Atombomben für die EU? CDU-Politiker lehnt ab, andere sind dafür – Scholz soll für Klarheit sorgen

Die Debatte um EU-Atomwaffen ist entbrannt. Sie könnten ein Thema werden, meint die SPD. Die CDU sieht das anders. Und: der Kanzler wird aufgefordert, Position zu beziehen.
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Es fehle derzeit jede politische, strategische, technische und finanzielle Grundlage, um über EU-eigene Atomwaffen zu diskutieren, so Johann Wadephul (CDU).Foto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times14. Februar 2024

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Aus der Union kommen Unverständnis und Ablehnung für die Äußerungen der SPD-Spitzenkandidatin bei der Europawahl, Katarina Barley, über mögliche EU-Atomwaffen.

„Die Diskussion um eine europäische nukleare Abschreckung erfolgt derzeit völlig im luftleeren Raum“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann Wadephul (CDU), dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. „Es fehlt derzeit jede politische, strategische, technische und finanzielle Grundlage für ein solches Ziel.“

Wadephul: Faire Lastenteilung und nukleare Teilhabe über NATO

Barley hatte in einem Interview wegen der jüngsten Äußerungen von Donald Trump die Verlässlichkeit des US-Atomwaffen-Schutzschirms in Zweifel gezogen. Zur Frage, ob die EU eigene Atombomben brauche, sagte sie dem „Tagesspiegel“: „Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann also auch das ein Thema werden.“

Trump, der derzeit Wahlkampf für eine zweite Amtszeit macht, hatte am Wochenende bei einem Auftritt deutlich gemacht, dass er Bündnispartnern mit geringen Verteidigungsausgaben im Fall eines russischen Angriffs keine amerikanische Unterstützung gewähren würde. Trump wird deswegen vorgeworfen, der auf dem Prinzip Abschreckung beruhenden NATO schweren Schaden zuzufügen.

Wadephul entgegnete Barley nun: „Wer einfach so von einer europäischen Nuklearmacht fabuliert wie Frau Barley, übersieht völlig, was für ein einzigartiges vertrauensvolles Angebot die nukleare Teilhabe innerhalb der NATO durch die USA an ihre Verbündeten ist. Sie aufrechtzuerhalten, muss oberstes Ziel jedweder deutschen Bundesregierungen sein.“

Es sei richtig, den USA – egal unter welchem Präsidenten – zu beweisen, „dass man durch faire Lastenteilung im konventionellen Bereich ein Partner auf Augenhöhe sein will“.

Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen wollte sich nicht auf eine inhaltliche Debatte über die Äußerungen von Barley einlassen. Er sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“: „Dieser Vorschlag ist in jeder Hinsicht, rechtlich, europa- und sicherheitspolitisch, nicht von dieser Welt. Jeder weitere Satz der Kommentierung wäre zu viel.“

Scholz soll sich positionieren

Die Unionsfraktion hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, sich zu den Äußerungen von Barley zu möglichen EU-Atomwaffen zu positionieren.

„Da diese Äußerung von der früheren Justizministerin und gerade gewählten Spitzenkandidatin der SPD stammt, muss Kanzler Scholz für Klarheit sorgen“, sagte Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) dem „Tagesspiegel“.

Ist das die Position der Bundesregierung und seiner Partei?“

Wadephul fragte weiter: „Wie soll das angesichts der völkerrechtlichen Bindung Deutschlands überhaupt realisiert werden?“

Ob das mit Frankreich, das ja schon Atomwaffen besitze, abgesprochen sei, wollte der CDU-Politiker zudem wissen. „Meint der Kanzler, dass die Abschreckung amerikanischer Waffen durch ein vergleichbares EU-Arsenal ersetzt werden kann?“ Er fürchte, „dass die Aussage die völlige Ahnungs- und Bedeutungslosigkeit von Frau Barley belegt“, ergänzte Wadephul.

CSU-Vize Manfred Weber für Abschreckung

In der „Bild“ sprach sich EVP-Chef und CSU-Vize Manfred Weber für nukleare Abschreckung aus. Seine Begründung: „Europas größtes Versprechen ist, dass wir in Frieden zusammenleben. Dieses Versprechen müssen wir in diesen historischen Wendezeiten erneuern.“

Konkret bedeute das: „Europa muss militärisch so stark werden, dass sich keiner mit uns messen will. Dies bedeutet, wir brauchen Abschreckung. Zur Abschreckung gehören Nuklearwaffen.“

Aus Webers reicht die bisherige Struktur mit den Atommächten Frankreich und Großbritannien nicht aus, er denkt an eine europäische Verantwortung – und möglicherweise Mitfinanzierung: „Macron hat bereits ein vages Angebot gemacht, über die Bedeutung der französischen Nuklearstreitkräfte für Europa zu sprechen. Jetzt, da Donald Trump die Rolle der USA als Schutzmacht offen infrage stellt, wäre der richtige Moment dafür. Dasselbe gilt für die Briten, mit denen wir nach dem Brexit endlich ein neues Kapitel der Zusammenarbeit aufschlagen sollten.“

Trump habe in einen Punkt mit seiner Kritik an Partnern wie Deutschland Recht, denn man habe es sich jahrelang gemütlich gemacht, indem man den USA und den US-Steuerzahlern unsere Sicherheit überlassen habe. „Das sollte der Kanzler auch offen eingestehen.“

Sigmar Gabriel: Europa soll sicher sein

Anders beurteilt der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) die Lage. „Ich hätte nie gedacht, dass ich darüber mal nachdenken muss. Aber Europa braucht eine glaubwürdige Abschreckung. Dazu gehört eine gemeinsame nukleare Komponente“, schrieb Gabriel in einem Gastbeitrag für den „stern“.

Der amerikanische Schutz werde absehbar enden, die Debatte darüber, woher der Ersatz kommen soll, müsse jetzt beginnen. „Wenn wir diese Frage nicht beantworten, werden anderes es tun. Zum Beispiel die Türkei. Das kann nicht unser Interesse sein.“

Parteiintern stießen die Äußerungen von Barley auch auf Kritik. Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner bezeichnete den Vorstoß für gemeinsame europäische Atomwaffen als „brandgefährliche Eskalation“. Gegenüber dem „Tagesspiegel“ betonte er: „Eine europäische Atommacht braucht es nicht – sie wäre das Gegenteil von europäischer Sicherheit.“

Lindner: NATO weiterdenken

Für die Prüfung einer verstärkten Zusammenarbeit mit den europäischen Nuklearmächten Frankreich und Großbritannien plädierte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“:

Solange es Nuklearwaffen auf der Welt gibt, wird auch Europa an einem System der nuklearen Abschreckung festhalten müssen, um nicht schutzlos der Erpressung autoritärer Staaten ausgeliefert zu sein.“

Dazu tragen laut Lindner sowohl die USA als auch Frankreich und Großbritannien bei. Macron habe verschiedentlich Kooperationsangebote vorgetragen. „Die jüngsten Äußerungen von Donald Trump sollten wir als Aufforderung verstehen, dieses Element europäischer Sicherheit unter dem Dach der NATO weiterzudenken“, schreibt Lindner.

Zu klären gelte es, unter welchen Bedingungen Paris und London dazu bereit seien. Der FDP-Politiker betonte: „Wenn es um Frieden und Freiheit in Europa geht, dürfen wir diese schwierigen Fragen nicht scheuen.“

Linke wirf SPD „Säbelrasseln“ vor

Linken-Chef Marin Schirdewan kritisierte die Äußerungen Barleys scharf; der SPD warf er „Säbelrasseln“ vor. „Die richtige Antwort auf Trumps Unsinn ist nicht atomare Aufrüstung, sondern eine Politik der Deeskalation und zivilen Konfliktlösung“, sagte Schirdewan, der Spitzenkandidat seiner Partei für die Europawahl ist, der Nachrichtenagentur AFP.

„Mehr Atombomben machen die Welt nicht sicherer“, betonte er. „Im Gegenteil, mit allen Atombomben, die es derzeit gibt, kann man die Welt mehr als 150-mal auslöschen.“ Statt über mehr Atombomben nachzudenken, forderte er die SPD-geführte Bundesregierung auf, endlich den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen. (dpa/afp/red)



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