Zugang zum Internet: Nulltarif-Optionen verstoßen gegen EU-Recht
Nulltarif-Optionen unzulässig
Sogenannte Nulltarif-Optionen verstoßen gegen die EU-Verordnung über den Zugang zum offenen Internet. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag auf die Fragen von deutschen Gerichten entschieden, die mit Rechtsstreitigkeiten rund um Tarife von Vodafone und Telekom befasst sind.
Bei Nulltarif-Optionen werden bestimmte Apps bevorzugt, weil die Daten für die Nutzung von Partnerdiensten nicht oder nur teilweise auf den Verbrauch angerechnet werden. (Az. C-854/19 u.a.)
Der erste Rechtsstreit dreht sich um die Frage, ob der Anbieter bei einem solchen Tarif die Bandbreite für Videostreaming generell einschränken darf. Zweitens geht es darum, ob solche Regelungen nur für das Inland zulässig sind. Drittens wurde gefragt, ob Tethering, also das Teilen der Mobilfunkdaten mit anderen Geräten über einen Hotspot, Nutzern vertraglich verboten werden darf.
Der EuGH entschied nun, dass eine Nulltarif-Option an sich unzulässig ist. Denn dabei werde aus kommerziellen Erwägungen innerhalb des Internetverkehrs unterschieden. Dies verstoße gegen die Pflicht, den Verkehr ohne Diskriminierung oder Störung gleichzubehandeln, hieß es. Da die in Frage stehenden Regelungen nur dann angewandt würden, wenn die – unzulässige – Nulltarif-Option aktiviert werde, seien auch sie mit EU-Recht unvereinbar.
In den konkreten Rechtsstreitigkeiten, die unter anderem der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände und die Bundesnetzagentur mit den Mobilfunkanbietern führen, müssen nun noch die deutschen Gerichte entscheiden.
Sie sind dabei an die Rechtsauslegung des EuGH gebunden. Dieser hatte schon im Herbst 2020 in einem ersten Urteil zur sogenannten Netzneutralität entschieden, dass bestimmte Apps beim Datenfluss nicht bevorzugt behandelt werden dürfen.
Deutschland muss Energierecht umfangreich ändern
Deutschland muss sein Energierecht nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs umfangreich ändern. Das höchste europäische Gericht gab einer von der EU-Kommission erhobenen Klage gegen die Bundesrepublik in vollem Umfang statt.
Demnach wurden in Deutschland Vorgaben der EU-Elektrizitätsrichtlinie und der EU-Erdgasrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt.
Im Kern geht es bei den Vorwürfen um die Rolle der Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde. Derzeit legt die Bonner Behörde Netzentgelte auf Basis von Regeln fest, die die Politik beschlossen hat. Aus Sicht der für die Einhaltung von EU-Recht zuständigen Europäischen Kommission ist die Behörde allerdings nicht unabhängig genug – sie sollte nach eigenem Ermessen handeln können, also ohne dass sie an politische Vorgaben gebunden ist.
Einfluss der Bundesnetzagentur wird wachsen
Das Urteil dürfte den Einfluss der Bundesnetzagentur, die dem Bundeswirtschaftsministerium untersteht, deutlich stärken. So muss der Bund nun die Berechnung der Netzentgelte auf neue Füße stellen und die Rolle der Bundesnetzagentur neu definieren.
In der Energiebranche und bei kommunalen Unternehmen wird befürchtet, dass der Regulierer ein Eigenleben entwickeln und Entscheidungen fällen könnte, die zu Lasten der Wirtschaft gehen könnten. Für den Endverbraucher ergeben sich zunächst keine Folgen. Möglicherweise könnte diese Entscheidung mittelfristig sogar etwas günstigere Tarife für den Endverbraucher zur Folge haben.
Rolle von Finanzamt bei grenzüberschreitender Steuerermittlung
Bezüglich der Frage zur Rolle deutscher Finanzämter bei Steuerermittlungen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) offen gelassen. Konkret geht es um eine vom Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Münster ausgestellte sogenannte Europäische Ermittlungsanordnung zur Durchsuchung von Geschäftsräumen an die Staatsanwaltschaft im italienischen Trient.
Die italienische Behörde erwartet, dass eine solche Anordnung von einer Justizbehörde unterzeichnet sein muss. Das Münsteraner Finanzamt wiederum beruft sich auf deutsches Recht, wonach bei Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung das Finanzamt die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft übernimmt.
Das von der Staatsanwaltschaft Trient gestellte Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig, erklärte das Gericht. Diese übe nämlich keine Rechtsprechungsfunktion aus. (Az. C-66/20) (afp/dpa/dl)
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