EU-Austritt würde Deutschland wirtschaftlich schaden – und 690 Milliarden Euro kosten

Mehr Handel mit der Welt, mehr politische Autonomie versprach sich Großbritannien vom Brexit. Geklappt hat das nur zum Teil. Deutschland würde bei einem EU-Austritt einiges blühen, warnen Ökonomen. Und was würde die EU verlieren?
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Gern besucht: Touristen auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor.Foto: Jens Kalaene/dpa
Epoch Times19. Mai 2024

Ein Austritt aus der Europäischen Union würde Deutschland nach Analysen von Wissenschaftlern schweren wirtschaftlichen Schaden zufügen.

„Ein Dexit würde bewusst eine schwere ökonomische Krise und einen nachhaltigen Wohlstandsverlust der Bevölkerung in Deutschland auslösen“, schreiben Forscher des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Die Studie liegt dpa in Berlin vor. Die AfD will die europäische Integration teilweise rückgängig machen. Die EU sollte aus ihrer Sicht nur eine Wirtschafts- und Interessengemeinschaft lose verbundener Einzelstaaten sein.

Zu rechnen wäre den Forschern zufolge mit einem Verlust von schätzungsweise 5,6 Prozent des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) beziehungsweise rund 690 Milliarden Euro nach fünf Jahren.

Rund 2,5 Millionen Arbeitsplätze könnten im fünften Jahr verloren gehen. Dies entspreche in etwa den volkswirtschaftlichen Wertschöpfungsverlusten der Corona-Pandemie und der Energiekostenkrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine.

Berechnungen eines fiktiven Szenarios

Diese Zahlen beziehen sich auf ein Szenario, das in der Vergangenheit liegt. Die Kosten eines solchen Szenarios in der Zukunft wären nach ihrer Einschätzung aber ähnlich hoch.

Die Wissenschaftler rechneten durch, was mit Deutschland passiert wäre, wenn es parallel zu Großbritannien die EU verlassen hätte. Um das zu ermitteln, haben sie zunächst die wirtschaftlichen Auswirkungen des Brexits auf Großbritannien vom Referendum im Sommer 2016 bis zum Jahr 2021 untersucht und diese Effekte dann auf Deutschland übertragen – unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen beiden Ländern.

Die Auswirkungen eines tatsächlichen Dexits wären wohl höher anzusetzen, so die Autoren, die etwa auf die engere Verflechtung Deutschlands mit anderen EU-Staaten verweisen und die Mitgliedschaft im Euro.

Unsicherheiten schwächten Großbritanniens Wirtschaft

Über Großbritannien schreiben die Wissenschaftler, die Entscheidung für den EU-Austritt habe bereits vor dem Vollzug zum 31. Januar 2020 zu Wachstumsverlusten geführt. So habe das Pfund gegenüber dem Euro an Wert verloren, was Importe teurer machte.

Die Unsicherheit über die künftigen Beziehungen zur EU habe sich negativ auf Investitionen ausgewirkt. Zudem habe Großbritannien durch den Brexit den Boom des Handels innerhalb der EU verpasst.

Zwar konnte die Regierung in London neue Freihandelsabkommen mit anderen Ländern schließen – diese hätten aber im Wesentlichen die Abkommen der EU mit diesen Staaten reproduziert. Neue Marktzugangsmöglichkeiten seien also nicht erschlossen worden.

Zwar wurden zwei neue Abkommen mit Australien und Neuseeland geschlossen. Die britische Regierung gehe aber von einem nur sehr geringen längerfristigen Schub für die Wirtschaftsleistung aus: 0,08 Prozent BIP-Zuwachs durch das Abkommen mit Australien und 0,03 Prozent durch jenes mit Neuseeland, jeweils bis zum Jahr 2035.

„Gegenüber den geschätzten Einbußen des Brexits in Höhe von 5 bis 10 Prozent der Wirtschaftsleistung sind diese Vorteile verschwindend gering“, schreiben die Autoren der Studie.

Welche Folgen hätte das für die EU?

Unabhängig von der Studie hätte ein Austritt Deutschlands aus der EU seinerseits gravierende negative Folgen für die Europäische Union. Aus finanzieller und wirtschaftlicher Sicht wäre ein Dexit eine Katastrophe für den EU-Haushalt und die Handlungsfähigkeit der EU.

Deutschland ist mit einem Anteil von rund 24 Prozent der größte Nettozahler in den EU-Haushalt. Ein Wegfall dieser Beiträge würde eine enorme Finanzierungslücke von schätzungsweise 19-25 Milliarden Euro pro Jahr reißen. Das wäre kaum zu kompensieren.

Dieser Einnahmeausfall müsste durch höhere Beiträge der verbleibenden Nettozahler wie Frankreich, Italien und die Niederlande kompensiert werden, was politisch sehr schwierig wäre. Viele EU-Programme und -Investitionen in Bereichen wie Forschung, Infrastruktur oder Bildung müssten deutlich gekürzt oder ganz gestrichen werden.

Verlust des größten Wirtschaftsmotors – und des globalen Einflusses

Als größte Volkswirtschaft der EU ist Deutschland ein zentraler Wachstumstreiber für den Binnenmarkt. Sein Austritt würde die wirtschaftliche Stärke und Kaufkraft der EU erheblich schwächen.

Der Wegfall des deutschen Marktes wäre zudem ein herber Schlag für viele EU-Länder, deren Exporte stark von Deutschland abhängen.

Gemeinsam haben die EU-Staaten deutlich mehr wirtschaftliche und politische Macht auf der Weltbühne. Ein Austritt Deutschlands würde den Einfluss der EU auf internationaler Ebene erheblich schmälern. (dpa/red)



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