Ermittlungen in vollem Gange: Wer ist der Mann hinter dem Lenkrad in Magdeburg?
Auf dem Weihnachtsmarkt ist am Freitagabend ein Auto in eine Menschenmenge gefahren. Nach Informationen von WDR und NDR hat die Polizei in Magdeburg in einem internen Bericht die Tatzeit mit kurz nach 19 Uhr angegeben. Sämtliche Polizeikräfte der Region sollen nach Bekanntwerden des Angriffs angefragt worden sein. Auch die Spezialkräfte Mitteldeutschland seien im Einsatz gewesen. Am Samstagmorgen seien die Einsätze weitergegangen. So habe es am Morgen Hausdurchsuchungen gegeben.
Noch am Freitagabend teilte die Polizei Magdeburg mit, dass der tatverdächtige Mann unmittelbar am Tatort gestellt und vorläufig festgenommen wurde.
#Magdeburg
Bei der tatverdächtigen Person soll es sich um einen 50-jährigen Mann aus Saudi-Arabien handeln. Der Mann wurde unmittelbar am Tatort gestellt und vorläufig festgenommen. Wir gehen momentan von einem Einzeltäter aus. https://t.co/AjexzrKpDT— Polizei Magdeburg (@Polizei_MD) December 20, 2024
Mutmaßlicher Täter über 22 Jahre in Deutschland
Dabei soll es sich um den 50-jährigen Taleb al-A. aus Saudi-Arabien handeln. In einem Interview mit der FAZ aus dem Jahr 2019 erzählt der mutmaßliche Täter, dass er 2006 im Rahmen seiner Facharztausbildung nach Deutschland gekommen sei. Damals habe er sich von Deutschland aus im Internetforum des Bloggers Raif Badawi kritisch zum Islam geäußert. 2012 wurde Badawi zu zehn Jahren Haft, zehn Jahren Ausreiseverbot, tausend Peitschen- und Stockhieben und einer Geldstrafe von umgerechnet 240.000 Euro verurteilt. Sein Vergehen: Der Blogger hatte 2008 das Onlineforum „Die saudischen Liberale“ mitbegründet und sich für eine Trennung von Staat und Religion ausgesprochen. Das legte ihm die saudische Justiz als Beleidigung des Islams aus.
Wie A. im FAZ-Interview weiter erzählt, sei er, nachdem er sich in dem Forum von Badawi geäußert hatte, bedroht worden. Man wolle ihn „schlachten“, wenn er nach Saudi-Arabien zurückkehren würde. Daraufhin habe der mutmaßliche Täter damals Asyl in Deutschland beantragt. Inzwischen hat A. eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung, denn er wurde 2016 als Flüchtling in Deutschland anerkannt.
Nach Informationen der „Welt“ soll der Arzt in Bernburg leben und dort im Maßregelvollzug gearbeitet haben. Der Maßregelvollzug Bernburg ist eine Einrichtung des Landes Sachsen-Anhalt zur Besserung und Sicherung von suchtkranken Straftätern.
„Ich bin der aggressivste Kritiker des Islams in der Geschichte“
In den vergangenen Jahren hat A. mit einer Chatgruppe auf Telegram und in seinem Onlineforum „We are Saudis“ viele saudische Männer und vorrangig Frauen mit Informationen unterstützt, die aus ihrer Heimat vor Gewalt, Missbrauch und Unterdrückung flüchten wollten. Immer wieder kritisierte er in diesem Zusammenhang den Islam, was zumindest nach dem, was bisher bekannt ist, ein islamistisches Motiv des Anschlags fraglich macht. Im Interview mit der FAZ sagte er zu seinem Verhältnis zum Islam:
„Ich bin der aggressivste Kritiker des Islams in der Geschichte. Wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie die Araber.“
Schaut man auf den Social-Media-Auftritt des mutmaßlichen Täters auf X, dann fällt vor allem auf, dass viele Beiträge der letzten Zeit als wirr bezeichnet werden müssen. Offenbar fühlte sich der Mann am Ende verfolgt.
Am Freitag, also kurz vor dem Anschlag, hat A. dort mehrere Videos gepostet, in denen er auf Englisch sagt: „Ich mache die deutsche Nation für die Tötung von Sokrates verantwortlich.“
Das Titelbild des Mannes zeigt auf X ein Gewehr. Im Profiltext heißt es ebenfalls auf Englisch: „Deutschland jagt saudische Asylbewerberinnen innerhalb und außerhalb Deutschlands, um ihr Leben zu zerstören.“ Und: „Deutschland will Europa islamisieren.“
Der bekannte islamkritische Publizist Hamed Abdel-Samad machte am Samstag auf Facebook öffentlich, dass er nach Bekanntwerden des Namens des mutmaßlichen Attentäters mehrere alte Nachrichten im sozialen Netzwerk X an ihn gefunden habe. Darin forderte A. den Publizisten offenbar auf, seine Unterstützung für die „säkulare Flüchtlingshilfe“ einzustellen. Weiter wollte der mutmaßliche Täter den Publizisten persönlich sprechen.
In seiner letzten Nachricht vom 21. November forderte der mutmaßliche Attentäter Hamed Abdel-Samad erneut auf, sich von der säkularen Flüchtlingshilfe zu distanzieren, da er bald „etwas tun werde, was diese Organisation zum Gesprächsthema Nummer eins in der Welt machen“ werde. Der Publizist hat inzwischen Screenshots dieser Nachrichten an die Polizei weitergegeben.
Tat über Monate geplant?
Dass die Social-Media-Aktivitäten von Taleb al-A. den Sicherheitsbehörden nicht im Vorfeld aufgefallen sind, wirft im Nachgang weitere Fragen auf. Auf X hatte der Attentäter zuletzt immerhin 46.565 Follower. Wie der Ressortleiter Investigation und Reportage bei der „Welt“ gestern auf X öffentlich machte, wurde schon im Frühjahr 2024 ein Post von A. an die Plattform gemeldet.
In diesem Post schreibt der spätere vermutliche Attentäter auf Englisch:
„Ich rechne ernsthaft damit, dieses Jahr zu sterben.
Der Grund: Ich werde um jeden Preis für Gerechtigkeit sorgen.
Wenn Sie deutscher Staatsbürger sind, sollten Sie jetzt Gerechtigkeit fordern. Wenn Sie sich keine Sorgen machen, dann ist das in Ordnung, aber beschweren Sie sich später nicht.“
Diese schon im Frühling 2024 wieder gelöschten Tweets wurden bei x gemeldet – aber passiert ist nichts. Aus Sicherheitskreisen heißt es, der Täter sei bislang völlig unbekannt gewesen. pic.twitter.com/z2FQIwvKxr
— Tim Röhn (@Tim_Roehn) December 20, 2024
Weiter teilte er in einem anderen Post mit, dass er drei Beiträge verfasst habe, die er wenige Sekunden vor der Umsetzung der Operation „Louder Voice“ in diesem Jahr 2024 veröffentlichen werde.
In einem anderen Post schreibt er auf Arabisch:
„Erstens: Ich versichere Ihnen: Wenn Deutschland Krieg haben will, werden wir ihn haben. Wenn Deutschland uns töten will, werden wir sie abschlachten, sterben oder voller Stolz ins Gefängnis gehen.
Weil wir alle friedlichen Mittel ausgeschöpft haben, sind uns nur noch mehr Verbrechen von der Polizei, dem Staatsschutz, der Staatsanwaltschaft, der Justiz und dem Bundesinnenministerium begegnet. Frieden nützt nichts.“
Die Posts, die darauf hindeuten, dass der jetzige Attentäter seine Tat schon über Monate hinweg geplant hatte, wurden damals von X gelöscht, nachdem er von anderen Nutzern der Plattform gemeldet worden war. Mehr passiert ist offensichtlich nicht. Wie der „Welt“-Journalist Röhm schreibt, heißt es aus Sicherheitskreisen, dass der Täter bisher unbekannt sei.
Die genauen Motive des Mannes sind noch unbekannt, ebenso sein psychischer Zustand vor der Tat. Die Behörden ermitteln derzeit mit Hochdruck.
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