Erweiterung des Tagebaus Nochten: LEAG darf privates Waldgrundstück enteignen

Der Freistaat Sachsen hat die Erweiterung des Tagebaus Nochten gegen den Willen von Umweltschützern und Anwohnern genehmigt. Die LEAG darf nun ein Waldstück abbaggern, um an wertvolle Kohlevorkommen zu gelangen. Die juristische Auseinandersetzung dürfte noch nicht zu Ende sein.
Titelbild
Das Kraftwerk Boxberg in der Lausitz bezieht seine Braunkohle aus dem Tagebau Nochten. Auf dem Bergbaufolgeland wurde 2003 der Findlingspark Nochten errichtet.Foto: iStock/Jens Teichmann
Von 1. November 2024

Mit einer sogenannten bergrechtlichen Grundabtretung hat der Freistaat Sachsen am Mittwoch, 30. Oktober, im Streit um die Erweiterung des Tagebaus Nochten vorerst vollendete Tatsachen geschaffen. Damit soll es dem Energiekonzern LEAG ermöglicht werden, ein privates Waldgrundstück bei Rohne abzubaggern. Das Unternehmen hatte dieses Vorgehen zuvor beantragt.

Rechtskräftig ist der Bescheid noch nicht. Die Umweltgruppe Cottbus im Netzwerk der Grünen Liga Sachsen will nun rechtliche Schritte gegen die Entscheidung prüfen. Dies berichtete der MDR.

LEAG will im Tagebau Nochten 23,8 Millionen Tonnen Kohle fördern

Der Braunkohletagebau in Nochten besteht seit 1960. Spätestens 2038 soll er gemäß den Vorgaben des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes enden. Im Laufe der Jahre ist die Anlage ausgeweitet worden. Mittlerweile teilt sie den dortigen Truppenübungsplatz und umfasst ein Gesamtareal von 2.900 Hektar. Die jährliche Fördermenge des sogenannten Kraftwerks Boxberg betrug zuletzt 13,5 Tonnen.

Von der Enteignung betroffen wäre eine bewaldete Fläche, die bereits jetzt von einem 5.000 Quadratmeter großen Grundstück im Eigentum der LEAG umgeben ist. Der Eigentümer des Waldgrundstücks hatte sich jedoch nicht zu einer Veräußerung bereit erklärt. Stattdessen verpachtete er es 2019 an die Umweltschützer der Grünen Liga.

Die LEAG hat zwei Jahre später die Grundabtretung beantragt. Sie sieht den Zugriff auf die umstrittene Fläche als erforderlich, um 23,8 Millionen Tonnen Kohle zu fördern. Derzeit liegt deren Preis bei mehr als 100 Euro pro Tonne. Außerdem hänge die Versorgung der Kraftwerke Boxberg und Schwarze Pumpe davon ab. Allein das Kraftwerk Boxberg weist aktuellen Berechnungen zufolge eine installierte Leistung von 2.575 Megawatt auf und könnte damit bis zu 4 Millionen Haushalte mit Strom versorgen.

Sympathie für Grüne Liga in den Dörfern – dort fürchtet man, selbst abgebaggert zu werden

In den Dörfern Rohne und Mulkwitz gibt es eine gewisse Sympathie für den Widerstand des Grundeigentümers und der Grünen Liga. Diese liegt nicht zwingend in einer grundsätzlichen Zustimmung zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern begründet.

Die Dorfbewohner sind aber davon überzeugt, dass es beim Abbaggern des Waldgrundstücks 150 Meter vor ihrer Haustür nicht bleiben werde. Die LEAG soll berechnet haben, dass unter den Dörfern selbst noch Kohle im Wert von etwa 2,5 Milliarden Euro lagern könnte. Ein solches Vorkommen kann Begehrlichkeiten wecken. Am Ende könnten beide Dörfer zu den letzten Opfern des Kohletagebaus vor dem anvisierten deutschen Ausstieg in 14 Jahren werden.

René Schuster von der Grünen Liga räumt gegenüber dem MDR ein, dass es nicht nur um die befürchtete Staub- und Lärmbelastung gehe. Das Waldstück habe tatsächlich eine strategische Bedeutung. Es liege so, dass es eine Ausweitung des Tagebaus in Richtung der Dörfer blockiere:

„Wenn der Tagebau das Grundstück nicht in Anspruch nehmen kann, muss auch der ganze Tagebau einen größeren Abstand zu den Dörfern Rohne und Mulkwitz halten.“

Umwelt-Netzwerk will Bescheid analysieren und behält sich Klage vor

Die Grüne Liga spricht auf ihrer Website davon, dass der Bescheid des Freistaates ein falsches Signal im Vorfeld des bevorstehenden Weltklimagipfels vom 11. bis 24.11. in Baku aussende. Dies sei „mit den Klimaschutzzielen absolut unvereinbar und schadet so auch Deutschlands Glaubwürdigkeit in der Welt“.

Man werde nun „in den nächsten Tagen den 168-seitigen Bescheid analysieren und sehr wahrscheinlich dagegen vor Gericht gehen“. Die Vereinigung verweist auch auf das Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts und die auf dessen Grundlage weiter verschärften Klimaziele.

Die LEAG hält diese Argumentation für nicht stichhaltig. Eine gesetzliche Konkretisierung des Urteils mit Blick auf den Abbau und die Verstromung von Kohle sei nicht erfolgt.

Welche Grundlage hat das Vorgehen des Freistaats rund um den Tagebau Nochten?

Wie der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages informiert, ist die Grundabtretung ein Instrument des Bergrechts. Geregelt ist es in den §§ 77 bis 106 BbergG – zuständig für dessen Vollzug vor Ort ist das Sächsische Oberbergamt.

Die Grundabtretung kommt in Betracht, wenn eine Inanspruchnahme eines Grundstücks für den berechtigten Bergbau notwendig ist. Zuvor muss der ernsthafte und vergebliche Versuch unternommen worden sein, sich beim Eigentümer um einen „freihändigen Erwerb“ zu angemessenen Bedingungen zu bemühen. Eine Grundabtretung bedeute nicht zwingend eine Übertragung des Eigentums, könne diese jedoch umfassen.

Das Netzwerk Grüne Liga wurde in der Endphase der DDR als „Netzwerk ökologischer Bewegungen“ gegründet. Ihre Wurzeln liegen in der kirchlichen Umweltbewegung und den Ökologiegruppen innerhalb des Kulturbundes im sozialistischen deutschen Teilstaat. Zu den prominentesten Gründern und Funktionären gehörten der frühere brandenburgische Ministerpräsident und SPD-Chef Matthias Platzeck und der heutige sächsische AfD-Landesvorsitzende Jörg Urban.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion