„Falsche Strategie“: Ataman sieht Scholz-Präsenz auf TikTok kritisch
Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz kommt von der Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes, Ferda Ataman. Sie kritisierte in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ dessen Entschluss, auf der chinesischen Social-Media-Plattform TikTok einen Account eröffnet zu haben.
Scholz ließ vor knapp zwei Wochen verkünden, dort künftig Einblicke in seine Arbeit als Bundeskanzler zu erlauben. Dabei versprach er, er werde „nicht tanzen“ – eine Anspielung auf eine Vielzahl dort präsenter Teenager-Accounts, wo Videos dieser Art dominieren.
TikTok setzt den DSI nicht um
Ataman nennt den Entschluss, auf der Plattform einen Kanal zu eröffnen, „die falsche Strategie“ und einen Fehler. TikTok wird vom in China ansässigen Konzern ByteDance betrieben. Fachleute sehen diesen als von der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) gesteuert. ByteDance ist durch chinesische Gesetze jederzeit verpflichtet, auf Verlangen mit den dortigen Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten.
Die Antidiskriminierungsbeauftragte wirft TikTok aber auch vor, sozialschädliche Inhalte zu tolerieren und nur in Ausnahmefällen dagegen vorzugehen. Wie auch andere Plattformen schütze TikTok junge Menschen nicht vor Diskriminierung und Hassrede, auch unternehme sie nichts gegen Desinformationen. Obwohl es den „Digital Services Act“ gebe, werde dieser nicht umgesetzt.
Dies alles qualifiziere nicht zu einer Plattform für den Staat. Aus diesem Grund habe auch ihr eigenes Büro jüngst seinen Account bei X gelöscht. Ähnlich wie bei X würden rechtsextreme Inhalte auf TikTok ein hohes Maß an Verbreitung erfahren.
Scholz erklärt den Zusammenhang zwischen Döner und Inflation
Es wäre zumindest sinnvoll gewesen, so Ataman, den Auftritt mit Bedingungen zu verknüpfen: „Wenn staatliche Stellen auf soziale Medien gehen, werten sie sie auf. Und das muss man sich sehr gut überlegen, ob man dieses Aufwerten an Forderungen anknüpft, zum Beispiel für mehr Schutz, der dann aber auch stattfinden muss.“
Regierungssprecher Steffen Hebestreit erklärte, durch die Präsenz wolle der Kanzler junge Menschen mit eigenen politische Inhalten erreichen.
Ataman hält diese Form der niedrigschwelligen Kommunikation nach eigenen Angaben zwar für eine lobenswerte Ambition. Allerdings bezweifle sie, dass Inhalte wie das Wahlrecht ab 16 dabei zielführender seien als „lustige Videos in sozialen Medien“.
In den wenigen Wochen auf der KPC-nahen Plattform brachte es Olaf Scholz mit seinem „Team Bundeskanzler“ immerhin bereits auf mehr als 133.000 Follower. Neben dem Inhalt seiner Aktentasche nahm er dabei Stellung zu Themen wie „Was der Döner mit der Inflation zu tun hat“ oder beantwortete Fragen wie jene, ob er schon einmal lange Haare gehabt habe.
Grüne Jugend hat nicht einmal 10.000 Follower
Einer der Gründe, warum Spitzenpolitiker zunehmend den Weg zu TikTok suchen, dürfte der Erfolg der AfD oder der BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht auf der Plattform sein. Nicht nur bei den offiziellen Parteiseiten hat die AfD deutlich mehr Follower als die übrigen Parteien. Vor allem der Kanal der Bundestagsfraktion verfügt über 413.400 Abonnenten.
Dass TikTok ungeachtet seiner KPC-freundlichen Politik dem EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah jüngst die Reichweite einschränkte, fällt dagegen kaum ins Gewicht. Er kommt auf etwa ein Zehntel der Abonnenten.
Die SPD-Bundestagsfraktion schafft mit 128.400 Followern immerhin einen Achtungserfolg. Hingegen verfügt die FDP-Fraktion (35.300) sogar über weniger Abonnenten als die parlamentarische Gruppe der Linken (35.400). Die CDU-Fraktion kommt gar nur auf 21.000 Interessenten, das Parteiportal „Inside CDU“ auf 4.180. Die CSU hat immerhin etwa 153.500 Follower, Markus Söder 77.000.
Bei den Grünen vermag die Jugend (Stand: Sonntag, 21.4. um 8 Uhr morgens) nur 9.811 Personen für sich zu interessieren, die Partei 6.565 und die Bundestagsfraktion 4.891. Das BSW hat bislang als Partei lediglich 3.621 Abonnenten. In diesem Fall scheint das jedoch wenig relevant zu sein – immerhin verfügt Gründerin Sahra Wagenknecht über 315.400 TikTok-Accounts, die ihr folgen.
Kramer: TikTok-App „im Grunde ein Trojaner“
Vor allem die KPC könnte sich jedoch über das breite Interesse von und an Politikern an TikTok freuen. Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Thüringen, Stephan Kramer, gibt gegenüber dem ZDF zu bedenken:
„Jede und jeder, der TikTok benutzt, muss sich im Klaren darüber sein, dass er sich mit der App im Grunde einen Trojaner auf seinen Mobilfunk beziehungsweise Handys und Tablets geladen hat.“
Die App, so Kramer, kundschafte gezielt Daten der Nutzer aus. Sie erfasse, was man in seine Tastatur eingebe, wo man sich bewege und über welche Kontaktdaten man verfüge. Das Regime hätte auf diese Weise zumindest potenziell Spionagepotenzial – was TikTok selbst stets bestreitet.
Außerdem sieht Kramer die Gefahr, das chinesische Regime könnte via TikTok durch Algorithmen Einfluss auf das Wahlverhalten bei den bevorstehenden Wahlen nehmen.
Allerdings hält er wenig von Verboten – zumal diese faktisch kaum durchsetzbar wären. Stattdessen seien Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit über mögliche kommerzielle und politische Interessen von Social-Media-App-Anbietern wichtig.
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