EU-Afrika-Gipfel: Mehr Perspektiven, weniger Migration?
Kanzlerin Angela Merkel und Staats- und Regierungschefs aus Dutzenden anderen Staaten suchen nach Wegen für bessere Lebensperspektiven der Jugend in Afrika.
Beim EU-Afrika-Gipfel in der Wirtschaftsmetropole des westafrikanischen Landes Elfenbeinküste wird über eine verstärkte Zusammenarbeit der Kontinente beraten. Deutschland und die anderen EU-Staaten erhoffen sich auch einen Rückgang der Migration über das Mittelmeer.
Die Interessen sind äußerst unterschiedlich. Ein Überblick:
DEUTSCHLAND UND DIE EUROPÄISCHE UNION: Kanzlerin Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs der EU wollen sich für bessere Bildungschancen für junge Menschen in Afrika einsetzen und mehr Jugendaustausch ermöglichen. Wenn Europa seine Außengrenzen schütze und Schleppern das Handwerk lege, heiße das nicht, dass legaler Austausch nicht gefördert werde, sagt Merkel. Möglich sein sollen Hilfen bei der Berufsausbildung und eine Unterstützung für Universitäten, auch durch Studienmöglichkeiten. Voraussetzung dafür sind Erfolge im Kampf gegen Korruption und die Einhaltung von Menschenrechten. Um mehr private Investitionen anzukurbeln, dürfte Berlin auch den EU-Afrika-Fonds nochmals aufstocken.
Durch bessere Lebensbedingungen in den Herkunftsländern erhofft sich die EU, dass der Migrationsdruck auf Deutschland und Europa aus Afrika abnimmt. Die Kooperation mit Transitländern wie Libyen, von wo aus die meisten Menschen zum gefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Europa starten, spielt aber ebenfalls eine Rolle, ebenso wie eine bessere Kooperation der Herkunftsländer bei der Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern und Wirtschaftsflüchtlingen.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker rief zum Gipfel dazu auf, bei den Hilfen für Afrika nicht zu knausern. „Jeder Euro ist eine Investition in unser aller Zukunft, in Chancen für junge Menschen, in Ernährungssicherheit und ein besseres Grenzmanagement“, sagte der Luxemburger der „Welt“.
AFRIKA: Die Erwartungen Afrikas sind so vielfältig wie die 55 Staaten des Kontinents unterschiedlich sind. Die Anrainer der Sahelzone – Mali, Niger, Tschad, Burkina Faso und Mauretanien – hoffen, dass die Europäer den Löwenanteil ihrer Truppe „G5 Sahel“ finanzieren, die unter anderem den islamistischen Terrorismus bekämpfen soll. Viele der ärmeren Staaten hoffen auf mehr Entwicklungshilfe seitens der Europäer – auch wenn es beim Gipfel offiziell keine Finanzzusagen geben soll. Länder wie Uganda oder Äthiopien, die jüngst Hunderttausende afrikanische Flüchtlinge aufgenommen haben, hoffen ebenfalls auf mehr als Lippenbekenntnisse von den Europäern. Die weiter entwickelten Staaten wie Kenia oder Südafrika indes setzen eher darauf, mehr Geschäfte mit den Europäern zu machen.
DIE NICHTREGIERUNGSORGANISATIONEN:
Keine Abschottung vor Flüchtlingen, keine Deals mit Diktatoren und kein Handel zulasten von Kleinbauern: Hilfsorganisationen fordern eine radikale Abkehr von der bisherigen Politik Europas. Viele der aktuellen Kooperationen dienten nur der Eindämmung der illegalen Migration und der Förderung der europäischen Wirtschaft.
Als Beispiel nennen Hilfsorganisationen wie Brot für die Welt, Medico International und Pro Asyl die EU-Unterstützung für das nordafrikanische Transitland Libyen. Sie steht seit Monaten in der Kritik, weil es immer wieder Berichte darüber gibt, dass an der Flucht nach Europa gehinderte Menschen dort in Lagern vergewaltigt, gefoltert oder sogar getötet werden.
Organisationen wie das katholische Hilfswerk Misereor und das globalisierungskritische Netzwerk Attack kritisieren die derzeitigen Wirtschaftspartnerschaften (EPA) der EU mit Afrika. „Nach wie vor werden afrikanischen Ländern politische Maßnahmen auferlegt, die vor allem im Interesse der EU-Staaten sind und nicht dazu beitragen, den Kontinent aus der sozialen und ökonomischen Krise und aus der Abhängigkeit herauszuführen“, meint Pirmin Spiegel von Misereor. So führten die bestehenden Wirtschaftsabkommen zur Zerstörung lokaler Märkte, weil EU-Importe wie Milchpulver, Tomatenpaste oder Geflügel dort die Produkte von Kleinbauernfamilien verdrängten. (dpa)
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