Falun Dafa-Parade bringt Chinas Traditionen nach München
Am Freitagnachmittag herrscht geschäftiges Treiben in der Münchner Altstadt. Es ist kühl, aber sonnig. Der Himmel ist blau und klar. Einheimische wie Touristen tummeln sich in den bekannten Einkaufsstraßen, vor dem neugotischen Rathaus und bei der berühmten doppeltürmigen spätgotischen Frauenkirche.
Vom Marienplatz her klingen asiatische Klänge, Trommeln, Orchestermusik und dazwischen Lautsprecherdurchsagen. Dort bietet sich ein vielfältiges buntes Bild.
Eine Gruppe in leuchtend gelben Anzügen mit Kopftüchern, die für Zentralchina typisch sind, zeigen traditionellen chinesischen Hüfttrommeltanz. Es folgt ein chinesischer Drachen- und Löwentanz. Zwischendurch werden sanfte Falun-Gong Übungen zu harmonischer Meditationsmusik gezeigt. Ein Moderator erklärt das Geschehen.
Eine große Blaskapelle mit vielen asiatischen Gesichtern spielt klassische Werke wie „Ode an die Freude“ und den „Triumph-Marsch aus „Aida“ im Wechsel, aber auch asiatisch anmutende fröhliche Stücke. Viele Menschen bleiben stehen und hören zu.
Die Botschaft der Veranstaltung ist klar zu lesen: Auf Transparenten steht „Falun Dafa – Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit, Nachsicht“, „Eine Kultivierungsschule für Körper und Geist“ – aber auch Botschaften wie „Stoppt die Verfolgung von Falun Gong“, „Stoppt den Organraub an Lebenden“, die nicht nur freudigen Charakter haben, sondern zum Nachdenken anregen.
Praktizierende der buddhistischen Kultivierungsschule Falun Gong aus verschiedenen Ländern Europas treffen sich diesen Freitag in München zu einer friedlichen Kundgebung und Umzug der anderen Art. Neben kulturellen Musikeinlagen, die den traditionellen Geist und Lebensfreude von Falun Dafa zeigen, erinnern sie an ihre verfolgten Mitpraktizierenden im kommunistischen China.
Weiß gekleidete Frauen tragen andächtig Bilder von Verstorbenen. Sie zeigen die Gesichter von jungen wie älteren Frauen und Männern mit harmonischem Gesichtsausdruck. Es sind Menschen, die wegen ihres Glaubens zu Tode gefoltert wurden. Seit mehr als 22 Jahren dauert die Verfolgung von Falun Dafa-Praktizierenden in China bereits an.
„Ich kann meine Verwandten in China aus Sicherheitsgründen nicht besuchen“
Ein Mitglied der Blaskapelle ist ein junger Mann namens Zhaode. Er kommt aus der Nähe von Stuttgart und ist zwanzig Jahre alt. Er spielt Saxofon. Er freut sich, nach langer Pause wegen der Corona-Pandemie endlich wieder in einer europäischen Großstadt auftreten zu können.
Die Musiker der rund hundertköpfigen Marschkapelle kommen aus vielen verschiedenen europäischen Ländern. „Es ist wirklich schwierig, etwas zu organisieren – auch wegen der Einreisebestimmungen“, sagt Zhaode. In erster Linie ist er heute gekommen, weil er mithilfe von Musik auf die brutale staatliche Verfolgung der Falun Dafa-Praktizierenden in China hinweisen möchte.
Man muss sich vorstellen, ich bin hier in Deutschland geboren und aufgewachsen, kann aber meine Verwandten in China nicht besuchen, weil es einfach aus Sicherheitsgründen nicht geht.“
Ob man mit einer Marschkapelle und Musik dies auch tatsächlich erreichen kann? „Ja natürlich“, sagt Zhaode. „Musik ist eine Sprache, die jeden erreicht. Gute Musik dringt wirklich in die Herzen der Zuschauer. Mit ihr kann man Werte, Gefühle und auch Gedanken übermitteln.“ Das sei eine sehr schöne Weise, um einerseits die Zuschauer zu erfreuen, aber auch zu zeigen, was für Menschen Falun Dafa-Praktizierende sind.
Echte Tradition in China unerwünscht
Falun Dafa war nach seinem Bekanntwerden in der Öffentlichkeit 1992 in China wegen seiner guten Auswirkungen auf die geistige und körperliche Gesundheit sehr beliebt. Es wird kostenlos weitergegeben und meist in Parks praktiziert. Innerhalb nur weniger Jahre wuchs die Anzahl der Praktizierenden auf rund 100 Millionen an.
Als die Anzahl der Ausübenden in China die Zahl der Mitglieder der Kommunistischen Partei (KPC) übertraf, verbot der damalige chinesische Staatsführer und KP-Vorsitzende Jiang Zemin Falun Gong und ließ deren Anhänger verfolgen.
Neben dem Neid auf die Beliebtheit der Praktik und dessen Begründer Li Hongzhi, fürchtete Chinas Staatschef auch Machtverlust, denn der gute Ruf von Falun Gong war bis in die Partei hinein bekannt. Durch Falun Gong erfuhren kulturelle Werte in der Gesellschaft wieder mehr an Bedeutung.
Schließlich wies Jiang Zemin den gesamten Staatsapparat an, Falun Dafa innerhalb kurzer Zeit auszulöschen. Sein Befehl lautete: „Zerstört ihren Ruf, ruiniert sie finanziell und vernichtet sie physisch!“ Und er gilt bis heute.
Seitdem sind Millionen Falun Dafa-Praktizierende ständig in Arbeitslagern und Gefängnissen inhaftiert, wo sie gefoltert werden und Zwangsarbeit verrichten müssen. Zigtausende kamen in den letzten 22 Jahren zu Tode. Die Dunkelziffer liegt weitaus höher.
2006 wurde erstmals bekannt, dass lebende Falun Gong-Praktizierende, die in Lagern gehalten werden, auf Abruf wegen ihrer Organe getötet werden. In China ist der Organhandel ein regelrechter Wirtschaftszweig geworden.
„Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit, Nachsicht sind gut“
Anahita Pasdar, eine 22-jährige Klavierstudentin, kommt aus Salzburg. Sie trägt ein Banner, das die Prinzipien von Falun Dafa zeigt, „Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit, Nachsicht“.
Das sind Prinzipien aus der jahrtausendealten chinesischen traditionellen Kultur Chinas und die Grundsätze, die Falun Dafa-Praktizierende in ihrem Alltag anleiten.
Doch was führt die junge Klavierstudentin nach München?
Mir gefällt an Paraden, wie begeistert die Menschen sind. Sie erfreuen sich an der Musik und auch an den Informationen, die sie dort erhalten“, sagt Anahita.
Außerdem möchte ich dabei „mithelfen, den Leuten zu erklären, was in China gerade in Bezug auf die staatliche Verfolgung an Falun Gong passiert“.
Anahita praktiziert seit 15 Jahren Falun Dafa. „Also mein Vater hat es entdeckt und hat angefangen, das Buch ‚Zhuan Falun‘ zu lesen. Er fand es sehr gut und hat es dann auch an die Familie weitergegeben. Seitdem praktiziere ich auch, weil ich es selber sehr gut finde.“
„Die drei Prinzipien Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht sind sehr gut. Die kann man ja eigentlich nicht falsch finden. Und ich habe schon in meiner Kindheit gemerkt, wie gut es mir tut“, sagt Anahita weiter. Sie sei ruhiger geworden, gerade in schwierigen Situationen.
Zum anderen haben sich ihre Freundschaften und zwischenmenschlichen Beziehungen verbessert, seit sie ihren Charakter bewusst kultiviere und bei Problemen auf sich selbst schaue, anstatt auf andere.
„Ich bin erschüttert über die Umerziehungslager in China“
Eine russische Frau mit zwei kleinen Kindern steht – sichtlich bewegt – vor einer Informationstafel an einem Stand auf dem Karlsplatz.
Aufmerksam liest sie, was dort zur Verfolgung in China steht. Sie geht näher zum Tisch, auf dem Informationsmaterial und eine Petition zur Beendigung des Organraubs an lebenden Falun Gong-Praktizierenden an die Bundesregierung liegt. Sie unterschreibt.
Sie ist verwundert, dass solch eine Glaubens-Verfolgung im 21. Jahrhundert noch möglich ist. Solche Gulag kenne sie noch aus Russland. Sie ist erschüttert, dass diese Arbeits- und Umerziehungslager in China existieren und viele Unschuldige darin sterben. Das sei ganz schlimm und böse.
Sie sieht Parallelen zwischen den kommunistischen Verbrechen in China und zur Sowjetzeit, aber auch zu der Diktatur in Weißrussland.
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