Erste Planungen zum Wasserstoff-Kernnetz veröffentlicht

Bund und Länder treiben den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland weiter voran. Nun wurde ein erster Planungsstand samt Übersicht zu dem geplanten Wasserstoff-Kernnetz veröffentlicht.
Titelbild
Die OGE-Verdichterstation in Werne ist der zentrale Knotenpunkt im deutschen Erdgasnetz.Foto: Ina Fassbender/AFP via Getty Images
Von 19. Juli 2023

Seit 2020 erarbeiten die Fernleitungsnetzbetreiber, kurz FNB Gas, das deutsche Wasserstoff-Kernnetz, welches bis 2032 umgesetzt werden soll und damit die bundesweite Wasserstoffinfrastruktur der nächsten Jahrzehnte festlegt. FNB Gas ist der Zusammenschluss der überregionalen Gastransportunternehmen in Deutschland.

Nun wurde ein erster aktueller Planungsstand zum Wasserstoffnetz veröffentlicht. Er umfasst Leitungen quer durch Deutschland mit einer Länge von rund 11.200 km. Wobei FNB Gas davon ausgeht, dass das Wasserstoff-Kernnetz nach der Optimierung kleiner ausfallen wird.

Berücksichtigt wurden im jetzigen Szenario für das Wasserstoff-Kernnetz insgesamt 309 einzelne Wasserstoffprojekte:

Die Grafik zeigt den aktuellen Planungsstand (12.07.2023) des deutschen Wasserstof-Kernnetzes. Foto: Grafik von FNB Gas Website

101 Gigawatt Einspeiseleistung

Die Einspeiseleistungen für Wasserstoff betragen in der Summe 101 Gigawatt. Als sonstige Einspeisungen sind insbesondere Importe über Schiffsterminals zu verstehen, an denen Wasserstoff, der in einer anderen Form – wie etwa LOHC oder Ammoniak – transportiert und als Gas in das Wasserstoffnetz eingespeist werden sollen. Über das Kernnetz können 87 Gigawatt Ausspeiseleistung zur Wasserstoffversorgung zur Verfügung gestellt werden.

In der Karte bereits eingezeichnet ist die geplante Neubauleitung zum LNG-Terminal im Hafen Mukran (Rügen). Auch sind die Einspeise- und Ausspeisegebiete ausgewiesen. Das heißt, Gebiete, wo Wasserstoff voraussichtlich produziert oder importiert wird, sind grün markiert und Gebiete mit viel Industrie und Verbrauchern sind rot eingefärbt.

Auf Basis des veröffentlichten Planungsstandes haben Betreiber von bisherigen Verteilernetzen gemäß dem Energiewirtschaftsgesetz bis zum 28. Juli die Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen und weitere Wasserstoffinfrastrukturen für das Wasserstoff-Kernnetz zu melden.

Im Anschluss werden die Leitungsinfrastrukturen auf ihre Verwendung bei der Planung des Wasserstoff-Kernnetzes durch die Fernleitungsnetzbetreiber geprüft und im Rahmen der finalen Modellierung berücksichtigt. Dazu müssen sie die gesetzlichen und technischen Voraussetzungen für eine Integration in das Wasserstoff-Kernnetz erfüllen und die Infrastruktur für die Transportanforderungen – falls erforderlich – ausgelegt sein.

Verbraucher und zentrale Wasserstoffquellen verbinden

Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) sieht vor, dass die zentralen Wasserstoffquellen (Erzeugung und Import) mit den wesentlichen Verbrauchsschwerpunkten sowie Wasserstoffspeichern über ein deutschlandweites Wasserstoff-Kernnetz verbunden werden.

Als Grundlage wurde hierfür unter der Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums und der Bundesnetzagentur ein Wasserstoffnetz-Modell entwickelt und mit dem FNB Gas abgestimmt. Auf Basis des aktuellen Standes gibt das Wirtschaftsministerium Ländern, Verbänden und sonstigen Entscheidern ebenfalls bis zum 28. Juli Zeit zur Stellungnahme.

Ost-West-Verbindung Rostock-Lubmin in Planungsstand aufgenommen

„Mit dem veröffentlichten Planungsstand haben wir nun den ersten Aufschlag für die zukünftige landes- und bundesweite Wasserstoffinfrastruktur. Die von unserem Land vorgeschlagenen Nord-Süd-Stränge wurden berechtigterweise aufgenommen“, zeigt sich der mecklenburg-vorpommerische Minister für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit, Reinhard Meyer, erfreut.

Diese würden sicherstellen, dass der in Mecklenburg-Vorpommern importierte und produzierte Wasserstoff abtransportiert werden könne. Positiv sieht er auch, dass die von seinem Land ebenfalls vorgeschlagene Ost-West-Verbindung Rostock-Lubmin in den Planungsstand aufgenommen wurde.

„Die Verbindung zweier wesentlicher Import- und Produktionsstandorte schafft Versorgungssicherheit und gleichzeitig die Möglichkeit für den Anschluss eines potenziellen Verteilnetzes für Wasserstoff, welches das Ansiedlungspotenzial von Unternehmen wesentlich erhöht. Aus Sicht des Landes muss zudem das Ziel sein, selbst möglichst viel Wasserstoff zu nutzen“, so Meyer weiter.

Meck-Pomm wünscht sich Südverbindung bis Niedersachsen

„Abzuwarten bleibt, ob die ebenfalls von MV vorgeschlagene weitere Ost-West-Verbindung aufgenommen wird. Eine weitere Verbindung im Süden des Landes ist nicht nur für unser Land wichtig, sondern würde ebenfalls die Versorgungssicherheit nach Westen (Bremen/Niedersachsen) garantieren“, führt der Wirtschafts- und Infrastrukturminister weiter aus.

Grundlage für die Wasserstoffnetzplanung sollten nicht allein die bisherigen Energiebedarfe sein, sondern die in Zukunft zu erwartenden Bedarfe, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium weiter.

Der Landesregierung ist wichtig, dass man die Erzeugungs- und Importbundesländer nicht nur als „Durchreicher“ des grünen Wasserstoffs sieht, sondern ihnen auch vereinfacht eigene Ausspeisepunkte eingesteht, um ihren Wasserstoffbedarf selbst decken zu können.

Dabei hofft man, dass künftige Ansiedlungen bei der Bedarfsplanung bereits berücksichtigt werden. Die Anbindung der mecklenburg-vorpommerischen Seehäfen an das Kernnetz ist Schwerin ebenfalls wichtig, da durch die hohe regionale Nachfrage nach Energie durch die dort bereits angesiedelte Industrie gut versorgt wird.

Große Herausforderungen zur Umsetzung

Was bedeutet die Wasserstoffnetzplanung für Verbraucher oder für ihre Heizungen? Nicht kommuniziert wird, dass – wenn an einem bestimmten Tag von Erdgas auf Wasserstoff oder zuerst auf eine Mischung umgestellt wird – alle betroffenen Leitungen und alle angeschlossenen Haushalte mit ihren Geräten dafür bereit sein müssen, Wasserstoff zu transportieren und zu nutzen. Das sehen Experten wie Frank Hettler von Zukunft Altbau als kaum umsetzbar an.

Die Effizienz der Nutzung von Wasserstoff in dezentralen Gasbrennwertheizungen ist gering. Hettler: „Der Einsatz von Wasserstoff erfordert ein Vielfaches an grünem Strom im Vergleich zu einer elektrisch angetriebenen Wärmepumpe.“ Um eine Kilowattstunde Wärme aus Wasserstoff zu erzeugen, müssten rund sechsmal mehr Windenergie- und Photovoltaikanlagen errichtet werden, als wenn der Strom direkt eine Wärmepumpe antreibt.

„Volkswirtschaftlich ist das ein Unding.“ Daher werde Wasserstoff für das Beheizen von Gebäuden weniger eine Rolle spielen – im industriellen Maßstab hingegen schon.



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