„Extrem unwahrscheinlich“: Wahlforscher glauben nicht an Aufholjagd von Scholz
Fast sieben Wochen ist es her, dass Olaf Scholz die SPD-Revolte um die Kanzlerkandidatur für sich entschied. Nicht der deutlich beliebtere Verteidigungsminister Boris Pistorius wird nun beim SPD-Bundesparteitag am Samstag zum Kanzlerkandidaten gekürt, sondern der Amtsinhaber. Von der versprochenen Aufholjagd in den Umfragen ist aber bisher nichts zu sehen. Wahlforscher sind äußerst skeptisch, dass Scholz einen ähnlichen Erfolg wie bei der Bundestagswahl 2021 noch gelingen kann.
„Die SPD kann Wahlkampf, das haben wir immer wieder bewiesen“, sagte Scholz Ende November, nachdem der Bundesvorstand ihn nach dem Rückzug von Pistorius geschlossen als Kanzlerkandidaten nominiert hatte. Er wolle wieder gewinnen.
Danach sieht es bis heute nicht aus: Die SPD stand bei der Nominierung von Scholz bei 14 bis 16 Prozent. Die ersten Umfragen in diesem Jahr geben ihr 14 bis 17 Prozent – in den sieben Wochen hat sich damit de facto nichts bewegt. Die SPD bleibt meist weiter auf Platz drei hinter der AfD und weit abgeschlagen hinter der führenden Union, die bei 29 bis 33 Prozent verortet wird. Im ZDF-„Politbarometer“ rutschte die SPD nun sogar auf Platz vier hinter die Grünen.
Kommt der erhoffte „Wahlkampfwunder“?
Die Sozialdemokraten hoffen dennoch weiter auf ein „Wahlkampfwunder“ wie 2021. Auch damals war die SPD mit Umfragewerten unter 15 Prozent gestartet, sie ging dann mit 25,7 Prozent als Gewinnerin über die Ziellinie.
Die aktuellen SPD-Werte seien „alles andere als zufriedenstellend“, räumt SPD-Generalsekretär Matthias Miersch ein. An den Zahlen könne sich aber „massiv noch etwas ändern.“
Das klingt wie Pfeifen im Walde, tatsächlich zeigt 2021 aber auch: Die Aufholjagd der SPD fand erst kurz vor der Wahl statt. Sechs Wochen vor dem Urnengang sprangen die SPD-Werte plötzlich über 20 Prozent. Drei Wochen vor der Wahl lagen die Sozialdemokraten dann an der Spitze.
Doch Meinungsforscher verweisen auf wesentliche Unterschiede zur letzten Bundestagswahl. „2021 profitierte Scholz ganz klar von den Fehlern der anderen“, sagt Peter Matuschek vom Meinungsforschungsinstitut Forsa der Nachrichtenagentur AFP. Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sei damals wegen einer Plagiatsaffäre „entzaubert“ worden, der Unionskandidat Armin Laschet (CDU) habe Fehler gemacht, wie den Lacher beim Besuch eines Flutgebiets nach der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal.
Heute sei für Scholz die Ausgangslage „deutlich schwieriger“, sagt Roland Abold vom Meinungsforschungsinstitut infratest dimap AFP. Er sei damals trotz seiner Ministerzeit als Kanzlerkandidat „neu und relativ unverbraucht“ erschienen. „Heute steht er maßgeblich für die schlechte Regierungsbilanz und wird mit dem Scheitern der Ampel-Regierung identifiziert.“ Matuschek pflichtet bei: „Bei Scholz haben wir selten Werte für einen amtierenden Bundeskanzler gesehen, die so schlecht waren.“
Was für die Wähler wichtig ist
Wichtigste Themen für die Wähler seien derzeit die Wirtschaftslage und Migration, sagt infratest-Experte Abold. „Hier ist es aktuell um die Kompetenzen, die der SPD bescheinigt werden, nicht so gut bestellt.“ Den bisherigen Fokus der SPD auf soziale Kernthemen wie Mindestlohn und Rente hält Forsa-Experte Matuschek nicht für erfolgversprechend: Das stoße zwar nicht auf Ablehnung, soziale Themen seien in der Mitte der Gesellschaft „aber für viele nicht so wichtig“.
Das Fazit der Wahlforscher: Beide bezeichnen es als „extrem unwahrscheinlich“, dass es die SPD noch auf Platz eins schafft. „Der Abstand zur Union ist einfach zu groß“, meint Matuschek.
Scheitert Scholz, wird er als SPD-Kanzler mit der kürzesten Amtszeit in die Parteigeschichte eingehen. Die bundespolitische Karriere des 66-Jährigen wäre dann vermutlich zu Ende. Denn dass er bei einer Koalition der SPD als Juniorpartner der Union unter einem Kanzler Friedrich Merz (CDU) in der Regierung bleibt, hat er bereits ausgeschlossen. (afp/red)
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