Früherer Gesundheitsamtsleiter packt aus – Dr. Friedrich Pürner im Interview
Beschimpfungen, Kritikverbot, Versetzung. In der sogenannten Corona-Krise geraten Beamte schnell in die Zwickmühle, wenn sie die Maßnahmen der Regierung kritisch hinterfragen. Sie werden auf ihre „Vorbildfunktion“ hingewiesen und bei Widerspruch abgestraft. Das hat Dr. Friedrich Pürner, ehemaliger Leiter des Gesundheitsamts im bayerischen Aichach-Friedberg, am eigenen Leib erfahren. In seinem Buch „Diagnose: Pan(ik)demie – Das kranke Gesundheitssystem“ gibt der Epidemiologe mit langjähriger Berufserfahrung einen umfassenden Einblick in die Zeit, in der ein Virus das Leben der Menschen auf den Kopf stellt.
ET: Herr Dr. Pürner, was hat Sie dazu bewogen, dieses Buch zu schreiben?
Bereits im Sommer letzten Jahres habe ich mich mit dem Gedanken, ein Buch zu schreiben, beschäftigt. Ich hatte ja schon einiges in der Pandemie erlebt und besitze aufgrund meiner Ausbildung und langjährigen Tätigkeit ausreichend fachliche Erfahrung. Dann kam meine Strafversetzung und meine beruflichen Tätigkeiten waren nicht mehr so zeitintensiv, weshalb ich so meine vielen Hundert Überstunden abbauen konnte. In dieser freien Zeit und an den Wochenenden schrieb ich dann dieses Buch.
Ich möchte mit diesem Buch dem Leser die Möglichkeit geben, die Geschehnisse durch meine Augen zu sehen, und ihm gleichzeitig damit auch Einblicke in die Arbeitswelt eines Gesundheitsamtes und des Beamtenapparates geben. Das Buch ist kein Abrechnungsbuch. Mein Buch soll jeden interessierten Leser informieren und aufzeigen, wo die Fehler im System liegen.
ET: In ihrem Buch schildern Sie, wie man mit Beamten, die sich kritisch äußern, umgeht. Sie selbst wurden strafversetzt. Wie unabhängig und eigenverantwortlich können die Beamten in den Behörden – in Ihrem Fall in einem Gesundheitsamt – überhaupt arbeiten?
Beamte, auch leitende Beamte, können relativ wenig unabhängig und eigenverantwortlich arbeiten. Es gibt Vorgaben und Weisungen, an denen sich der Beamte zu halten hat. Natürlich hat der Beamte auch immer einen Ermessensspielraum. Dieser ist aber sehr klein. Das Problem ist die Hierarchie im Beamtenwesen und ein völlig veraltetes Verständnis von Personalführung. Im Prinzip verwaltet sich der Staat mit seinen Behörden bereits selbst. Durch das stark geprägte hierarchische Denken und dem völlig überholten Instrument der Beurteilung eines Beamten herrscht ein ausgeprägtes Duckmäusertum in den Verwaltungsstuben.
Als Beamter kann man nur mit einer entsprechenden Punktzahl in der Beurteilung Karriere machen und befördert werden. Das wiederum bedeutet mehr Geld. Da der jeweilige Vorgesetzte die Beurteilung vornimmt, wird sehr schnell klar, welches Druckmittel man hier erschaffen hat. Jeder Beamte wird sich also gut überlegen, ob er Kritik am System oder an seinem Vorgesetzten übt. Dieses Phänomen zieht sich quer durch sämtliche Behörden in Deutschland und erodiert den kompletten Verwaltungsapparat von innen heraus. Es werden in den Behörden viele Fehler und Missstände unter den Teppich gekehrt – und viele Beamte tragen das mit.
ET: Wahrscheinlich sind nicht alle Beamten so resistent wie Sie. Wo führt es die Menschen hin, wenn Beamte entgegen besseren Wissens die politischen Maßnahmen durchsetzen?
Das kann ich Ihnen ganz genau sagen, wohin das die Menschen führt. Ein Teil der Beamten (oder auch Angestellten) geben auf und verlassen die jeweilige Behörde oder entfernen sich komplett aus dem Öffentlichen Dienst. Bei einem großen Teil der Beamten kann man eine innere Kündigung feststellen. Sie befolgen die Anweisungen und Anordnungen von oben. Gerechtfertigt wird dann dieses Handeln mit der Begründung, dass man ja nur „tut und ausführt, was von oben angeordnet wurde“. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Anordnungen erfolgt dann nicht mehr. Man möchte einfach nur seine Ruhe haben, führt aus und befolgt – ohne Widerstand zu leisten. Das ist dann die innere Kündigung.
Ein nicht unerheblicher Teil der Beamten wird krank, psychisch aber auch körperlich. Woher ich das weiß? Ganz einfach, weil wir Amtsärzte kranke Beamte untersuchen, beispielsweise bei längerer Krankheitsdauer oder bei einer zu prüfenden Frühpensionierung. Man kann sich das nicht vorstellen, was man da zu hören bekommt. Wie mit den betroffenen Beamten dabei umgegangen wird, ist teilweise nur schwer nachvollziehbar. In vielen Fällen konnte ich erkennen, dass die andauernde Krankschreibung vermeidbar gewesen wäre. Denn eigentlich bestand nur ein Problem – meist ein Streit – zwischen dem Beamten und seinem Vorgesetzten beziehungsweise seinem Dienstherrn. Der Staat geht sehr schauderlich mit seinen Beamten um. Wertschätzende Personalführung ist in den Behörden eine Rarität, die nur die erfahren, die alles abnicken.
ET: Sie haben vor Kurzem ein Logo entworfen mit der Botschaft „Lassen Sie sich nicht spalten“. Was hat es damit auf sich?
Diese ganze Diskussion über eine Impfpflicht und über Vorteile von Geimpften finde ich extrem beunruhigend. Während der ganzen Pandemie gab es schon zwei Lager und der Ton hat sich zwischen beiden ziemlich verschärft. Seitdem es nun die Impfung gibt, haben vor allem Politiker mit Unterstützung einzelner Medien und sogenannter Experten mit sehr unglücklichen Aussagen die Gesellschaft entzweit.
Nun gibt es auf der einen Seite extreme Impfbefürworter, die tatsächlich fordern, es müssten sich alle Menschen aus Solidarität und für die Freiheit impfen lassen und der Status „geimpft/ungeimpft“ sollte bei einer möglichen Triage berücksichtigt werden. Die andere, extreme Gegenposition wähnt in der Impfung ein todbringendes Mittel, um die Menschheit zu dezimieren. Beide Extreme sind grundverkehrt. Leider ist die führende Politik derzeit nicht in der Lage, eine Versöhnung herbeizuführen. Ganz im Gegenteil. Mit unqualifizierten Aussagen werden beide Lager noch angeheizt.
Sehr schön kann man das gerade in einem Bundesland beobachten, wo ein Ministerpräsident seinen Stellvertreter vor laufender Kamera um eine Stellungnahme zu seiner Nicht-Impfung bittet und ihn nun aktuell in die Nähe der Querdenker rücken lässt. Und das nur deshalb, weil der stellvertretende Ministerpräsident von seinem verbrieften Persönlichkeitsrecht Gebrauch macht. Impfen ist ein medizinischer Eingriff und somit was ganz Persönliches. Niemand sollte sich rechtfertigen müssen – schon gar nicht öffentlich –, ob oder warum er eine medizinische Maßnahme durchführen lassen möchte oder eben nicht. Bei medizinischen Eingriffen gibt es auch keine Verpflichtung zur Vorbildfunktion, egal in welcher Position man gerade ist.
Politiker hingegen haben sehr wohl eine Vorbildfunktion, und zwar in ihrem Verhalten. Und wenn die Menschen sehen, wie ein Ministerpräsident seinen Stellvertreter in einer medizinischen Angelegenheit derart angeht, dann kann das auf Teile der Bevölkerung wie ein „grünes Licht“ wirken, dies dann ebenso zu tun. Und damit wird die Spaltung sozusagen legitimiert.
Mit diesem Logo weise ich darauf hin, dass eine bloße Impfung keinesfalls zu einer weiteren Spaltung führen darf. Die Gesellschaft darf sich durch eine Impfung nicht in Gut und Böse teilen lassen. Niemals und nirgendwo! Das betrifft eben alle Gesellschaften auf der ganzen Welt. Niemand darf verurteilt werden, weil er sich gegen eine Impfung entscheidet. Es darf aber auch niemand angegangen werden, der sich für eine Impfung entscheidet. Beide Entscheidungen sind in einer aufgeklärten und demokratischen Gesellschaft zu akzeptieren.
Deshalb richtet sich dieses Logo sowohl an Impfbefürworter als auch an diejenigen, die eine Impfung nicht haben möchten. Ich würde mich sehr freuen, wenn dieses Logo weltweit mein Anliegen zum Ausdruck bringen würde. Deshalb gibt es dieses Logo auch in englischer Sprache. Ich werde mir das Logo auf Shirts und Pullis drucken lassen. Besonders freute ich mich über eine Nachricht aus Griechenland. Dort wird das Logo bereits verbreitet.
ET: Ist es aus ihrer Sicht berechtigt, dass Politiker und ihre Berater nun vor einer drohenden „vierten Welle“ und weiteren Virusmutationen warnen? Wie sollten die Menschen damit umgehen?
Ich bleibe bei meiner Aussage vor einem Jahr: Wir müssen erst eine „Welle“ definieren, ansonsten taugt dieses Wort lediglich zur Angstmache. Bei COVID-19 wurde der Begriff Welle immer noch nicht definiert – im Gegensatz zur Influenza. Also möchte ich wissen, ab wann wir genau von einer Welle bei COVID-19 sprechen.
Logisch ist aber auch, dass SARS-CoV-2 und die sich durchsetzende Mutationen bleiben werden. Es werden immer wieder Menschen daran erkranken und so ist auch klar, dass diese Erkrankung auch immer wieder wellenförmig ablaufen wird, vor allem in der Herbst- und Winterzeit.
Die Menschen müssen COVID-19 als neue Erkrankung akzeptieren und damit lernen umzugehen. Sie müssen lernen, diese Erkrankung als allgemeines Lebensrisiko zu begreifen, so wie andere Erkrankungen eben auch. Die Gesellschaft kann sich nicht vor diesem Virus und einer möglichen Infektion verstecken und einschließen. Es braucht dringend wieder eine lebensreale Risikoeinschätzung. Diese kann ich derzeit nicht erkennen. Wenn ich Kinder und Eltern auf dem Fahrrad ohne Helm, aber mit Maske sehe, dann weiß ich, dass hier sicher keine gute Risikoabschätzung vorliegt.
208 Seiten
Softcover
ISBN: 978-3-7844-3602-9
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Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 4, 7. August 2021.
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