Fall Ballweg: Erste Verfassungsbeschwerde erfolglos
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Verfassungsbeschwerde des Verteidigerteams von Michael Ballweg gegen den Haftfortdauerbeschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 2. Januar 2023 nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerde sei aus mehreren Gründen unzulässig. Auch der Antrag auf eine einstweilige Verfügung sei somit gegenstandslos. Dies habe ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts bestätigt, wie der SWR berichtet.
Nach Angaben von Ballweg-Rechtsanwalt Ludwig war die BVerfG-Entscheidung bereits am 22. Februar gefallen. Den Anwälten sei das Schriftstück allerdings erst am 6. März zugegangen. Das Anwaltsteam hatte am späten Abend des 3. Februar 2023 seine 200 Seiten starke Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht.
Der Querdenken-Gründer und Unternehmer Michel Ballweg muss damit vorerst weiter in Untersuchungshaft bleiben. Er wartet seit dem 29. Juni 2022 im Hochsicherheitsgefängnis Stuttgart-Stammheim auf eine Anklageerhebung, hofft aber auf Freilassung. Er sitzt bereits deutlich länger ein als die sechs Monate, die das Gesetz normalerweise für die Dauer einer U-Haft vorsieht.
Auf Anraten des BVerfG: Anhörungsrüge beim OLG eingereicht
Rechtsanwalt Ludwig teilte auf seinem Telegram-Kanal mit, dass das BVerfG der Verteidigung empfohlen habe, nun zunächst eine unbefristete „Anhörungsrüge gemäß § 33a Strafprozessordnung“ an das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) zu „erheben“.
Dann müsse das OLG prüfen, ob Ballweg „in verfassungswidriger Weise“ in seinem Recht auf Gehör verletzt worden sei. Schon die Tatsache, dass Ballwegs Anwälte diesen „fachgerichtlichen Rechtsweg“ bisher nicht ausgeschöpft hätten, hatte die Verfassungsbeschwerde nach Meinung des BVerfG unzulässig gemacht.
Das Verteidigerteam sei nun am 8. März diesem Ansatz gefolgt und habe eine „Gehörsrüge“ beim OLG Stuttgart erhoben, erklärte Ludwig. Er gehe davon aus, dass das OLG innerhalb einer Woche reagieren werde – also bis Mitte März.
Denn nach dem Hinweis durch das BVerfG könne das OLG die Gehörsrüge „dieses Mal nicht [als unbegründet] übergehen“, wie es sonst „regelmäßig“ der Fall sei, meinte Ludwig. Im Allgemeinen handele es sich bei einer Gehörsrüge nicht um ein „ordentliches Rechtsmittel“, begründete Ludwig seine Entscheidung, nicht schon vorher darauf zurückgegriffen zu haben.
Außerdem, so Ludwig, werde Ballwegs Anwaltsteam versuchen, sich vom OLG polizeiliche Dokumente vorlegen zu lassen, die bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Konkret handele es sich um jene Dokumente, auf die sich das OLG am 2. Januar bei seiner Haftfortdauerentscheidung bezogen habe, ohne sie dem Verteidigerteam vorzulegen.
Ludwig: Ball liegt beim OLG
Nach Ansicht Ludwigs liegt der „Ball […] jetzt wieder beim Oberlandesgericht“. Er halte nun zwei Szenarien für möglich: Falls die Gehörsrüge Erfolg habe, würde Ballweg aus der U-Haft entlassen. Sollte die Gehörsrügeentscheidung aber negativ ausfallen und die Haftfortdauerentscheidung damit automatisch erneuert werden, müsste Ballweg zwar vorerst in U-Haft bleiben – dem Anwaltsteam stünde dann aber der Weg einer zweiten Verfassungsbeschwerde offen. Und diesen sei man bereit zu gehen.
Wie der SWR berichtete, ist eine Verfassungsbeschwerde keine unbedingte Voraussetzung, um den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anrufen zu können. Dieser Schritt stehe schon jetzt offen. Dies habe ein Sprecher des BVerfG gegenüber dem SWR geäußert. Ludwig hatte immer wieder betont, notfalls auch vor dem EGMR vorstellig werden zu wollen.
Dr. Christ: „Begründungstiefe fehlt“
Dr. Alexander Christ vom Verteidigerteam erklärte gegenüber der Epoch Times, dass die Verlängerung einer U-Haft über sechs Monate hinaus nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einer „fundierten, ausführlichen und auch für den Laien verständlichen Begründung“ mit „erhöhten Anforderungen an die Begründungstiefe unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes“ bedürfe.
In dieser schriftlichen Begründung müsse auch erläutert werden, warum die Ermittlungsbehörden nicht in der Lage gewesen seien, innerhalb von sechs Monaten Anklage zu erheben. Außerdem habe ein U-Häftling Anspruch darauf zu erfahren, was die Staatsanwaltschaft noch unternehmen wolle, um ihre Ermittlungen zu einem Abschluss zu bringen. All das habe das OLG in seinem jüngsten Beschluss zur Verlängerung der U-Haft vom 2. Januar 2023 nicht vorgelegt.
Versäumnisse des Haftrichters?
Christ sparte nicht mit Kritik am bisher zuständigen Haftrichter. Bei einem ersten vierstündigen Anhörungstermin zur Haftprüfung habe dieser nicht zugelassen, dass Ballweg seine „sieben Punkte“ habe vortragen können, die ihn entlastet hätten. Ballweg habe eigens zwei neue Argumente ausgearbeitet, die dem Gericht zuvor unbekannt gewesen seien. Doch der Richter habe die Anhörung abgebrochen, obwohl Ballweg erst zwei andere Argumente dargelegt hatte.
„Normalerweise fragt ein Richter, ob ein Beschuldigter noch etwas vorzubringen hat, bevor er eine solche Sitzung schließt“, erklärte Christ. „Das hat der Haftrichter aber nicht getan. Er lehnte es sogar ab, diesen Sachverhalt ins Protokoll aufnehmen zu lassen, obwohl Ballwegs Rechtsbeistand Ralf Ludwig es beantragt hatte.“
Bei der vorerst letzten Anhörung zur Haftverkündung habe derselbe Richter die Sitzung sogar bereits nach rund 20 Minuten abgebrochen – ohne dass Ballweg überhaupt persönlich zu Wort gekommen sei. Auch mit den Argumenten der Verteidigung habe sich der Haftrichter nicht auseinandergesetzt. Mit all dem habe sich der Richter strafbar gemacht, erklärte Christ.
Sein Kollege Ralf Ludwig sieht das ähnlich: „Es darf nicht sein, dass so etwas hinter verschlossenen Türen passiert, dass ein Richter einfach Verfahren abbrechen darf, dass die Mindeststandards – nämlich rechtliches Gehör –, dass die nicht gewahrt werden und am Ende keine Konsequenz droht“, sagte Ludwig bereits am Sonntag, 12. Februar, auf einer Solidaritätsdemo vor dem Gefängnis in Stammheim (Video auf YouTube).
Ballweg guter Dinge
Michael Ballweg könne all das nicht erschüttern, erklärte Rechtsanwalt Ludwig. Sein Mandant ruhe in sich und sei sicher, dass er das Gefängnis als freier Mann verlassen werde. Denn er habe nichts Verbotenes angestellt. Deshalb habe Ballweg kürzlich auch zum „zweiten Mal einen Deal abgelehnt“, der ihm womöglich die Entlassung aus der U-Haft gebracht hätte. Einzelheiten dazu nannte er nicht. Nach Ansicht Ballwegs, so Ludwig, würden sich bald diejenigen rechtfertigen müssen, die ihn hinter Gitter gebracht hätten.
Christ: „Genügt nicht für eine so lange U-Haft“
„Je länger das Ganze andauert, umso offensichtlicher wird, dass es ein politisches Verfahren ist“, sagte Ludwig. Man wolle schlicht nicht, dass ein Mann wie Michael Ballweg, der in der Lage sei, die „größten Demonstrationen der Nachkriegsgeschichte“ zu organisieren, frei herumliefe. Dies gelte insbesondere „in einer Zeit, in der wir Krieg führen“. Deshalb sei Ballweg aus seiner Sicht ein „politischer Gefangener“. Sämtliche Verdachtsmomente gegen Ballweg seien „unhaltbar“.
Rechtsanwalt Alexander Christ bestätigte gegenüber der Epoch Times, dass es längst nicht mehr um 640.000 Euro gehe, die Ballweg geplant haben soll, für sich selbst zu verwenden. Inzwischen stünden nur noch 160.000 Euro im Raum. Doch für beinahe die gesamte Summe existierten Belege, die die Vorwürfe entkräfteten – „mit Ausnahme der Barauslagen, die beispielsweise bei den Demos entstanden“, räumte Christ ein.
Da sei es durchaus vorgekommen, dass Ballweg jemandem Bargeld in die Hand gedrückt habe, um etwa ein paar Kästen Mineralwasser zu kaufen – und derjenige ohne Quittung zurückgekommen sei“. Dabei streite man sich um eine Summe von rund 6.000 Euro. „Das genügt nicht für eine so lange U-Haft“, meint Christ, „Selbst wenn es um 160.000 Euro ginge, würde es nicht dafür reichen“.
„Die Dimension ist neu“
Ballwegs Idee, knapp 120.000 Euro der Spendengelder in Kryptowährung umzuwandeln, um das Geld bis zu seiner Verwendung sicher zu „parken“, werde ihm von den Behörden als Verschleierungsversuch vorgeworfen. Dies sei aber lediglich eine „Unterstellung“, für die keinerlei Beweise existierten, so Christ.
„Es ist auf allen Konten viel mehr Geld vorhanden, als ausgegeben wurde“, ergänzte der Jurist. Schon von daher sei es absurd, anzunehmen, Ballweg habe irgendjemanden geschädigt oder einen Versuch dazu unternommen.
Wundern würde ihn das Verhalten des OLG Stuttgart aber nicht: „Kein Anwalt, den ich kenne, geht heute noch davon aus, dass deutsche Gerichte sich an Recht und Gesetz halten“, erklärte Christ, „und die Staatsanwaltschaft untersteht als politische Behörde sowieso dem Innenministerium“. Das alles sei auch schon vor Corona so gewesen. „Nur die Dimension ist neu.“
Für Sonntag, 12. März, 14:00 Uhr, hatte Rechtsanwalt Ralf Ludwig erneut zu einem Demonstrationstag inklusive Kundgebung für Michael Ballweg aufgerufen. Treffpunkt sei der Wochenmarkt von Zuffenhausen. Dann gehe es vor die JVA Stuttgart-Stammheim.
Schon über acht Monate Ermittlungen
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hatte auf Anfrage der Epoch Times immer wieder mitgeteilt, dass „die Ermittlungen entsprechend des Maßstabs des in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgrundsatzes mit der gebotenen Schnelligkeit zügig“ durchgeführt würden, aber noch weiter andauern würden.
Ein Verfahrensabschluss sei „nicht konkret absehbar“. Bei der Staatsanwaltschaft sei eine Dezernentin damit befasst. Nach Angaben des Polizeipräsidiums Stuttgart wurde außerdem „eine Ermittlungsgruppe eingerichtet“. Nähere Informationen über die bislang investierte Zeit in der Causa Ballweg konnten beide Institutionen nicht machen.
Der 1. Strafsenat des OLG Stuttgart gehe noch immer von einer Fluchtgefahr aus, teilte eine Sprecherin mit. Ballweg werde „weiterhin des versuchten gewerbsmäßigen Betruges und der Geldwäsche dringend“ verdächtigt. Im Einklang mit den Paragraphen 121 und 122 der Strafprozessordnung lägen „die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung des Vollzugs der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus vor“, so die Sprecherin.
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