die Krankenhäuser verlieren ihre Kreditwürdigkeit. Während in diesem Jahr 70 Prozent der Kliniken ein negatives Jahresergebnis erwarteten, könnten es 2025 gar 80 Prozent werden, prognostiziert der Report.

Selbst bei einer schnellen Umsetzung der Reformpläne des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) und unter der Annahme „von sehr optimistischen Berechnungen“ sehe der Rating Report im kommenden Jahr noch 62 Prozent der Krankenhäuser mit einem negativen Ergebnis.

Gaß wies zudem darauf hin, dass über die Jahre aufgehäuften Schulden zusätzlich auf den Kliniken lasteten. „Dies zeigt, dass es selbst bei sehr optimistischen Annahmen hinsichtlich der möglichen Verbesserungen durch eine Reform keine Entwarnung für die wirtschaftliche Not und die Existenzsorgen der Kliniken gibt“, betont er in einer Pressemitteilung der DKG. „Auf die Menschen in Deutschland werden also noch einige Jahre der Versorgungseinschränkungen zukommen, sofern die Gesundheitspolitik dem kalten Strukturwandel der unkontrollierten wirtschaftlich bedingten Krankenhausschließungen weiter zuschaut“, resümiert der Vorstandschef.

(Mit Material von Agenturen)



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