Expertenteam legt Konzept für Lockerung der Corona-Maßnahmen vor

Eine von der nordrhein-westfälischen Landesregierung eingesetzte Expertengruppe hat ein Konzept für die Lockerung der Corona-Maßnahmen vorgelegt. Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder wollen am Mittwoch über die weiteren Entwicklungen beraten.
Titelbild
Gähnende Leere in Berlin.Foto: Christophe Gateau/dpa/dpa
Epoch Times12. April 2020

Die Debatte um die Lockerung der Corona-Maßnahmen nimmt an Fahrt auf. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat ein Experten-Konzept für eine schrittweise Aufhebung der Einschränkungen vorgelegt, wie die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“) berichtete, der das Experten-Papier vorliegt. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sprach sich für eine generelle Maskenpflicht bei einer Lockerung der Corona-Maßnahmen aus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder wollen am Mittwoch über die nächste Phase beraten. Dann soll es auch um die Frage gehen, wie es mit den bislang bis zum 19. April befristeten Kontaktbeschränkungen und weiteren Maßnahmen weitergeht.

„Einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens nach und nach wieder zuzulassen“

Einen Beitrag zu dieser Debatte lieferte Laschet mit dem Konzept einer von ihm eingesetzten Expertengruppe. Darin heißt es, über Lockerungen könne erst nachgedacht werden, wenn klar sei, dass das Gesundheitssystem „absehbar nicht überfordert ist“ und Voraussetzungen für ein besseres „Monitoring“ der Krise geschaffen seien, wie die „FAS“ berichtete. Dann aber könne die Rückkehr zur Normalität „schrittweise forciert werden“.

Dem Expertenteam gehören demnach unter anderem der Virologe Hendrik Streeck, der frühere Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio und der frühere Vorsitzende der „Wirtschaftsweisen“ Christoph Schmidt an. Laschet nannte die Vorschläge der Experten „transparent“ und „nachvollziehbar“.

Die Experten schlagen laut „FAS“ vor, „einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens nach und nach wieder zuzulassen“. Dazu gehörten Schulen, Universitäten und der Einzelhandel. Bei den Schulen solle es dabei zeitversetzten Unterricht und Unterschiede nach dem Alter geben. In Kitas und im „Präsenzunterricht“ sollen zuerst vor allem Lehrkräfte arbeiten, die nicht zu Risikogruppen gehören.

Reihenfolge für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft stellen die Fachleute demnach Reihenfolgen auf. Läden sollen früher öffnen als Diskotheken, in Restaurants sollen Tische weit auseinander stehen, und nur wenige Gäste zugelassen werden. Fußballspiele, Messen und Kongresse müssten dagegen noch länger verboten bleiben. Auch Atemmasken für alle werden empfohlen.

Die konkreten Schritte und die Geschwindigkeit der Lockerung sollen sich demnach an vier Kriterien orientieren. Zunächst müsse bestimmt werden, wo die Gefahr einer Ansteckung besonders hoch sei und wo weniger. Zweitens gelte die Frage: „Für wen wäre eine Ansteckung besonders gefährlich?“ Diese Gruppen müssten weiter besonders geschützt werden. Drittens komme es darauf an, was „für Wirtschaft und Gesellschaft besonders wichtig“ sei. Zuletzt schließlich müsse bedacht werden, wie gut sich im jeweiligen Bereich Schutzmaßnahmen umsetzen ließen.

Die Experten warnten laut „FAS“ allerdings auch vor verfrühtem Optimismus. „Es wird Rückschritte geben“, schreiben sie. „Wir werden mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederholt mit einem erneuten Anstieg der Infektionszahlen konfrontiert werden. Es kann neue kleinere und vielleicht auch größere Infektionswellen geben.“ Dann könne es nötig werden „dass wir Schritte wieder zurückgehen“.

Generelle Maskenpflicht?

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Schwesig verknüpfte eine Lockerung der Maßnahmen an eine generelle Maskenpflicht. „Wir werden das öffentliche Leben nur schrittweise hochfahren können. Und wir brauchen zusätzliche Maßnahmen wie Mundschutz für alle“, sagte Schwesig der „Bild am Sonntag“.

Ihr sächsischer Kollege Michael Kretschmer (CDU) warnte vor weitgehenden Lockerungen: „Ich höre die Rufe nach einer Exit-Strategie mit Sorge. Mehr Begegnungen bedeutet automatisch eine Zunahme der Infektionen. Es wäre schlimm, wenn der große Erfolg, dass vergleichsweise sehr wenige Menschen gestorben sind, jetzt leichtfertig auf Spiel gesetzt wird.“ Kretschmer betonte, dass er „sehr viele Maßnahmen“ über den 19. April hinaus verlängern möchte.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) forderte, dass es bei den Besuchsverboten in Altenheimen grundsätzlich Ausnahmen für die Sterbebegleitung geben sollte: „Wir müssen in den Pflegeheimen den Spagat zwischen Gesundheitsschutz und Menschlichkeit hinkriegen. Niemand sollte alleine sterben, ohne dass ein Angehöriger sein Hand halten kann.“ Zwar gebe es auch in Rheinland-Pfalz ein Besuchsverbot für Altenheime, „wir lassen aber Ausnahmen zu, wenn ein Bewohner todkrank ist“.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) machte flächendeckende Corona-Tests zur Bedingung für Lockerungen: „Nach Ostern müssen wir darangehen, das Leben und Arbeiten wieder hochzufahren. Wir brauchen koordinierte, großflächige Testungen. Lockern ist verbunden mit testen, testen, testen.“ Die Menschen in Deutschland sind für die Aufhebung bestimmter Maßnahmen nach den Osterferien.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hat für eine schnelle Rückkehr zu einem ausgeglichenen Bundeshaushalt nach der Corona-Krise plädiert. Die strikte Schuldengrenze sei die Voraussetzung für die umfassenden Corona-Hilfen der Bundesregierung gewesen, sagte Ziemiak der „Welt am Sonntag“. Disziplin und Sparsamkeit seien „kein Selbstzweck“. (afp/dts)



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