„Experimentelle Medizin an Kindern“ – Deutscher Ärztetag fordert Änderung des Selbstbestimmungsgesetzes

Wenn sich der 16-jährige Tom als Lisa fühlt, kann er im Rahmen des aktuellen Selbstbestimmungsgesetzes unproblematisch die Einträge beim Standesamt ändern lassen und sich Behandlungen zur Geschlechtsanpassung unterziehen. Den niedrigen Hürden will der Deutsche Ärztetag einen Riegel vorschieben. Er fordert eine Nachschärfung des Gesetzes.
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Identitätskrisen gehören zum Leben. Der Einsatz von Pubertätsblockern und Hormonen oder gar eine Geschlechtsoperation sollten gut überlegt sein.Foto: iStock
Von 11. Mai 2024

Der 128. Deutsche Ärztetag, der vom 7. bis 10. Mai in Mainz tagte, fordert den Bundestag zur Änderung des umstrittenen Selbstbestimmungsgesetzes auf. Minderjährigen dürfe es nicht gestattet werden, ohne vorherige fachärztliche kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik und Beratung Änderungen zu ihrem Geschlecht und Personenstand im Personenregister zu veranlassen. Auch die Regeln zur Geschlechtsveränderung müssten nachgeschärft werden.

Am 12. April 2024 hat der Bundestag das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz beschlossen. Demnach kann jede Person mit Vollendung des 14. Lebensjahres im Standesamt ihren Eintrag zu Geschlecht und Personenstand durch eine andere Bezeichnung ersetzen oder streichen lassen. Sofern die Person geschäftsunfähig ist oder das 14. Lebensjahr nicht vollendet hat, sollen ihre gesetzlichen Vertreter die Erklärung abgeben oder ersatzweise das Familiengericht.

Vertreter der Ärztekammer aus Mecklenburg-Vorpommern, die den Antrag auf Gesetzesänderung beim Deutschen Ärztetag einbrachten, betonen, dass die Geschlechtsänderung nach derzeitigem Gesetz „ohne jede Prüfung der Ernsthaftigkeit, Wahrhaftigkeit und Beständigkeit des Wunsches und ohne eine obligate psychiatrisch-psychotherapeutische Beratung“ stattfinden können. Aus ihrer Sicht ein Unding.

Zwei Begriffe in einem Topf

Die Ärzte aus Mecklenburg-Vorpommern (M-V) fordern zunächst eine klare Trennung der Begriffe „Geschlecht“ und „Geschlechtsidentität“. Das Geschlecht sei „biologisch binär“ und werde im amtlichen Geburtenregister als Personenstand – also männlich oder weiblich – eingetragen. Die Geschlechtsidentität hingegen, die nur selten von dem Geschlecht abweiche, entspreche dem subjektiven Empfinden der Person. Diese beiden Begriffe gleichzusetzen, sei „logisch unschlüssig“.

Aus medizinischer, sexualwissenschaftlicher wie auch aus biologischer Perspektive ist das Geschlecht eines Menschen eine am Körper feststellbare und in den allermeisten Fällen eindeutig zu bestimmende, keineswegs frei verfügbare, sondern unveränderbare Realität“, heißt es in dem Antrag der Vertreter der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern.

Das Selbstbestimmungsgesetz versuche, eine Lösung für den inneren Konflikt und ein primär-verfahrensrechtliches Problem zu finden. Aus ärztlich-/psychotherapeutischer und sexualwissenschaftlicher Sicht sei das Personenstandsrecht aber nicht „das richtige Instrument, um die Selbstbestimmung der von Geschlechtsinkongruenz betroffenen Menschen zu gewährleisten“. Auch eine Gleichbehandlung sowie der Schutz vor Diskriminierung könnten damit nicht sichergestellt werden.

Einträge zum Geschlecht und Personenstand sollen nur nach vorheriger fachärztlicher Diagnostik und Beratung möglich sein. Insoweit müsse das Selbstbestimmungsgesetz nachgebessert werden, forderten die Ärzte in ihrem Beschlussantrag, der vom 128. Deutschen Ärztetag angenommen wurde.

Behandlungen nur im Rahmen einer Studie

Dieselben Ärzte aus M-V forderten in einem weiteren Antrag beim Ärztetag auch eine Verschärfung der Bedingungen für die Behandlung der sogenannten Geschlechtsdysphorie von Minderjährigen. Darunter versteht man das Leiden einer Person, das dadurch erzeugt wird, dass das Geburtsgeschlecht nicht mit dem empfundenen Geschlecht übereinstimmt.

Laut Ärzten findet eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Geschlecht am häufigsten im Alter von etwa elf Jahren statt. Die Häufigkeit dieser Symptomatik nehme im weiteren Verlauf mit dem Alter ab.

Die Behandlungen mit Pubertätsblockern oder gegengeschlechtlichen Hormonen bezeichnen die Vertreter der Ärztekammer M-V als „eine Form experimenteller Medizin an Kindern“. Diese dürfe nur im Rahmen kontrollierter wissenschaftlicher Studien unter Hinzuziehen eines multidisziplinären Teams sowie einer klinischen Ethikkommission erfolgen sowie nach abgeschlossener medizinischer und insbesondere psychiatrischer Diagnostik und Behandlung eventueller psychischer Störungen.

Die Therapieergebnisse sollen über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren nachverfolgt werden – und zwar im Hinblick auf soziologische, medizinische, kinder- und jugendpsychiatrische, soziale und psychologische Aspekte.

Schutz vor „irreversiblen Eingriffen“ bei Minderjährigen

Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen würden „klar und eindeutig“ zeigen, dass Pubertätsblocker, gegengeschlechtliche Hormonbehandlungen und geschlechtsverändernde Operationen bei Minderjährigen weder die Symptomatik noch die psychische Gesundheit verbessern, so die Vertreter der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern weiter. Sie betonen, dass es sich „um irreversible Eingriffe in den menschlichen Körper bei physiologisch primär gesunden Minderjährigen“ handele. Solche Eingriffe beeinflussen auch die menschliche Psyche, gerade bei Minderjährigen, die sich noch in der Entwicklung befinden.

Bevor es zu einem solchen massiven Eingriff kommt, müsse nicht nur der körperliche Reifungsprozess stattgefunden haben, sondern auch alterstypische Rollenkonflikte und „Körperbildstörungen der Pubertät“ überwunden sein. Ohne ärztliche Beratung und elterliche Einwilligung sei weder ein Kind noch ein Jugendlicher in der Lage, über die Einnahme von Pubertätsblockern oder Hormonen zu entscheiden – erst recht nicht, wenn es an einer medizinischen Evidenz dafür mangele.

Geschlechtsbehandlungen oder -operationen dürften daher nicht nur vom Willen eines sich in der Entwicklung befindenden Kindes beziehungsweise Jugendlichen abhängig gemacht werden. Bei der bestehenden Evidenzlage müsse die Sorge um das Kindeswohl überwiegen, fordern die Vertreter der Ärztekammer M-V. Ihr Antrag wurde vom Deutschen Ärztetag angenommen. Nun ist die Politik gefordert.



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