„Es ist fünf vor zwölf“: Wie Bundesligaclubs Aktionen „gegen Rechts“ unterstützen

Die Bewegung „gegen Rechts“ geht auch am Profifußball nicht vorbei. Ein Trainer findet deutliche Worte.
Titelbild
Ein Transparent mit der Aufschrift „Ob auf der Straße oder im Stadion, kein Platz für Rechtsextreme“ während des Fußballspiels der ersten Bundesliga zwischen RB Leipzig und Bayer Leverkusen am 20. Januar 2024 in Leipzig.Foto: Ronny Hartmann/AFP via Getty Images
Epoch Times21. Januar 2024

Dass es beim Fußball nicht nur um Tore geht, zeigt eine breite Aktion gegen Rechtsextremismus. Christian Streich, Trainer des SC Freiburg, der seit Jahren mahnende Worte für gesellschaftspolitische Entwicklungen findet, demonstrierte in dieser Woche in seiner Heimatstadt gemeinsam mit Tausenden. Wie selten zuvor riefen etliche Vereine der Fußball-Bundesligen dazu auf, im Wahljahr 2024 für demokratische Werte einzustehen.

„Wer jetzt nicht aufsteht, der hat nichts verstanden. […] Es ist fünf vor zwölf“, sagte Streich am 18. Januar. „Jeder in diesem Land ist dazu aufgerufen, im Familienkreis, in der Arbeit oder sonst wo sich ganz klar zu positionieren.“

In Leipzig warnte Streichs Trainerkollege Marco Rose: „Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass man gegen Dummheit und Rechtsextremismus in jeder Form aufsteht. Ich finde es gut, dass die Leute das auch machen, dass sie klar Flagge zeigen und auf die Straße gehen.“

Ein Treffen mit Nachspiel

Hintergrund der aktuellen Diskussionen um Demokratie und Rechtsextremismus ist ein von „Correctiv“ publik gemachtes privates Treffen in einer Potsdamer Villa am 25. November. Gesprochen hat dort auch Martin Sellner, der frühere Kopf der als vom Verfassungsschutz rechtsextrem eingestuften Identitären Bewegung in Österreich. Auf dem Treffen sei es vor allem um die Abschiebung von Millionen Migranten gegangen, auch solche mit deutschem Pass. Das ZDF berichtete von „rechtsextremen Netzwerken“, die „völkische Visionen“ hätten.

Einer der Anwesenden war Roland Hartwig, persönlicher Referent von AfD-Bundessprecherin Alice Weidel. Diese beendete die Zusammenarbeit am 15. Januar, wenige Tage nachdem der „Correctiv“-Bericht veröffentlicht wurde.

Die AfD distanzierte sich von den Inhalten des Treffens. „Es gab weder eine organisatorische noch eine finanzielle Verbindung zur Alternative für Deutschland“, heißt es in einer AfD-Pressemitteilung. Die dort offenbar auch anwesenden AfD-Mitglieder hätten als Privatpersonen teilgenommen, „keiner der Betreffenden konnte daher für unsere Partei sprechen“.

Auch für Ulrich Siegmund, AfD-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Sachsen-Anhalt, wird das Treffen voraussichtlich Konsequenzen haben. Nach Informationen des MDR hatten SPD, Linke und Grüne im Landtag „erklärt, dass sie Siegmund für untragbar als Vorsitzenden des [Sozial-]Ausschusses halten“. Der sachsen-anhaltinische CDU-Fraktionschef Guido Heuer bestätigte, dass ein Abwahlantrag innerhalb der Koalitionsfraktionen vorbereitet werden soll.

Der Profifußball mobilisiert – in allen Gesellschaftsbereichen

„Nie Wieder ist jetzt! Kommt alle rum“, warb der FSV Mainz 05 für eine Versammlung gegen Rechts am 18. Januar auf dem Mainzer Hauptbahnhof ein. Mit dem Heimspiel am 19. Januar startete der Verein zudem „die Mainzer Erinnerungswochen“ mit dem Schwerpunkt Antisemitismus:

Ein Foto der Veranstaltung zeigt rege Beteiligung. Nach Medienberichten wurde die Anzahl der Teilnehmer auf 5.000 geschätzt.

Demo in Hamburg abgebrochen

In Hamburg mobilisierte unter anderem der Zweitligist FC St. Pauli zu der Veranstaltung „Hamburg steht auf“ am 18. Januar. Per Rundschreiben forderte er seine Mitglieder auf, auf den Rathausmarkt zu gehen. Auch ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen, Wirtschaftsverbänden, Parteien und Vereinen sowie Prominente hatten zu der Demo aufgerufen, darunter Panikrocker Udo Lindenberg und BAP-Sänger Wolfgang Niedecken.

Wie die „Bild“ später berichtete, musste die Demonstration abgebrochen werden. Denn es kamen viel mehr Menschen als erwartet.

Bezüglich genauer Zahlen weichen die Berichterstattungen ab. Laut „Bild“ waren 10.000 angemeldet, das ZDF sprach von 2.000. Tatsächlich erschienen laut Veranstalter rund 80.000, so die „Bild“ weiter. Das ZDF hingegen gab mit Verweis auf die Organisatoren 80.000 bis 100.000 Teilnehmer an. In beiden Berichten ging die Polizei von 50.000 Teilnehmern aus. Wie auf Fotos deutlich zu erkennen ist, marschierten auch ein Block mit palästinensischen Fahnen sowie Anhänger der Antifa mit.

Am 19. Januar 2024 versammelten sich 80.000 Menschen in der Hamburger Innenstadt zu einer friedlichen Demonstration. Foto: Milad J. Panah/Middle East Images/AFP/Getty Images

Der FC St. Pauli hat noch weitere Aktionen „gegen Rechts“ geplant. Für den 27. Januar organisiert der Verein anlässlich des Holocaust-Gedenktages eine Gedenkveranstaltung und einen Tag später ein Podiumsgespräch „Antisemitismus heute (im Sport)“.

Ab dem 1. Februar kann man sich für den von der Marathonabteilung organisierten „Lauf gegen Rechts“ anmelden. Auch die Fans machen mobil. Für den 3. Februar haben die „Ultra Sankt Pauli“ nach dem Heimspiel gegen Fürth zu einer Demonstration unter dem Motto „St. Pauli-Fans gegen Rechts“ aufgerufen.

Zweitligist Schalke 04 kündigte ähnlich wie der FC St. Pauli für die kommenden zwei Wochen etliche Aktionstage für Vielfalt und Toleranz an, um damit ein deutliches Zeichen gegen Hass und Hetze zu setzen. „Es ist für uns von großer Bedeutung, gerade in den aktuellen Zeiten, als Schalker aufzustehen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Matthias Tillmann.

30.000 Demonstranten in Köln

Am Mittwoch, 17. Januar, hatte Abwehrspieler Timo Hübers vom 1. FC Köln eine Demonstration gegen Rechts in der Stadt des Bundesligisten gelobt und sich damit klar positioniert.

„Was auf jeden Fall eine überragende Aktion war, war die Aktion gestern Abend am Heumarkt“, sagte der Abwehrspieler in einem vom Verein geteilten Video von der Versammlung in der Kölner Stadtmitte.

Menschen demonstrieren am 16. Januar 2024 in Köln gegen Rechtsextremismus und die AfD. Foto: Ina Fassbender/AFP via Getty Images

Statt erwarteter 1.000 Teilnehmer folgten laut Polizei bis zu 30.000 dem Aufruf der Gruppe „Spontanes Bündnis gegen Rassismus“.

Hoeneß will AfD „nicht dabeihaben“

Im Rahmen der Gedenkfeier für Franz Beckenbauer warb Uli Hoeneß, Ehrenpräsident des FC Bayern München, für eine Ablehnung der AfD. Er erinnerte an die Bemühungen des Verstorbenen rund um die Fußball-WM 2006 in Deutschland. Beckenbauer habe dazu beigetragen, „dass viele ausländische Mitbürger einen anderen Blick auf unser Land bekommen haben“.

„Wie offen, wie freundlich unser Land sein kann, hat die WM 2006 eindrucksvoll bewiesen“, so Hoeneß weiter. Hunderttausende seien 2006 mit der schwarz-rot-goldenen Fahne durch die Straßen gefahren, „weil sie stolz waren auf unser Land“. Man müsse wieder dahinkommen, „dass alle stolz sind“, forderte Hoeneß und fügte hinzu:

Aber ich möchte deutlich betonen, dass ich bei diesem Prozess die AfD nicht dabeihaben möchte.“

Die Deutsche Fußball Liga verwies auf Medienanfrage auf ihre Satzung, laut der sich die DFL „der hohen sozialen und gesellschaftspolitischen Bedeutung des Fußballsports bewusst“ sei.

Der VfB Stuttgart teilte mit, völlig unabhängig von möglichen Parteiverbotsverfahren „für unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft, für ein friedliches Miteinander und für Weltoffenheit“ zu stehen.

Hoffenheims Trainer Pellegrino Matarazzo äußerte sich zurückhaltend. „Vielleicht möchte der eine oder andere Trainer den Fokus auf den Sport beibehalten“, warf der US-Amerikaner ein. Er persönlich sei noch nicht bereit gewesen, „mich in allen möglichen Themen aufzumachen. Vielleicht gibt’s den Zeitpunkt, wo ich sage: Jetzt ist der Moment, wo ich die Gesellschaft auch mit meiner Meinung beeinflussen möchte.“ Streich sei schon „ein paar Jahre mehr dabei“.

„Rechtsradikale Kreise“ vom Fußball angezogen

Die Aufrufe im Fußball kommentierte Sportphilosoph Gunter Gebauer gegenüber dpa: „Es hat einen erheblichen Wert, weil rechtsradikale Kreise auch vom Bundesliga-Fußball angezogen werden.“

„Und wenn ihnen da eine konträre Meinung, die fest und überzeugend vorgetragen wird, entgegenschlägt, wird es sie auch beeindrucken“, so Gebauer weiter. Das würde zwar nicht heißen, dass sie ihre Meinung ändern, „aber es wird ihnen bestimmt ein gewisses Maß an Sicherheit nehmen“.

Ganz neu sei das Engagement im Fußball nicht. Hinzugekommen sei aber, „dass in breiterer Form und stärker die Vereine und Mannschaften dazu bereit sind, mitzuwirken“, sagte Gebauer, der als Ursache dafür eine zunehmende Gefährdung der Demokratie sieht.

Außerdem seien in Bundesligavereinen viele ausländische Profis engagiert. „Die schließen den Kreis um ihre ausländischen Spieler“, äußert Gebauer. Da schwinge auch eine gewisse Sorge um sie mit. (dpa/red/sua)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion