„Europe United“ statt „America First“: Baerbock fordert mehr europäisches Selbstbewusstsein gegenüber China – und den USA
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Am Montag, 20.1., hat das Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin eine Diskussionsveranstaltung mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock abgehalten. Das Thema lautete: „Fokus China: Sind Deutschland und Europa gewappnet für die geopolitischen Herausforderungen?“ Allerdings stand die Veranstaltung auch im Zeichen der wenigen Stunden später folgenden Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump.
Ministerin beschwört „Selbstbewusstsein als Europäer“
Schon in ihrem Eingangsstatement beschwor die Ministerin mehr „Selbstbewusstsein“, das Europa zeigen müsse. Es seien „stürmische Zeiten, in denen wir uns als Europäer, G7 und Deutschland neu aufstellen müssen“, so Baerbock. Hier müsse Europa sich „selbst definieren, statt sich zwischen den USA und China zerreiben zu lassen“.
Die Antwort auf „America First“ müsse „Europe United“ lauten, erklärte die Ministerin, die auch in weiterer Folge konsequent von „europäischen“ statt explizit „deutschen“ Interessen in der geopolitischen Positionierung sprach. Der Vorteil dieses gemeinsamen Vorgehens habe sich in der Art und Weise gezeigt, in der die EU ihre Verhandlungsmacht gegenüber China in der E-Auto-Frage zum Ausdruck gebracht habe.
Hier sei es gelungen, die – von der deutschen Bundesregierung kritisch gesehenen – Zollmaßnahmen gegen die „Flutung unserer Märkte“ mit chinesischen Billigprodukten zu beschließen. Das größere Selbstbewusstsein der Europäer in diesem Bereich habe entgegen allen Befürchtungen noch keine nachteiligen Folgen gehabt. Die Führung in Peking hat auf die Strafzölle von bis zu 35,3 Prozent auf E-Autos aus China vorerst mit Gegenzöllen auf Branntweine reagiert.
Baerbock wirbt für Ausbau des „Global Gateway“
Es könne jedoch nicht nur darum gehen, Europa zu schützen. Gefragt sei auch „partnerschaftliches Auftreten“ – und ein aktives Zugehen beispielsweise auf die „Wertepartner“ im Indopazifik. So sei die Verwunderung in Australien und Neuseeland darüber groß gewesen, dass in mehr als einem Jahrzehnt vor Baerbocks Besuch im Vorjahr kein deutscher Regierungspolitiker zu Gast gewesen sei.
Außerdem solle der „Global Gateway“ der EU auf weltpolitischer Ebene anderen Ländern Partnerschaften zu allseitigem Nutzen ermöglichen. Als Beispiel dafür nannte Baerbock den Bau einer Produktionsanlage für den Corona-Impfstoff von BioNTech/Pfizer in Ruanda. Zu diesem hatte auch die EU Mittel beigesteuert.
Keine gleichen Wettbewerbsbedingungen für deutsche Investoren in China
Dass die USA unter Donald Trump aus dem Pariser Klimaabkommen austreten könnten, will die Ministerin als potenzielle Chance begreifen. Immerhin könne man so in den Wettbewerb mit den USA um Innovationen treten. Auf diese Weise könnte Europa im Klimaschutz zum Technologieführer werden.
Im Übrigen, so äußerte die Ministerin weiter, sei es eine erhebliche Errungenschaft gewesen, dass Deutschland erstmals eine eigene China-Strategie erarbeitet habe. Dies sei für die Bundesregierung eine „Selbstverständlichkeit“ als Teilelement einer europäischen Strategie gewesen. Nun könne Europa geeinter gegenüber China auftreten, wie es im Kontext der Abstimmung zu den Maßnahmen gegen E-Autos vom vergangenen Oktober der Fall gewesen sei.
Das chinesische Regime versuche, sich mithilfe von wettbewerbspolitischen Lücken Vorteile zu verschaffen, betonte Baerbock. Nicht nur Autohersteller, auch Branchen wie die Telekommunikation beklagen, dass es keinen gleichen Wettbewerb in China gebe. Man habe sich versprochen, Produkte für die dortige wachsende Mittelschicht produzieren zu können. Jedoch laboriert China mittlerweile an massiven Problemen wie der Immobilienkrise oder der Jugendarbeitslosigkeit.
China-Kompetenz habe in Deutschland bisher gefehlt
Offenes Diskutieren sei ein Wettbewerbsvorteil westlicher Gesellschaften, äußerte Baerbock weiter. Als sie China besucht habe, sei vielfach an ihrer Bezeichnung des Landes als „systemischer Rivale“ Anstoß genommen worden. Dagegen habe sie eingewendet, dass Peking diese Rivalität selbst zum Ausdruck bringe, indem es die „regelbasierte Ordnung“ in seinem Sinne verändern wolle.
Es müsse einen Mentalitätswechsel mit Blick auf die eigene Investitionskultur geben, forderte die Ministerin weiter:
„Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir aktiv unseren Standort und unsere Infrastruktur schützen.“
Von besonderer Bedeutung sei dabei auch der Schutz vor Technologieabfluss. Vor allem im Bereich der Joint Ventures sei es dabei wichtig, aufzupassen. Als positiv bewertete Baerbock, dass man nun dabei sei, eine eigene China-Kompetenz in Deutschland aufzubauen. Diese sei in dieser Form noch nicht vorhanden gewesen.
Baerbock: „Transatlantisch“ in den USA nicht überall positiv besetzt
Man könne dabei auch auf Erfahrungen von Partnerländern wie Australien zurückgreifen, die ebenfalls Erfahrung mit der Notwendigkeit der Absicherung von Lieferketten hätten. Gerade in solchen Bereichen sei es wichtig, für den Fall von Spannungen Ausweichrouten zu antizipieren.
Insgesamt sei mit Blick auf China eine „klare europäische Haltung, bei der Deutschland ein Treiber ist“, notwendig. Man müsse „Chancen in einer sich rasch verändernden Welt“ nutzen, sich eine „eigene strategische Selbstständigkeit“ erarbeiten und die multipolare Ordnung als Chance nutzen. Diese eröffne Chancen auf neue Partner – wie die Golfstaaten, die etwa mit Blick auf freie Handelsrouten ebenfalls ein Interesse an der „regelbasierten Ordnung“ hätten.
Mit Blick auf die USA sei es sinnvoll, neue Themenfelder zu erschließen, die dazu beitragen könnten, einen Konsens zwischen den transatlantischen Partnern zu schaffen. Baerbock räumte ein, dass der Begriff „transatlantisch“ in den USA nicht überall positiv verstanden werde. In Latino-Communitys denke man dabei an Lateinamerika, Afroamerikaner dächten an den „transatlantischen“ Sklavenhandel.
Unklarheit über künftige Trump-Politik gegenüber Peking
In der Gesprächsrunde, an der Baerbock teilnahm, war man sich mit Blick auf die USA einig, dass man auch in der China-Politik nicht abschätzen könne, wie Präsident Trump sich orientieren werde. Es könne sein, dass er stärker auf Konfrontation gehe. Jedoch habe er in seinem Umfeld auch Personen wie Elon Musk, der eher Interesse an einem konstruktiven Verhältnis habe.
Was Europa jedenfalls befürchten müsse, ist, dass Trump Wirtschaftspolitik mit anderen Themen vermenge. Beispiel dafür seien die Zolldrohungen gegenüber Mexiko und Kanada, die begründet wurden mit deren Migrations- oder Sicherheitspolitik. Die Zeit der Planbarkeit und Vorhersehbarkeit in der Weltpolitik sei jedenfalls vorbei.
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