Fällt die „Brandmauer“ der CDU? Scholz und Habeck zweifeln an Merz’ Versprechen
Unter dem Eindruck des Messerangriffs von Aschaffenburg vom Mittwoch, 22.1., hat CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz den Druck in der Asylpolitik verschärft. Am Freitag hat er die Öffentlichkeit darüber informiert, dass die Union dazu zeitnah Anträge in den Bundestag einbringen werde. Merz erklärte dazu, dies werde geschehen, „unabhängig davon, wer ihnen zustimmt“. Das würde bedeuten, dass die Union unabhängig von ihrer stets betonten „Brandmauer“ Mehrheiten aufgrund von Stimmen der AfD in Kauf nehmen würde.
Was will Merz konkret an Maßnahmen erzwingen?
Der CDU-Vorsitzende nannte in diesem Kontext fünf Punkte, deren Umsetzung für die Union auch in künftigen Koalitionsverhandlungen unverhandelbar wäre. Einer davon sei eine dauerhafte Kontrolle aller deutschen Grenzen zu den Nachbarländern. Ein weiterer beinhalte ein „faktisches Einreiseverbot“ für Personen ohne gültige Einreisedokumente – auch dann, wenn diese einen Schutzanspruch geltend machten.
Die Bundespolizei solle zudem das Recht erhalten, Haftbefehle zu beantragen. Darüber hinaus soll es möglich werden, ausreisepflichtige Personen bis zur Abschiebung in Gewahrsam zu nehmen. Der Bund solle außerdem mehr Verantwortung in der Durchführung von Abschiebungen übernehmen. Derzeit liegt diese vor allem bei den Ländern.
Dass es noch vor der Bundestagswahl zu Abstimmungen über diese Vorhaben kommen wird, ist wenig wahrscheinlich. Nach der kommenden Sitzungswoche sind im Februar nur noch zwei Plenartage angesetzt. Bei Anträgen und Gesetzentwürfen sind regelmäßig drei Beratungstage vor einer Schlussabstimmung angesetzt.
Abstimmung vor der Bundestagswahl würde Verfahrensverkürzung erfordern
Mit einer Zweidrittelmehrheit wäre es möglich, dieses Verfahren zu verkürzen. Dies würde jedoch angesichts der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse zumindest einige Stimmen aus den Reihen von SPD oder Grünen voraussetzen. Diese sind nicht zu erwarten – insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass man dort die Merz-Ansage als Infragestellung der „Brandmauer“ interpretiert.
Bundeskanzler Olaf Scholz selbst erklärte gegenüber dem „Handelsblatt“, er habe Merz bislang immer geglaubt, wenn es um die Brandmauer und die Absage an eine Zusammenarbeit mit der AfD gehe. Aber, so fügte er hinzu, „nach seiner jüngsten Ankündigung bin ich wirklich besorgt“.
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck äußert Zweifel am Willen von Merz, sein Versprechen, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten, einzuhalten. Auf X schrieb er:
„Ich nehme Friedrich Merz beim Wort, und dieses Wort darf nicht gebrochen werden. Ich fürchte nur, Friedrich Merz steht ganz kurz davor, das zu tun.“
Friedrich Merz hat bei der Vorstellung seines 5-Punkte-Plans wohl vergessen: Kein Kanzler steht über dem Gesetz. Und auch an seine Versprechen zur Nicht-Zusammenarbeit mit der AfD erinnert er sich nicht mehr.
Keine Zeit für schwache Nerven @CDU. Die Brandmauer darf nicht fallen. pic.twitter.com/lF7fQrk55e
— Robert Habeck (@roberthabeck) January 24, 2025
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hingegen hält das Vorgehen des CDU-Chefs für erforderlich, zumal die Ministerpräsidenten seit Jahr und Tag Maßnahmen einforderten. Gegenüber „Welt TV“ erklärte er:
„Ereignisse wie jenes in Aschaffenburg machen etwas mit diesem Land… Die Bürger sehen, es kann so nicht mehr weitergehen.“
Angesprochen auf mögliche Mehrheiten für entsprechende Anträge mit den Stimmen der AfD sagte er: „Wir sind ein freies Land.“ Sollten Grüne, SPD und FDP verstanden haben, welche Notwendigkeiten jetzt bestünden, würden die fünf Punkte eine deutliche Mehrheit erhalten. Dies würde dem gesellschaftlichen Frieden dienen.
Merz distanziert sich vom Begriff „Brandmauer“
Friedrich Merz hatte im Dezember 2021, kurz vor seiner Wahl zum Bundesvorsitzenden der CDU, gegenüber dem „Spiegel“ selbst erklärt, mit ihm werde es „eine Brandmauer zur AfD geben“. Nach kritischen Worten von Ministerpräsident Kretschmer zu diesem Begriff, äußerte der CDU-Chef:
„Das Wort Brandmauer hat nie zu unserem Sprachgebrauch gehört. Das ist uns immer von außen aufgenötigt worden.“
Ob sich innerhalb der Union ein gradueller Wandel im Verhältnis zur Rechtsaußenpartei andeutet, an dessen Ende Tolerierungsmodelle oder Koalitionen stehen können, ist ungewiss. Eine jüngst an die CDU gerichtete Offerte von AfD-Chefin Alice Weidel zur Zusammenarbeit wies Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei als „vergiftetes Angebot“ zurück. Geltende Parteitagsbeschlüsse untersagen eine Zusammenarbeit. Aus den Ländern kommen jedoch zunehmend Stimmen, die diese infrage stellen – jüngst etwa von der brandenburgischen Landtagsabgeordneten Saskia Ludwig.
Polizeigewerkschaft: Asylsuchende auch auf psychische Gesundheit testen
Unabhängig von der „Brandmauer“-Debatte stellt sich jedenfalls die Frage, inwieweit die Forderungen von Merz mit geltendem Verfassungs- oder mit EU-Recht vereinbar wäre. Umstritten ist unter anderem, inwieweit es unionsrechtlich zulässig wäre, Asylsuchende, die aus anderen EU-Staaten einreisen, an der Grenze zurückzuweisen. Polizeigewerkschaftschef Andreas Roßkopf erklärt, es gebe im Fall eines nationalen Notstandes die Möglichkeit, nationales Recht anzuwenden.
Gleichzeitig äußerte er im Interview mit „n-tv“ Zweifel an der Einschätzung, dass die derzeitigen Gesetze nicht ausreichten, um einen besseren Schutz der Bevölkerung vor möglichen gefährlichen Personen zu gewährleisten. Roßkopf erklärte, ein Grund für die unterbliebene Abschiebung von Tätern wie in Solingen, Magdeburg oder Aschaffenburg sei ein „Nebeneinander statt Miteinander von Behörden“. Diese arbeiteten jeweils in ihren Systemen, ein Datenaustausch funktioniere nicht immer.
Roßkopf beanstandete, dass Asylbewerber, die ins Land kämen, zwar auf ansteckende Krankheiten getestet würden. Eine Überprüfung auf psychische Probleme finde jedoch nicht statt. Dabei seien viele von diesen durch Krieg oder vergleichbare Erlebnisse massiv belastet. Sie darauf unter die Lupe zu nehmen, könnte helfen, Behandlungsbedürftigen Hilfe zukommen zu lassen und gefährliche Personen notfalls von der Gesellschaft fernzuhalten.
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