Experten besorgt über Menschenrechtslage in China – Bundesregierung zum Handeln aufgefordert
Mehrheitlich besorgt zeigten sich die China-Experten die am Mittwoch (18. November) zur Anhörung im Menschenrechtsausschuss des Bundestages geladen waren. Thema war die Menschenrechtssituation in China. Die Experten führten aus, dass sich nicht nur die Situation für ethnische Minderheiten wie Uiguren, Tibeter und Mongolen oder religiöse Gemeinschaften, wie den Hauschristen oder Falun-Dafa-Praktizierenden verschärft hätte.
Auch gegen Menschenrechtsverteidiger, Anwälte und Aktivisten, die sich für die zuvor genannten Bevölkerungsgruppen einsetzen, geht die Kommunistischen Partei Chinas (KPC), als führende Kraft des Pekinger Regimes mit Staatschef Xi Jinping an der Spitze, mit staatlichen Repressalien zunehmend vor.
Daher brauche es ein entschiedeneres Handeln – auch der Bundesregierung – als Gegenmaßnahme, so das mehrheitliche Plädoyer der Sachverständigen, die teils persönlich anwesend oder per Videokonferenz zugeschaltet waren.
Pekings Gehirnwäsche-Einrichtungen und die Verfolgung von Falun Gong
Die freie Journalistin Lea Zhou berichtete den Bundestagsabgeordneten in ihrem Statement von Pekings außerhalb der Gerichtsbarkeit stehenden Gehirnwäsche-Einrichtungen, die sich kurz nach Beginn der von der KPC initiierten Verfolgung der buddhistischen Kultivierungspraxis Falun Gong landesweit ausbreiteten.
Diese Einrichtungen würden verstärkt für „Umerziehungsmaßnahmen“ genutzt seitdem das offizielle Arbeitslagersystem „Laogai“ in China aufgrund des internationalen Drucks im Jahr 2013 beendet wurde.
Die ersten Gehirnwäsche-Einrichtungen seien im Jahr 2001 von dem Büro 610 eingerichtet worden – einer außerhalb des Rechtssystems stehende Organisation, die direkt der obersten Pekinger Führungsspitze unterstehe, berichtet Zhou.
Das Büro 610 wurde im Jahr 1999 extra zum Zweck der Verfolgung von Falun Gong gegründet. Zu der damaligen Zeit zählte die Meditationsbewegung etwa 70-100 Millionen Anhänger in China und war in der Bevölkerung äußerst beliebt. Das wichtigste Merkmal der Praxis ist die Ausrichtung auf Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht.
Doch auch Andersdenkende oder Angehörige anderer Religionen wie Christen, Buddhisten und Muslime würden in diesen Einrichtungen festgehalten und gezwungen, ihren Glauben aufzugeben, so Zhou.
Gehirnwäsche-Einrichtungen als „Rechtserziehungsanstalt“ oder „Zentrum zur beruflichen Qualifizierung und Ausbildung“ bezeichnet
Diese Einrichtungen tragen unterschiedliche Namen, wie „Rechtserziehungsanstalt“, „Zentrum für Drogenentzug“ oder „Zentrum zur beruflichen Qualifizierung und Ausbildung“. In fast jeder Stadt gebe es sie mittlerweile, erklärt Frau Zhou. „Es kommt oft zu Folter, weil das Aufsichtspersonal eine bestimmte Quote der Umerziehung erreichen muss“, sagte sie.
Zwangsernährung, Elektroschocks, Isolation und sexuelle Übergriffe würden zu den üblichen Foltermethoden gehören. Nach Angaben des Falun-Gong-Infozentrums, seien mindestens 4.500 Falun-Gong-Praktizierende an den Folgen der Folter gestorben, außerdem gebe es „unzählige Opfer illegaler Organentnahmen“ die staatlich organisiert in China an Glaubensgefangenen durchgeführt würden.
KP-Funktionäre profitieren von „Wandel durch Handel“
In den letzten 30 Jahren hätten viele Menschen an „Wandel durch Handel“ geglaubt. In Wirklichkeit hätten die KP-Funktionäre und ihre Familien am meisten vom Handel mit dem Ausland profitiert. „Die bisher sanfte Diplomatie des Westens hat leider keinen grundlegenden Beitrag zur Verbesserung der Menschenrechtslage in China geleistet“, so die chinesischstämmige Journalistin.
Zhou hält konkrete Sanktionen gegen Menschenrechtsverletzer und gegen Unternehmen, die an Menschenrechtsverletzungen in China beteiligt sind für am effektivsten.
Aufgrund dessen, dass die Menschenrechtsverletzungen der KP Chinas auch das Ausland erreicht hätten, bittet sie den Bundestag „gezielte Untersuchungen gegen chinesische Propaganda in Deutschland einzuleiten“.
KPC nutzt „faschistische Methoden“ um die turkstämmige Minderheit zu unterdrücken
Die in der Region Ostturkestan geborene chinesische Whistleblowerin Sayragul Sauytbay berichtete von ihren Erfahrungen als Uigurin in einem der geheimen Lager, die die Kommunistische Partei Chinas zur Umerziehung von ethnischen Minderheiten errichtet habe.
Dorthin sei sie als ehemalige Beamtin 2017 verschleppt worden. Sauytbay – die 2018 freikam, floh und heute in Schweden lebt – sagte, sie habe unter unmenschlichen Bedingungen ihren Mitgefangenen chinesische Sprache und Kultur beibringen müssen.
Folter, Gehirnwäsche, Sklavenarbeit und selbst Tötungen habe sie erlebt, so die Whistleblowerin. Der KPC warf sie vor, sich „faschistischer Methoden“ zu bedienen, um die turkstämmige Minderheit zu unterdrücken. Sie appellierte an Deutschland, auf China einzuwirken, sonst werde es bald keine Uiguren oder andere osttürkische Völker mehr geben.
Müller: „Tibetische Kultur droht zu verschwinden“
Kai Müller, Geschäftsführer des Vereins International Campaign for Tibet, nahm die Menschenrechtsverstöße in der autonomen Region Tibet in den Blick. Die KPC verfolge hier seit 2011 eine noch „aktivere Assimilierungs-, Indoktrinierungs- und Kontrollpolitik“ als zuvor. Neben der Einrichtung eines „engmaschigen physischen und elektronischen Überwachungsnetzes“ in den Städten und der Übernahme der Verwaltung von buddhistischen Klöstern setze die Partei zudem auf eine strikte „Sinisierungspolitik“, sagte Müller.
Die tibetische Sprache werde dabei „zur Umgangssprache degradiert“, Behörden entschieden selbst über die Einsetzung buddhistischer Geistlicher. Die tibetische Kultur drohe zu verschwinden, warnte Müller. Internationale Kritik reiche nicht, seine Organisation plädiere für personenbezogene Sanktionen gegen die Verantwortlichen im chinesischen Partei- und Staatsapparat. Die Bundesregierung solle sich auch mit „Nachdruck“ dafür einsetzen, dass die Nachfolge des Dalai Lama nicht von der KPC entschieden werde.
Prof. Pils: China perfektioniert die Technologien zur Zensur, Überwachung und Kontrolle des Verhaltens
Eva Pils, Professorin an der School of Law des King’s College London, betonte, dass sich die Lage der Zivilgesellschaft in China insgesamt seit dem Amtsantritt Xi Jingpings 2013 sehr verschlechtert habe. Grund dafür seien nicht nur die Gesetze, die auf eine Einschränkung der Zivilgesellschaft zielten, so Pils, sondern auch „ganz wesentlich die Perfektionierung der Technologien zur Zensur, Überwachung und Kontrolle des Verhaltens“.
Ziel der Politik von Staats- und Parteichef Xi sei die Ausschaltung von Kritik und die „Gleichschaltung der Zivilgesellschaft in China“. Besonders „dramatisch“ sei die Verschlechterung der Situation in Hongkong: Vor Xi habe es Rechtsstaatlichkeit und Rechtsschutz für Menschenrechtsverteidiger gegeben. Jetzt stehe die Zivilgesellschaft „am Rande des Zusammenbruchs“.
HRW: „Peking versucht mit wirtschaftlichen Investitionen die EU zu spalten“
Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Deutschland erklärt in seiner Stellungnahme, dass sich die Menschenrechtslage in ganz China seit 2016 „eklatant“ verschlechtert habe.
Und dieses Problem würde durch die „Belt and Road-Initiative“ (Seidenstraßenprojekt) der chinesischen Regierung auch „exportiert“, warnte er. Auffällig sei für ihn auch, dass Peking gezielt durch wirtschaftliche Investitionen in einzelnen EU-Staaten und die damit verbundene Schaffung von Abhängigkeiten versuche die EU zu spalten. Das beinhalte auch Gefahren für die Demokratie in Deutschland.
Prof. Leutner: Kritik an Menschenrechtsverletzungen eine außenpolitische Strategie
Die emeritierte Sinologie-Professorin Mechthild Leutner von der Freien Universität Berlin, sieht das anders. Sie leitet, zusammen mit einem chinesischen Kollegen, in Berlin eines der 19 umstrittenen Konfuzius-Institute in Deutschland, die von Peking aus direkt gesteuert und mitfinanziert werden. Von der Linken-Fraktion des Bundestages als Sachverständige eingeladen moniert sie, dass die „Kritik an Menschenrechtsverletzungen“ für außenpolitische Strategien instrumentalisiert würde. „Dies ist nicht hilfreich für eine adäquaten China-Politik“, sagte Leutner und verwies darauf, dass Terrorismus auch in China zu einem Sicherheitsproblem geworden sei.
In der Region Xingjiang habe seit den 1990er-Jahren eine „Desäkularisierung und Re-Islamisierung“ stattgefunden, so Leutner. Laut Leutner wären Teil der Pekinger Terrorbekämpfungs-Maßnahmen auch Zentren für Menschen gewesen, die in terroristische, separatistische oder religiöse Aktivitäten involviert gewesen seien. Damit gibt sie eine von Peking oft verwendete Propaganda wieder, um die Existenz von Umerziehungslagern und Gehirnwäscheeinrichtungen zu legemitieren.
Chinas Menschenrechtssituation zunehmend „Frage der nationalen Sicherheit“ für andere Staaten
Für Adrian Zenz, Professor an der European School of Culture and Theology, sei der „Machtanspruch der KP zunehmend totalitär“. Der Staat beanspruche eine „immer stärkere Kontrolle über die Medien, das Internet, Handeln und Denken und sogar den Lebensstil der Menschen“, sagte Zenz.
Die Umerziehung in Lagern sei nur eine „intensivere Form dessen, was im Bildungssystem und durch politische Propaganda in der Gesellschaft“ geschehen solle: die Ausrichtung der Bürger auf die Kommunistische Partei Chinas. Persönliche Freiheiten gebe es nicht.
In diesem System seien Menschenrechtsverletzungen ein „unvermeidbares Nebenprodukt des Regierens“, betonte Zenz und forderte, Chinas Menschenrechtssituation ernster zu nehmen: Sie werde zunehmend zu einer „Frage der nationalen Sicherheit“ für andere Staaten, so der Experte mit Blick etwa auf „Chinas Geiseldiplomatie“ im Fall der Anklage zweier Kanadier wegen Spionage.
Chinesische Botschaft in Berlin: „Menschenrechtslage in China befindet sich jetzt in ihrer besten Phase“
Die chinesische Botschaft in Berlin reagierte noch am Tag der Anhörung mit einer Stellungnahme auf die Statements der Sachverständigen im Menschenrechtsausschuss des Bundestages. Sie propagiert ein ganz anders Bild von der Menschrechtssituation vor Ort als die befrgaten China-Experten.
„Unverantwortliche und unhaltbare Anschuldigungen“ seien gegen China in Bezug auf Menschenrechtslage, Minderheits- und Religionspolitik, Sicherheitsgesetz für Hongkong, „NGO-Gesetz“ usw. getätigt worden.
Dies hätte einen Grundsatz in internationalen Beziehungen – also die „Nicht-Einmischung in innere Angelegenheiten“ – schwerwiegend verletzt.
„Die Menschenrechtslage in China befindet sich jetzt in ihrer besten Phase in der chinesischen Geschichte“, erklärt die chinesische Vertretung in Deutschland. Und beendet ihre Stellungnahme mit der Forderung: „Wir fordern den Ausschuss und die beteiligten Politiker auf, dieser Tatsache ins Auge zu sehen.“
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Finanzmärkte, Handel, Medien, Ideologie, internationales Recht, Weltraum und vieles mehr sind potenzielle Krisenfelder, auf denen im übertragenen Sinn ein Krieg tobt. Für die KP China bedeutet es jedoch Krieg im wahrsten Sinne des Wortes. Diese Partei, die die Regierung Chinas stellt, vertritt den Grundgedanken der „uneingeschränkten Kriegsführung“.
Zu den Mitteln des Kampfes gehören das Hacken von IT-Systemen, Terrorismus, psychologische, biochemische, ökologische, atomare und elektronische Kriegsführung, die Verbreitung von Drogen, Schmuggel, Sanktionen und so weiter.
Der Schlüsselpunkt dazu sind nicht unbedingt die unter Waffen stehenden Streitkräfte, sondern die „Generalisierung von Krieg“ für jeden chinesischen Landesbürger. „Uneingeschränkte Kriegsführung“ meint, dass „alle Waffen und Technologien nach Belieben eingesetzt werden können; was bedeutet, dass alle Grenzen zwischen Krieg und Frieden, zwischen militärischer Welt und ziviler Welt aufgebrochen werden.“
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