Erschossener Flüchtling in Fulda: Landrat kritisiert Verharmlosung des Angriffs – 12 Schüsse aus Dienstwaffe

Ein 19-jähriger Afghane randalierte frühmorgens vor einer Bäckerei in Fulda, verletzte Mitarbeiter und einen Lieferfahrer. Auch die ankommende Polizei griff er mit Steinen an. Als er den Beamten einen Schlagstock abnahm und einsetzte, zog einer der Polizisten seine Waffe und schoss ... zwölf Mal.
Von 18. April 2018

Nach der Attacke eines 19-jährigen Afghanen auf Angestellte einer Bäckerei und den Fahrer eines Lieferwagens wurde dieser von der Polizei erschossen. Der Vorfall ereignete sich am frühen Freitagmorgen des 13. April gegen 4.20 Uhr. Der Fahrer kam mit einer Kopfverletzung durch Steinwurf ins Krankenhaus, konnte jedoch am Montag wieder entlassen werden.

Als die Polizei am Tatort eintraf, griff der Asylbewerber aus einer nahen Flüchtlingsunterkunft die Beamten sofort mit Steinen an. In einem Handgemenge gelang es ihm, einen Schlagstock von der Streife zu erbeuten und einzusetzen. Daraufhin zog einer der Polizisten die Dienstwaffe.

12/15 Schüsse: vier Personentreffer, zwei davon tödlich

Wie die Staatsanwaltschaft Fulda nun mitteilte, ergaben die Ermittlungen, dass insgesamt zwölf Mal geschossen wurde. Wie viele der Schüsse aus dem Magazin mit 15 Patronen davon Warnschüsse waren, ist noch unklar. Vier der Kugeln aus der Dienstwaffe des Polizisten trafen jedoch den randalierenden Flüchtling, zwei davon, in Brust und Bauch, seien laut Obduktion tödlich gewesen. Die anderen beiden Kugeln trafen den 19-Jährigen im Körperbereich und in den Oberschenkel.

Dies erklärte der Fuldaer Staatsanwalt Harry Wilke auf Anfrage, berichtet die „Berliner Morgenpost“ nach DPA-Angaben.

Der 19-Jährige war den Behörden unter anderem wegen Körperverletzung gegenüber Mitbewohnern des Flüchtlingsheims bekannt. Diesen habe er auch mit einem Messer den Tod angedroht. Zudem war er wegen psychischer Probleme in Behandlung.

Flüchtlingsdemo und Ausländerbeirat

Am Sonntag zogen rund 70 Personen in einem friedlich verlaufenen Protestzug vom Münsterfeld in die Innenstadt. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Flüchtlinge, die nun die Bestrafung der Polizisten forderten. Abdulkerim Demir von der Internationalen Sozialdemokratischen Liste und Vorsitzender des Ausländerbeirates Fulda sagte, dass der Polizeieinsatz unangemessen eskaliert sei. Er stellte den 19-Jährigen als Polizeiopfer dar, das nur „zwei Brötchen kaufen“ wollte, berichtet „Fulda aktuell“. 

Demzufolge erklärte Demir, der von der afghanischen Community nach seinen Aussagen angerufen und um Hilfe gebeten wurde, dass der 19-Jährige „keine Menschen verletzt“ habe. Auch die Bäckerei habe am Freitag bekannt gegeben, dass es den Mitarbeitern gut gehe. Laut Demir sei der junge Mann auch sehr viel kleiner gewesen, als der Lieferfahrer, der laut Demir auch keine schweren Verletzungen erlitten habe.

Die afghanische Gemeinschaft in Fulda und ich fordern, dass alle an dem Vorfall beteiligten Polizisten suspendiert werden.“

(Abdulkerim Demir, Vorsitzender Ausländerbeirat Fulda)

Außerdem fordert Demir noch, dass der schießende Polizist inhaftiert werden müsse. Man wolle nur Gerechtigkeit.

Kritik an Verharmlosung des Angriffs

„Fakt ist allerdings, dass der 19-Jährige massiv gewalttätig nicht nur gegenüber der Polizei, sondern auch gegenüber der Bäckereiangestellten vorging“, so Staatsanwaltschaftssprecher Harry Wilke laut „Focus“.

Fuldas Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld (CDU) rief zur Sachlichkeit auf. Der Rathauschef kritisierte Demirs Äußerungen vom Wochenende, und dass dieser offenbar bewusst in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt habe, in seiner Funktion als Vorsitzender des Ausländerbeirats der Stadt Fulda zu sprechen und forderte Demir auf, seine nicht von Ermittlungen gestützten“ Anschuldigungen gegen die eingesetzten Beamten distanziert“ oder zumindest klarstelle, dass er sich als Privatperson geäußert habe.

Auch sei es nicht akzeptabel, dass er einerseits das Verhalten des 19-Jährigen verharmlose und andererseits eine Demonstration unterstütze, die pauschal eine drastische Bestrafung des Beamten fordere: „Solche Vorverurteilungen passen nicht zu unserem Rechtsstaat“, so der Oberbürgermeister auf „Fulda aktuell“.

Der osthessische Polizeipräsident äußerte sich in einem Statement zu dem Vorfall:

Der Einsatz am vergangenen Freitagmorgen, bei dem ein 19 Jahre alter gewalttätiger Mann afghanischer Herkunft erschossen wurde, beschäftigt mich sehr. Was wegen eines gemeldeten Randalierers wie ein Routineauftrag begann, endete mit einem schwerverletzten Bäckereiangestellten, mehreren verletzten Kolleginnen und Kollegen sowie dem Tod des Angreifers. Dies bedauere ich sehr.“

(Günther Voß, Polizeipräsident Osthessen)

Voß erklärte außerdem, dass er als Behördenleiter zu seinen Polizisten steht und bisher keinen Zweifel am rechtmäßigen Handeln der eingesetzten Beamten hat. Der Einsatz wird zudem in einem „rechtsstaatlichen Verfahren“ durch das LKA und die Justizbehörden geprüft.

Über den Protestmarsch der Flüchtlinge äußerte sich zudem der Landrat von Fulda:

Dass bei der Demonstration überdies das Geschehen so gedeutet worden ist, als habe die Polizei einen Mann erschossen, der eigentlich nur zwei Brötchen habe kaufen wollen, ist schier unfassbar. Und es zeigt leider auch, dass viele nicht verstehen, welche Regeln und Gesetze bei uns greifen. Fakt ist, die Aggression ging von dem getöteten Flüchtling aus.“

(Bernd Woide, Landrat, CDU)

Auf „Fulda aktuell“ heißt es dazu noch: „Ich sage es deutlich: Für die Trauer um den jungen Mann muss man nicht die Flagge Afghanistans bei sich tragen, die in diesem Zusammenhang geradezu signalisiert, sein Tod habe etwas mit seiner Nationalität zu tun. Was für ein unglaublicher und unsinniger Vorwurf!“, so Woide.

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