Essen oder Energie? Der Kampf der Landwirte um das Pachtland

Passives Einkommen ohne großen Arbeitsaufwand – so werben Großinvestoren für den Bau riesiger Solarparks auf Ackerland. Klingt lukrativ. Doch viele Bauern und Landwirte zögern, und das aus gutem Grund.
Der Kampf der Landwirte um das Prachtland
Solarparks neben landwirtschaftlichen Feldern in Deutschland.Foto: iStock
Von 6. Februar 2023

Essen oder Strom? Das fragen sich einige deutsche Bauern. Jetzt, wo der Ausbau der Solarenergie deutlich beschleunigt werden soll, sind große Ackerflächen hoch gefragt. Solar-Investoren winken mit lukrativen Angeboten: Verpachten die Bauern ihre Felder für die nächsten 30 bis 40 Jahre, könnten sie zwischen 1.500 bis 4.000 Euro pro Hektar pro Jahr einnehmen.

Ein festes Einkommen, das oftmals höher ist als die Einnahmen durch die landwirtschaftliche Nutzung, wie etwa den Anbau von Weizen oder Mais. Es entstehen für die Landbesitzer „keine Investitionskosten, kein Aufwand und kein Risiko“, so die wohlklingende Werbung.

Steuerfalle?

Viele Landeigentümer haben hierbei jedoch ein Problem erkannt: Wer seine Äcker für den Bau von Solaranlagen verpachtet, stößt spätestens dann auf steuerliche Probleme, wenn er sein Land weitervererben möchte.

In der Landwirtschaft gilt unter bestimmten Bedingungen eine teilweise oder vollständige Befreiung von der Erbschaftssteuer. Mit den sogenannten „Verschonungsregeln“ möchte der Staat sicherstellen, dass der Hoferbe den landwirtschaftlichen Betrieb langfristig fortführt.

Wird aus dem Ackerfeld nun ein Solarpark, schaut das Finanzamt anders auf die Sache. Das betreffende Grundstück würde dann nicht mehr als landwirtschaftliche, sondern als gewerbliche Fläche gewertet. Die steuerliche Sonderbehandlung gilt in dem Fall nicht mehr. Je nach Region kann es deshalb bei der Hofübergabe richtig teuer werden.

Investoren fordern Gesetzesänderung

Da Pachtverträge über Jahrzehnte laufen, sind Steuerfragen bei Erbschaft und Schenkung für die meisten Landbesitzer hochrelevant. Und so überdenken viele Bauern doch das verlockende Angebot der Energiefirmen. Investoren berichten über „projektgefährdende Hemmnisse“, wie eine interne Umfrage des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft ergab.

Der Verband drängt deshalb auf Änderungen des Bewertungsgesetzes. Das heißt, Solarpark-Flächen sollten nicht mehr als Grundvermögen eingestuft werden, sondern als land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen. Im Auftrag einiger Unternehmen der Solarbranche hatte die Steuerberatungsgesellschaft Ecovis einen entsprechenden Gesetzesvorschlag ausgearbeitet.

Landwirte werden aus der Produktion gedrängt

Derweil blicken viele Landwirte besorgt in die Zukunft. Gerade jene unter ihnen, die kein eigenes Land besitzen oder zusätzliche Flächen pachten müssen. Die immense Nachfrage nach Boden treibt die Pachtpreise seit Jahren nach oben und damit auch die Kosten für die landwirtschaftliche Produktion. Beim Kampf um den wichtigsten Produktionsfaktor für die Landwirtschaft sind Landwirte nur selten die Gewinner. Sie werden von zahlreichen Wettbewerbern auf dem Bodenmarkt letztlich aus der Produktion gedrängt.

Darüber macht sich Landwirt Mario Elwers aus Negernbötel, Schleswig-Holstein, ebenfalls Sorgen. Für den Kartoffelanbau ist er auf große Pachtflächen angewiesen. Diese könnte er aber künftig an die Solarunternehmen verlieren, weil sie viel höhere Pachtpreise anbieten können, erklärte Elwers gegenüber der Epoch Times. „Mit jedem Solarpark verliert die Landwirtschaft Flächen für die landwirtschaftliche Produktion.“

Es sei allerdings ein „zweischneidiges Schwert“. Denn auch die Landwirtschaft braucht viel Energie. Deswegen ist der Landwirt prinzipiell nicht gegen die Produktion von Solarstrom. Er könnte sich beispielsweise schmale Streifen mit Solarmodulen nahe der Autobahn vorstellen.

Das Problem dabei: Solarparks kommen mit zahlreichen Leitungen, Transformatoren und Übergangsstationen, die alle zusätzlich gebaut und betrieben werden müssen. Für die Energieunternehmen sei das Geschäft nur dann lukrativ, wenn sie die Solarmodule großflächig und dicht bei dicht nebeneinander bauen würden. Zum Schluss sehe die Landschaft aus wie ein „Industriepark“.

Gemeinde verlieren Mitspracherecht

In puncto Naturschutz hat Elwers große Bedenken. Die Fotovoltaikanlagen werden in der Regel eingezäunt, was den Bewegungs- und Lebensraum vieler Wildtiere massiv einschränkt. Das Gras wird möglichst kurz gemäht, Büsche und Sträucher entfernt, damit sie nicht in die Solarmodule hineinwachsen.

Fraglich bleibt zudem, ob der Boden nach der Pachtdauer überhaupt noch landwirtschaftlich genutzt werden kann. Laut Einschätzung des Kartoffelbauers wird das Land in jedem Fall „verarmen“, was den Nährstoffen anbelangt. Und ob die Fläche später weiterhin den Ackerstatus behält, sei auch ungewiss. Unter Umständen wird sie zum Brachland.

Ihre schöne Landschaft und Heimat wollen die Landwirte in Negernbötel im Kreis Segeberg nicht verlieren. In der Frage, ob das Ackerland für den Bau von Solarparks gepachtet werden darf, hat seine Gemeinde jedoch an Mitspracherecht verloren.

Bundesfinanzminister Robert Habeck hat eine Änderung des Baugesetzbuchs initiiert, die seit Februar in Kraft ist. Seitdem sind Photovoltaik-Freiflächenanlagen unter bestimmten Bedingungen privilegiert. Das heißt, Solaranlagen können ohne Zustimmung der Kommune und Gemeinden gebaut werden, wenn sie auf einer 200 Meter breiten Fläche entlang der Autobahnen und Bahnschienen liegen. „Man hat uns die freie Entscheidung genommen“, sagte Elwers.



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