Faeser will Vertretung von Menschen mit Migrationshintergrund im Staatsdienst stärken

Etwa 30 Prozent der Menschen in Deutschland weisen einen sogenannten Migrationshintergrund auf. Im Staatsdienst ist diese Bevölkerungsgruppe hingegen noch deutlich unterrepräsentiert. Bundesinnenministerin Faeser will dies ändern – und stößt schon jetzt auf Widerstände.
Faeser will «islamistische Gefährder konsequent ausweisen und abschieben».
Innenministerin Nancy Faeser am 19. Juni 2024.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 24. Juni 2024

Mit ihrem jüngst bekannt gewordenen Vorstoß hin zu einem sogenannten Bundespartizipationsgesetz hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser reichlich Staub aufgewirbelt. Ziel ihres Vorhabens ist es, den Anteil von Personen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst zu steigern.

Damit will man Vielfalt in der Bundesverwaltung abbilden und die Teilhabe von Menschen aus Einwanderercommunitys in den Reihen der Beamten und Vertragsmitarbeiter erhöhen.

Nur jeder zehnte Beamte im höheren Dienst hat Migrationshintergrund

Derzeit geht die Integrationsbeauftragte des Bundes, Reem Alabali-Radovan, sowohl von einer deutlichen quantitativen als auch qualitativen Unterrepräsentanz aus. So sollen zwölf Prozent der Positionen in der Bundesverwaltung von Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund wahrgenommen werden.

In der Gesamtbevölkerung verfügten zum Stichtag der Erhebungsdaten im August 2021 bereits 26 Prozent über einen solchen. Mittlerweile ist der Anteil der Einwohner mit familiärer Migrationsgeschichte noch weiter angewachsen.

Unter den befristet Beschäftigten in der Bundesverwaltung sind Menschen mit zumindest einem nach 1949 zugewanderten Familienmitglied mit 19,6 Prozent relativ überrepräsentiert. Im einfachen Dienst liegt ihr Anteil bei 17,6 Prozent, im höheren lediglich bei 10,5.

Immerhin ist der Anteil von Staatsbediensteten mit Migrationsgeschichte im höheren Dienst (13,3 Prozent) mittlerweile höher als im mittleren (12,7 Prozent). Dies weist auf eine gestiegene Durchlässigkeit hin. In der Privatwirtschaft entsprach der Beschäftigungsanteil zum Erhebungsstichtag hingegen weitgehend dem Gesamtanteil an der Wohnbevölkerung.

Bundespartizipationsgesetz sieht keine positive Diskriminierung vor

In der Leitungsvorlage für den Entwurf zu Faesers sogenanntem Bundespartizipationsgesetz sind bis dato einige Maßnahmen genannt, die das Ziel verfolgen, den Anteil von Staatsbediensteten mit Migrationsgeschichte jenem an der Gesamtbevölkerung anzugleichen.

Eine davon soll in einer expliziten Beifügung bei Stellenausschreibungen bestehen. Diese sollen künftig den Hinweis enthalten, dass „Bewerbungen von Personen mit Einwanderungsgeschichte ausdrücklich erwünscht sind“. Zudem soll die Bundesregierung dem Bundestag alle vier Jahre Bericht erstatten über die Entwicklung der Bemühungen in diesem Bereich.

Anlässlich dieser Berichte sollen auch Migrantenorganisationen Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Als weitere Maßnahmen werden regelmäßige Mitarbeiterbefragungen und ein statistisches „Monitoring“ der Erfolge genannt.

Staatsrechtler: Bundespartizipationsgesetz könnte „politischen Druck aufbauen“

Keine Rede ist im Entwurf von einer „positiven Diskriminierung“, die darin bestünde, Bewerber mit Einwanderungsgeschichte gegenüber jenen ohne zu bevorzugen. Dennoch hat der Vorstoß bereits jetzt zum Teil scharfe Reaktionen ausgelöst. Gegenüber „Bild“ spricht der Staatsrechtler Christian Hillgruber von einem möglichen „Unterlaufen des Leistungsprinzips“.

Das Land brauche eine „leistungsfähige Bundesverwaltung und keine, in die nach dem Geschlechterproporz nun auch noch der Migrationsproporz einzieht“.

Hillgruber befürchtet, dass durch Faesers geplantes Bundespartizipationsgesetz „politischer Druck“ aufgebaut werde, Menschen mit Migrationsgeschichte bevorzugt einzustellen. Die Folge könne eine „umgekehrte Diskriminierung zulasten von Deutschen ohne Migrationshintergrund“ sein.

Der Bremer Migrationsforscher Stefan Luft befürchtet eine „große staatliche Werbekampagne für die AfD“, als die sich das Bundespartizipationsgesetz erweisen könne.

Tatsächlich beflügelt die Debatte in sozialen Medien bereits jetzt Opfernarrative und Verschwörungserzählungen – von der „Benachteiligung Deutscher im eigenen Land“ bis zu einer angeblichen „Islamisierung“. Für die meisten Positionen im öffentlichen Dienst ist der deutsche Pass nach wie vor eine Voraussetzung.

Ursachenforschung bleibt komplexe Aufgabe

Auch das Bundesinnenministerium und die Bundesintegrationsbeauftragte stehen unterdessen erst am Anfang der Ursachenforschung bezüglich der Gründe für die Unterrepräsentanz von Deutschen mit sogenanntem Migrationshintergrund.

Die Gründe dürften unterdessen vielfältig sein, zumal der Begriff „Migrationshintergrund“ Personen mit Familiengeschichte in EU-Mitgliedstaaten ebenso umfasst wie solche mit Wurzeln in Drittstaaten.

Sprachliche Barrieren und Vorurteile können zu den Faktoren gehören. In vielen Bereichen dürfte ein Verzögerungseffekt Platz greifen, der erst der dritten oder vierten Generation Zugewanderter steilere Karrieren ermöglicht. Ähnliche Phänomene waren zuvor schon in der Privatwirtschaft zu beobachten.

Bisweilen können jedoch auch Faktoren zum Tragen kommen, die mit der Organisationskultur selbst zu tun haben. Allerdings ist gerade im öffentlichen Dienst auch zu berücksichtigen, dass zumindest stellenweise politische Einflüsse oder Verbindungen über informelle Netzwerke Karrieren begünstigen oder erschweren können. Über solche hilfreichen Verbindungen verfügen Menschen mit Migrationsgeschichte möglicherweise auch seltener.

Mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, das eine Anerkennung der Mehrstaatigkeit als Regelfall vorsieht, könnte die Bundesregierung zumindest in einigen Fällen zu einer Erleichterung von Beamtenlaufbahnen beitragen.

In Ländern wie Berlin können in Einzelfällen auch Bestimmungen wie das „Neutralitätsgesetz“ ein Karrierehindernis darstellen. Dies betrifft zum Beispiel muslimische Frauen mit Kopftuch. Das Bundesverfassungsgericht hat hier in jüngster Zeit die Anforderungen für eine Zulässigkeit von Beschränkungen der Glaubensfreiheit deutlich verschärft.



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