EU-Wahlliste von Wagenknecht-Partei: Von Ex-UN-Diplomat bis zum corona-maßnahmenkritischen Arzt
Am 27. Januar fand im ehemaligen Ostberliner Kosmos-Kino der erste Bundesparteitag des Bündnis Sahra Wagenknecht statt.
382 stimmberechtigte Mitglieder von insgesamt 450 wählten in Berlin ihre stellvertretenden Parteivorsitzenden und verabschiedeten das Europawahlprogramm. Zudem wurde die 20 Kandidaten umfassende Liste für die anstehende Europawahl am 9. Juni aufgestellt. Ein Überblick über die Kandidaten auf den ersten sechs Plätzen.
Wer sind die Europawahl-Kandidaten
Gelistet ist der langjährige Linken-Politiker und Diplom-Volkswirt Fabio de Masi. Er saß von 2014 bis 2017 für die Linke im Europaparlament, seine Schwerpunkte waren der Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung.
Bis 2021 war er für die Linke im Bundestag und Obmann der Fraktion im Untersuchungsausschuss zum Skandal um den Finanzdienstleister Wirecard. Der 43-Jährige war Mitbegründer des von Wagenknecht 2018 initiierten Bündnisses „Aufstehen“. Aus Kritik am Kurs der Linken verließ der in Hessen geborene Deutsch-Italiener 2022 die Partei – und wollte eigentlich nicht mehr politisch tätig werden.
Mit dabei ist auch Thomas Geisel (60). Er war sechs Jahre lang SPD-Oberbürgermeister von Düsseldorf bis er 2020 sein Amt an die CDU verlor. Nach 40 Jahren SPD-Mitgliedschaft schloss sich der Vater von fünf Töchtern Anfang Januar dem Wagenknecht-Bündnis an. Als Oberbürgermeister habe er manche Vorgabe aus Brüssel für die kommunale Ebene als „übergriffig“ erlebt, trotzdem sei er „leidenschaftlicher Europäer“ geblieben.
Der SPD wirft er vor, nicht mehr für Chancengleichheit zu kämpfen. Nach Beginn des Ukraine-Krieges kritisierte der Rechtsanwalt früh die Haltung des Westens und warnte vor Waffenlieferungen. Die Anforderungen der Ukraine für eine Aufnahme in die EU sieht Geisel als „eindeutig nicht erfüllt“ an.
Ehemaliger UN-Diplomat und eine Politikwissenschaftlerin
Dritter ist der 75-jährige Michael von der Schulenburg. Er war viele Jahre Konfliktberater und für die Vereinten Nationen und die OSZE im Einsatz, unter anderem in Afghanistan, Pakistan, Iran, Irak, Syrien, Somalia und Sierra Leone. Er verfüge daher über „sehr viel Verständnis“, welcher Logik Kriege folgen und wie Friedensverhandlungen laufen.
Von der Schulenburg wuchs in Brandenburg auf und floh 1969 über die Ostsee in den Westen. Seit seinem Gang in den Ruhestand ist der Wirtschaftswissenschaftler publizistisch tätig. In einer politischen Organisation war Schulenburg bis zu seinem Eintritt in das BSW noch nicht.
Eine weitere Kandidatin ist Ruth Firmenich. Die in Köln geborene Politikwissenschaftlerin ist eine enge Vertraute Wagenknechts. Sie arbeitete seit 2004 als deren Büroleiterin und Referentin zunächst im Europaparlament und dann im Bundestag. 2019 wurde sie Vorstandsreferentin in der Linken-Bundestagsfraktion.
In der Linkspartei engagierte sich Firmenich in der Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden und Internationale Politik, zeitweise war sie zudem Mitglied im Bundesvorstand der Linken.
„Therapie“ für Europa
Ein weiterer Kandidat, der 1959 geborene Neurochirurg Jan-Peter Warnke, der seit Kurzem im Ruhestand ist, hatte im sächsischen Zwickau unter anderem eine eigene Behandlung von Rückenmarkserkrankungen entwickelt. Auf dem BSW-Parteitag nannte der Mediziner die EU einen „multimorbiden Patienten mit suizidalen Gedanken“.
Das BSW sieht er als „Therapie“ für ein Europa, „das im Ansehen der Bevölkerung zerbröselt“. Warnke kritisiert die Privatisierung des Gesundheitswesens; mit Krankenhäusern werde „Monopoly gespielt“, sagte er kürzlich der Zeitung „Welt“.
Kandidat ist auch der Arzt und Gegner der Corona-Maßnahmen Friedrich Pürner. Pürner war bis 2020 Leiter des Gesundheitsamts im bayerischen Aichach. Im November 2020 wurde Pürner versetzt, nachdem er sich mehrfach kritisch zur medizinischen Sinnhaftigkeit der Auflagen geäußert hatte.
2021 erschien sein Buch „Diagnose Pan(ik)demie“. Im Europaparlament will sich der 1967 geborene Mediziner den Impfstoffverträgen und Maskenlieferungen widmen. Ohne Pandemie-Aufarbeitung werde die Spaltung der Gesellschaft nicht heilen, meint Pürner.
WerteUnion-Vorsitzender skeptisch zur möglichen Zusammenarbeit mit BSW
Der WerteUnion-Vorsitzende Hans-Georg Maaßen hat sich skeptisch zu einer möglichen Zusammenarbeit mit dem BSW geäußert.
„Gemeinsamkeiten bestehen darin, dass Frau Wagenknecht die Probleme anspricht und ausspricht, die ich auch sehe. Auf der anderen Seite sind ihre Lösungen […] aus dem sozialistischen Werkzeugkasten“, sagte der frühere Verfassungsschutzpräsident der dpa. Maaßen betonte, er stehe einer Zusammenarbeit mit dem BSW offen gegenüber, habe aber Zweifel, ob dieses dazu bereit wäre.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht traf sich am Samstag erstmals zu einem Parteitag. Ebenso wie die WerteUnion will die frühere Linken-Politikerin bei der Europawahl und den drei anstehenden ostdeutschen Landtagswahlen antreten.
Maaßen bezeichnet Wagenknecht als Kommunistin
Er schätze Wagenknecht als begabte Politikerin. „Was mir an ihr nicht gefällt, ist: Sie ist einfach eine Kommunistin“, sagte Maaßen mit Blick auf Wagenknechts Zeit als Mitglied der Kommunistischen Plattform (KPF) innerhalb der Linken.
„Auf der Analyseebene kann man sich schon verständigen“, sagte Maaßen und nannte das Thema Migration als Beispiel, die Deutschland überfordere.
Auf der Lösungsebene dürfte es seiner Ansicht nach sehr schwer sein, mit dem BSW zusammenzukommen. „Ein sozialistisches Weltbild und ein freiheitliches Weltbild, die passen nicht gut zusammen“, sagte er. Die WerteUnion werde eine „freiheitliche Partei sein und wir sagen, wir wollen weniger Staat. Der Staat soll sich zurückziehen.“
INSA: Wagenknecht-Partei bei 7 Prozent
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) könnte bei einer Bundestagswahl mit 7 Prozent der Stimmen rechnen. Im „Sonntagstrend“, den das Meinungsforschungsinstitut INSA wöchentlich für die „Bild am Sonntag“ erhebt, liegt die neue Partei damit drei Prozentpunkte vor der FDP, die im INSA-Trend erstmals seit 2015 unter die 5-Prozent-Marke rutscht und nur noch 4 Prozent erreicht.
Die Linke würde mit 4 Prozent ebenfalls an der Hürde scheitern. In der Wählergunst jeweils einen Punkt zulegen können CDU/CSU mit jetzt 31 Prozent und die SPD mit 14 Prozent. Die Grünen kommen wie in der Vorwoche auf 13 Prozent, die AfD verliert einen Punkt auf 21 Prozent. Die sonstigen Parteien könnten 6 Prozent der Stimmen auf sich vereinen (davon 2 Prozent Freie Wähler).
Für die „Bild am Sonntag“ hat INSA 1.201 Personen im Zeitraum vom 22. bis zum 26. Januar 2024 befragt (TOM). Frage: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre, wie würden Sie wählen?
(Mit Material der Agenturen)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion