EuGH verurteilt Deutschland – Landwirte kritisieren strenge Auflagen ohne Entschädigung

Der EuGH hat Deutschland in Sachen „Natura 2000“ verurteilt: Die Bundesregierung habe nicht genug zum Schutz gefährdeter Wiesen beigetragen. Das Urteil weckt Sorgen bei Landwirten und Grundstückseigentümern, die weitere Einschränkungen ihrer Nutzungsrechte befürchten – für die es nicht einmal eine gesetzliche Entschädigungspflicht gibt.
«Cour de Justice de l'Union Europeene»: Das Europäische Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg.
„Cour de Justice de l'Union Europeene“: Das Europäische Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg.Foto: Harald Tittel/dpa
Von 15. November 2024

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Deutschland im Zusammenhang mit seiner Umsetzung von EU-Richtlinien zum Komplex Natura 2000 verurteilt. Am Donnerstag, 14.11., hieß es im Urteil zu Az. C-47/23, die Bundesregierung habe zu wenig zum Schutz bestimmter Wiesen unternommen.

Die Schutzprogramme waren in den vergangenen Jahren zunehmend auf Kritik gestoßen. Sie wurden zunehmend zur Grundlage für teils erhebliche Beschränkungen für Grundeigentümer und Landwirte in deren Nutzungsrechten. Dazu kam, dass der EuGH nicht einmal verpflichtende Entschädigungen dafür vorsah.

Natura 2000 hätte Deutschland zu umfassenderen Schutzmaßnahmen verpflichtet

Im jüngsten Urteil in Sachen Natura 2000 geht es um sogenannte magere Flachlandmähwiesen sowie Bergmähwiesen, die unter die Schutzagenda fallen. Die EU-Kommission hatte einen Verlust vieler dieser Wiesen in der Zeit zwischen 2006 und 2020 beklagt. Ihre Schlussfolgerung, dies sei die Konsequenz von Versäumnissen aufseiten der deutschen Bundesregierung, trat der EuGH nun bei.

Diese artenreichen und meist von Wildblumen bewachsenen Wiesen hatten sich seit Längerem in einem schlechten Zustand befunden. Dies sei quer durch alle Höhenlagen zu beobachten gewesen. Gründe dafür seien intensivere Bewirtschaftung mit häufigerer Mahd und zusätzlicher Einbringung von Dünger gewesen.

Die Bundesregierung habe, so der EuGH, die Bewirtschaftung dieser geschützten Wiesen nicht regelmäßig und konsequent genug überwacht. Die EU-Kommission hatte dem Bund auch vorgeworfen, ihr keine aktualisierten Daten zu den betroffenen Gebieten zu übermitteln. Der Gerichtshof wollte jedoch keine solche Verpflichtung vonseiten der Mitgliedstaaten erkennen.

Bis dato in Deutschland etwa 5.200 Gebiete ausgewiesen

Die unter dem Banner von Natura 2000 konzipierte Schutzagenda umfasst sogenannte FFH-Gebiete aufgrund der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie sowie solche, deren Status sich auf die Vogelschutzrichtlinie stützt. In Deutschland beispielsweise gibt es derzeit etwa 5.200 Gebiete, die unter Natura 2000 fallen. Sie umfassen 15,5 Prozent der Landfläche und 45 Prozent der Gebiete vor den Küsten.

Gebiete, welche die Voraussetzungen für Natura 2000 erfüllen, melden die EU-Mitgliedstaaten in Eigenregie. Mit Stand Juni 2020 bewegte sich der Anteil von FFH-Gebieten zwischen 7,4 Prozent der Landfläche in Dänemark und 32,7 Prozent in Slowenien.

Das grundsätzliche Ziel eines Schutzes ökologisch bedeutsamer Gebiete steht in der Bevölkerung der EU-Staaten nicht infrage. Die Modalitäten der Umsetzung sorgen jedoch zunehmend für Unmut – und auch bei den Bauernprotesten zu Beginn des Jahres spielten als übergriffig empfundene Maßnahmen zur Renaturierung eine Rolle.

EuGH: Widmung für Natura 2000 ist keine Enteignung

Zwar befinden sich nicht alle Gebiete, die als schutzbedürftig im Sinne von Natura 2000 ausgewiesen wurden, in Privatbesitz. Dort, wo dies jedoch der Fall ist, drohen Nutzungsbeschränkungen in Bereichen wie Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft, aber auch bei Bebauung und Nutzung für Tourismus und Freizeit.

Anfang 2022 entschied zudem der EuGH, dass die Ausweisung von Flächen als Gebiete für Natura 2000 keine Enteignung im rechtlichen Sinne darstelle. Vielmehr handele es sich dabei lediglich um eine Nutzungsbeschränkung. Eine solche könne gesetzlich vorgesehen werden, „soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist“.

Das Urteil räumt betroffenen Grundeigentümern, Forst- oder Landwirten nicht einmal ein automatisches Recht auf Entschädigung ein. Zumindest gebe es keine entsprechende Verpflichtung auf Grundlage der EU-Gesetzgebung. Die Kosten aus der Einhaltung rechtlicher Verpflichtungen gehörten, so der Gerichtshof, „zu den normalen Betriebskosten eines solchen Unternehmens“.

Entschädigung möglich – aber nicht verpflichtend

Eine Entschädigung sei vielmehr ein „wirtschaftlicher Vorteil, den es unter regulären Marktbedingungen nicht gäbe“. Die Mitgliedstaaten seien jedoch frei, solche vorzusehen. Diese könnte auch als sogenannte De-minimis-Beihilfe gewährt werden. Darunter versteht die EU geringfügige Beihilfen an Unternehmen, von denen keine wettbewerbsrelevante Wirkung ausgehe.

 



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