Familiengeld in Bayern: EU-Kommission will gegen Deutschland vor Gericht ziehen
Das Familiengeld, das der Freistaat Bayern seit 2018 für Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr ausbezahlt, ist möglicherweise europarechtswidrig. Diese Auffassung vertritt zumindest die EU-Kommission. Bisherige Mahnungen an Deutschland, eine Anpassung der bayerischen Regelung zu erwirken, blieben ohne Konsequenzen. Nun erwägt Brüssel, Deutschland darob vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu verklagen.
Die EU-Kommission beanstandet dabei insbesondere, dass die Zahlungen für Kinder, die in einem anderen Mitgliedstaat der Staatengemeinschaft leben, geringer ausfallen. Der Freistaat hält dies für sachgerecht, denn nach seiner Argumentation sind dort entweder die Leistungen vor Ort noch höher – wie beispielsweise in Österreich. In diesem Fall würden die Betroffenen das Familiengeld ohnehin dort beziehen und ein Doppelbezug ist ausgeschlossen. Oder aber die Lebenshaltungskosten sind erheblich geringer wie in Rumänien oder Bulgarien.
Familiengeld in Bayern mit Verordnungsermächtigung zur Anpassung für Kinder im Ausland verbunden
Das monatliche Familiengeld des Freistaats Bayern für Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr beträgt 250 Euro, ab dem dritten Kind sogar 300. Die Zahlung erfolgt unabhängig von Einkommen, Erwerbstätigkeit und Art der Betreuung. In Bayern wohnhafte EU-Bürger, deren Kinder im entsprechenden Alter im EU-Ausland leben, erhalten für diese jedoch geringere Leistungen.
Was Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt im EU-Ausland anbelangt, enthält das Gesetz eine Ermächtigung an das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, „eine an die Kosten der Lebenshaltung am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts angepasste Leistungshöhe zu bestimmen“.
Die EU-Kommission sieht darin eine mögliche Diskriminierung von Grenzgängern – in Bayern würde das vor allem solche aus der Tschechischen Republik betreffen – oder sonstigen mobilen Beschäftigten. Dies könnte einen Verstoß gegen EU-Bestimmungen zur Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme darstellen.
Klage auch gegen Italien möglich – Österreich bereits verurteilt
Entsprechende an Deutschland gerichtete Kritik konnte nicht in ausreichendem Maße ausgeräumt werden, deshalb will Brüssel nun an den EuGH herantreten. Dies hat die EU-Kommission jüngst mitgeteilt. Im äußersten Fall könnte dieser eine Verurteilung Deutschlands aussprechen, was mit einer erheblichen Geldbuße verbunden sein könnte.
Auch Italien droht eine Klage aufgrund eines ähnlichen Sachverhalts. Dort hatte die Regierung eine ähnliche Vergünstigung für unterhaltsberechtigte Kinder eingeführt. Voraussetzung für deren Gewährung ist jedoch, dass die Elternteile seit mindestens zwei Jahren in Italien beschäftigt seien – und deren Kinder nicht in einem anderen Land lebten.
Im Jahr 2022 verurteilte der EuGH bereits Österreich wegen eines Anpassungsmechanismus für die Berechnung der Pauschalbeträge der Familienbeihilfe und verschiedener Steuervergünstigungen. Auch dieser war darauf ausgerichtet, Leistungen zugunsten von Kindern, die in einem anderen Mitgliedstaat leben, nach dem dortigen allgemeinen Preisniveau auszurichten.
Müsste Bayern das Familiengeld in München anders bemessen als in der Oberpfalz?
Der EuGH gab der Kommission recht. In der Urteilsbegründung hieß es, dass es auch innerhalb der Mitgliedstaaten selbst regelmäßig regionale Unterschiede in den Lebenshaltungskosten gebe. Bei der Bemessung der Familienleistungen fielen diese jedoch regelmäßig nicht ins Gewicht. Andernfalls müsste Deutschland beispielsweise in Bayern ein höheres Kindergeld bezahlen als in Mecklenburg-Vorpommern.
Entsprechend sei eine Ungleichbehandlung von begünstigten Elternteilen auch dann nicht gerechtfertigt, wenn deren Kinder in einem anderen Mitgliedstaat der EU leben. Die österreichische Regelung habe entsprechend gegen die Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit verstoßen. Zudem sei sie vor allem gegen Wanderarbeitnehmer gerichtet, deren Kinder regelmäßig in einem anderen EU-Mitgliedstaat wohnten.
Der Anpassungsmechanismus habe eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dargestellt, so der EuGH weiter. Die Wanderarbeiter seien jedoch in gleicher Weise an der Festsetzung und Finanzierung der Beiträge beteiligt, die der Familienbeihilfe und den Steuervergünstigungen zugrunde lägen, wie ein inländischer Arbeitnehmer.
Kindergeld des Bundes: 2023 wurden 525,7 Millionen Euro für Kinder im Ausland bezahlt
Der Wohnsitz der Kinder habe beispielsweise auf die Verpflichtung zur Bezahlung von Steuern und Sozialabgaben keinen Einfluss. Entsprechend habe die österreichische Regelung auch gegen die Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstoßen.
Genaue Erhebungen darüber, für wie viele im Ausland lebende Kinder das bayerische Familiengeld bezahlt wird, sind bis dato nicht verfügbar. Dem Bundesfinanzministerium zufolge wurden im Vorjahr jedoch 525,7 Millionen Euro an Kindergeld ins Ausland überwiesen. Insgesamt profitierten davon 313.000 Kinder, von diesen lebten 307.000 in EU-Staaten. Mit 171.000 entfiel der größte Anteil davon an Kinder in Polen.
Ausländische Staatsangehörige, die in Deutschland wohnen, sind kindergeldberechtigt, wenn sie EU-Bürger sind oder es ein bilaterales Abkommen über dessen Gewährung gibt. Vereinbarungen dieser Art bestehen etwa mit der Türkei, Serbien oder Marokko. Bezugsvoraussetzung ist eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder unfreiwillige Arbeitslosigkeit. Außerdem sind anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte bezugsberechtigt.
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