Faeser: „Druck auf organisierte Kriminalität so hoch wie nie“
Die Polizei stellt bei kriminellen Banden in Deutschland einen Trend hin zu immer größeren Gruppierungen fest. Außerdem beobachteten die Ermittler in 2022 eine hohe Zahl an Gewaltdelikten, wie aus dem aktuellen Lagebericht zur Organisierten Kriminalität (OK) hervorgeht, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Darin werden alleine 16 vollendete Tötungsdelikte durch Gruppierungen der organisierten Kriminalität aufgeführt.
Nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) greifen OK-Gruppierungen zunehmend zu teilweise drastischen Mitteln, um Macht zu demonstrieren und Einfluss zu nehmen, etwa indem Zeugen eingeschüchtert oder vermeintliche Schulden mit Gewalt eingetrieben werden.
Zwei Drittel der Gruppierungen, die der Polizei im vergangenen Jahr bekannt wurden, bestanden laut dem Bericht aus bis zu zehn Tatverdächtigen. In mehr als jedem vierten Verfahren (27,5 Prozent) ging es um Banden mit 11 bis 50 Tatverdächtigen. In 2,7 Prozent der Fälle konnten einer Gruppierung mehr als 50 mutmaßliche Mitglieder zugerechnet werden.
Zusammenarbeit mit Gruppen aus dem Ausland
Die organisierte Kriminalität sei eine „erheblich Bedrohung für Gesellschaft, Wirtschaft und Staat“, sagte der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, bei der Vorstellung des Berichts. Er betonte zudem „das Ausmaß der Bewaffnung“: 275 Schusswaffen konnten die Ermittler demnach Tatverdächtigen des organisierten Verbrechens zuordnen.
Dessen Bekämpfung sei und bleibe Schwerpunkt der Polizei von Bund und Ländern, bekräftigten Münch und Faeser. „Der Druck auf die organisierte Kriminalität in Deutschland ist heute so hoch wie nie“, ergänzte die Innenministerin. Ziel sei es, diese nachhaltig zu zerschlagen.
Laut Lagebild arbeiteten die Täter in 72 Prozent der Fälle mit Gruppen aus dem Ausland zusammen. Die organisierte Kriminalität agiere „niemals auf unsere Landesgrenze beschränkt“, sagte Faeser dazu. Um beispielsweise den Rauschgifthandel zu bekämpfen, brauche es deshalb auch Lösungen in den Herkunfts- und Transitstaaten der Drogen.
Zahl der Verfahren steigt
Die Gesamtzahl der Verfahren gegen Gruppierungen der organisierten Kriminalität war im Jahr 2021 aufgrund der Ermittlungen, die sich aus der Entschlüsselung von Chats auf Kryptohandys ergaben, deutlich angestiegen. 2022 ging sie um 8,2 Prozent auf 639 Verfahren zurück, lag damit aber immer noch deutlich über dem Niveau der Jahre 2013 bis 2020. Die Polizei in den Niederlanden und in Frankreich hatte 2020 die Software der Firma EncroChat geknackt und anschließend Millionen geheimer Chat-Nachrichten von Kriminellen abgeschöpft.
Deutlich zugenommen gegenüber dem Vorjahr haben dem Bericht zufolge im vergangenen Jahr die festgestellten kriminellen Erträge aus Cybercrime-Aktivitäten – sie stiegen von rund 18 Millionen Euro auf mehr als 252 Millionen Euro. Das sei vor allem auf vier sehr große Verfahren zurückzuführen, hieß es. Geringer fiel der Anstieg beim Drogenhandel und -schmuggel aus. Bei den Steuer- und Zolldelikten sank die festgestellte Schadenssumme leicht.
Die mit Abstand meisten OK-Gruppierungen wurden im vergangenen Jahr von Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit dominiert. Laut Lagebericht machten Türken die zweitgrößte Gruppe aus, gefolgt von Menschen aus Albanien, Polen und Italien. (afp/dpa/red)
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