Esken und Walter-Borjans gegen raschen GroKo-Austritt – Lange warnt vor zu großen Kompromissen
Die neue SPD-Führung um die designierten Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans strebt keinen raschen Austritt aus der Großen Koalition mehr an, verlangt von der Union aber Zugeständnisse beim Klimaschutz und Zukunftsinvestitionen des Bundes.
„Wir wollen einen sozial gerechten und wirksamen CO2-Preis in Verbindung mit einem umfassenden breit wirksamen sozialen Ausgleich. Die derzeitigen Maßnahmen müssen dazu weiterentwickelt werden“, heißt es in einem Entwurf des Leitantrages der SPD-Spitze für den am Freitag beginnenden Parteitag, über den die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochsausgaben) berichten.
Pro-Kopf-Klimaprämie
Erfolg der SPD sei es gewesen, mit einem Klimaschutzgesetz einen Überprüfungs- und Kontrollmechanismus durchgesetzt zu haben. „Dennoch sind die dort erzielten Erfolge angesichts des immensen Handlungsdrucks noch nicht ausreichend“, heißt es in dem Papier weiter.
Darin gehen die designierten Vorsitzenden aber deutlich auf Distanz zu den Ergebnissen, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer mit der Union vereinbart hatten: „Bei der Ausgestaltung des CO2-Preises haben wir eine Steuerlösung in Verbindung mit einer Pro-Kopf-Klimaprämie favorisiert. Das haben wir nicht durchgesetzt. Der Kompromiss ist ein CO2-Zertifikatehandelssystem, das aber aufgrund eines Fixpreises bis 2025 wie eine Steuer wirkt. Die soziale Kompensation über die Pendlerpauschale erreicht nur einen Teil der Betroffenen und ist unzulänglich“, heißt es in dem Entwurf.
Der Bundesrat hatte das vom Bundestag bereits beschlossene Klimapaket aufgehalten. Im Vermittlungsausschuss finden nun Verhandlungen zwischen Bund und Ländern statt.
Anhebung des CO2-Einstiegspreises
Im Gespräch sei, den CO2-Einstiegspreis von bisher 10 Euro auf 25 Euro pro Tonne anzuheben, berichten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe unter Berufung auf eigene Informationen. Ein rascher Austritt der SPD ist nach den Beratungen von Esken und Walter-Borjans mit den Bundesministern, Ministerpräsidenten und der Bundestagsfraktion vom Tisch.
„Weder der Verbleib in einer Koalition noch der Austritt aus ihr sind ein Selbstzweck. Für uns steht nicht die Frage im Vordergrund, ob wir die Koalition weiterführen oder beenden. Entscheidend ist, ob wir jetzt mit CDU und CSU die Weichen richtig stellen können – oder eben nicht“, heißt es in dem Entwurf des Leitantrages der SPD-Spitze für den Parteitag.
SPD-Vorstand entscheidet nach Gesprächen mit Union
In den kommenden Wochen und Monaten soll die Parteiführung gemeinsam mit Ministern und Fraktion im Koalitionsausschuss mit der Unionsspitze ausloten, welche zusätzlichen Maßnahmen die Große Koalition bis 2021 ergreifen kann.
Nach den Gesprächen mit CDU und CSU soll der SPD-Vorstand entscheiden, ob die Ergebnisse ausreichen, um die Regierung fortzusetzen.
Investitionen
In der Finanzpolitik fordert die künftige SPD-Führung höhere Investitionen, um auf die Konjunkturflaute und die Nöte der Kommunen zu reagieren:
Die SPD sehe in den kommenden zehn Jahren einen zusätzlichen Investitionsbedarf von 450 Milliarden Euro bei Bund, Ländern und Kommunen, heißt es in dem Entwurf, über den die Zeitungen der Funke-Mediengruppe berichten. Es sei unrealistisch, diese Investitionen allein durch Umschichtung in den bestehenden Haushalten zu finanzieren.
Der Staat dürfe nicht nur nach Kassenlage investieren. „In diesem Sinne dürfen stetige Investitionen nicht an dogmatischen Positionen wie Schäubles schwarzer Null scheitern“, heißt es in dem Papier weiter.
Scholz, der Verfechter der schwarzen Null
Scholz, der Borjans und Esken in der Stichwahl um den Parteivorsitz unterlegen war, hat bislang die von seinem Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) geerbte schwarze Null stets verteidigt. Die derzeit gewählte Formulierung könnte aber dafür sorgen, dass Scholz gesichtswahrend den Parteitag übersteht, berichten die Zeitungen weiter.
Eine Aufweichung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse für Bund und Ländern finde sich aktuell nicht in den Vorstellungen der SPD-Führung.
Auch in der Europapolitik wolle sich die künftige SPD-Spitze vom Parteitag Rückendeckung holen. „Es ist uns noch nicht gelungen, das Europa-Kapitel des Koalitionsvertrags mit Leben zu füllen“, heißt es in dem Entwurf.
Auf die Vorschläge von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geschwiegen, „anstatt den Ball aufzunehmen und offensiv für den im Koalitionsvertrag geforderten `Aufbruch für Europa` zu streiten.
Auf den Feldern Investitionen, soziale Standards, Steuerharmonisierung und Finanztransaktionssteuer gibt es teilweise fruchtbare Ansätze, aber immer wieder hat der Koalitionspartner blockiert und verzögert“, heißt es in dem Entwurf des Leitantrages der SPD-Spitze, über den die Zeitungen der Funke-Mediengruppe berichten.
Lange warnt vor zu großen Kompromissen
Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) warnt die designierten Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans vor zu großen Kompromissen.
„Ich erwarte von der neuen Parteispitze, dass sie ihre Vorstellungen konkretisiert und uns Mitgliedern Orientierung gibt“, sagte Lange der „Welt“ (Mittwochsausgabe).
Den Mitgliedern sei wichtig, „dass wir Investitionen in viel größerem Maße als bislang tätigen. Auch beim Mindestlohn müssen wir endlich handeln.
Die SPD fordert sei Langem eine Erhöhung. Nun muss es darum gehen, diese Forderung auch umzusetzen“, so die Flensburger Oberbürgermeisterin weiter.
Auch beim Thema Klimaschutz müsse die Partei „viel größere Antworten“ geben als bisher. „Wenn wir das ernst nehmen, muss auch das Klimapaket nachverhandelt werden“, so die SPD-Politikerin.
Sollte das mit der Union nicht machbar sein, dürfe die neue Parteispitze einen Bruch mit der Union nicht scheuen. „Vor Neuwahlen sollten wir nie Angst haben, wir sollten sie als Chance begreifen, in einer anderen Koalition regieren zu können“, sagte Lange der „Welt“.
Die Flensburger Oberbürgermeisterin hatte sich ebenfalls um den Parteivorsitz beworben, gab die Kandidatur aber zugunsten von Walter-Borjans und Esken auf. (dts/nh)
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