Ergänzungsabgabe für Energieunternehmen – ein Innovationskiller?
Trotz Spritsteuer-Senkung sind die Preise an der Tankstelle kaum gesunken. Energiekonzerne wie Shell, oder Total Energies fahren in diesem Jahr große Gewinne ein. Auch der Stromversorger RWE schraubte seine Gewinnerwartungen kürzlich nach oben. Nun ist die Diskussion über eine sogenannte „Übergewinnsteuer“ in Deutschland erneut aufgekommen.
„Das, was vor uns liegt, ist elementar für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft“, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch (SPD) dem Deutschlandfunk. Deshalb müssten „die, die jetzt gerade gewinnen, in der Krise auch abgeben zugunsten derer, die jetzt in schwieriges Fahrwasser geraten.“
Die „Übergewinnsteuer“ für Energieunternehmen wäre eine Abgabe ähnlich dem Solidaritätszuschlag. „Am geeignetsten wäre technisch gesehen wahrscheinlich eine Ergänzungsabgabe in der Körperschaftssteuer. Das schauen wir uns gerade konzeptionell an“, sagte auch Katharina Beck, finanzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, der „Welt“.
Italien als Vorbild
Dabei nehme man auch Bezug auf Lösungen in anderen Ländern. „Orientieren können wir uns in manchen Aspekten am italienischen Modell“, sagte Beck. Es müsse aber auf das deutsche Steuerrecht angepasst werden.
Beck verwies zur Begründung einer Übergewinnsteuer auf die oligopolistischen Strukturen des Mineralölmarktes und die damit verbundene Marktmacht der Anbieter. Eine „Übergewinnsteuer“ wäre aus Sicht der Grünen-Sprecherin eine „Art Krücke“, bis das Kartellrecht reformiert sei.
Für Miersch stelle sich aufgrund der aktuellen Herausforderungen weiter die Frage, wie man umgehe mit denen, die viel haben. „Insofern stellen sich daneben natürlich auch Fragen wie Vermögensabgabe etc.“ Da gehe es um Gerechtigkeitsfragen.
Übergewinnsteuer für die Pharma?
„Es ist an der Zeit, die Debatte um die Übergewinnsteuer ein für alle Mal zu begraben“, sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der „Rheinischen Post“ vom Dienstag. „Wir sollten uns jetzt vielmehr darauf konzentrieren, die Menschen nachhaltig zu entlasten und unsere Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen.“ Das deutsche Steuergesetz kenne den Begriff „Übergewinn“ gar nicht, begründete Bundesfinanzminister Christian Lindner kürzlich seine Haltung. Er habe die Vorschläge bislang alle abgelehnt.
Der ehemalige Berliner Landesvorsitzende der AfD, Georg Pazderski, hingegen fragt, warum niemand eine Übergewinnsteuer von den Pharma-Konzernen fordert. Diese hätten „zig Milliarden Gewinne, für die nicht vor Krankheit und Ansteckung schützenden Impfstoffe eingestrichen“, schreibt er auf Twitter. Und dabei müsse sogar der Steuerzahler für die Impfschäden aufkommen.
Verfassungsfrage
Sie verstehe prinzipiell den Impuls, Übergewinne zu besteuern, sagt die Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Dominika Langenmayr. „In der Praxis gibt es aber jede Menge Definitionsprobleme“, sagte sie der „SZ“. Es stelle sich auch die Frage, „ob eine Sondersteuer für eine einzelne Branche nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstoßen würde und damit verfassungswidrig wäre.“
Der Gesetzgeber müsse zur Rechtfertigung der ungleichen Belastungswirkungen der Übergewinnsteuer einen sachlichen Grund darlegen können, schreibt dazu der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages. Weiter muss die Höhe der „unverdienten Gewinne“ sich bestimmen lassen, so die Juristen.
Die Abgrenzung eines Übergewinns von einem normalen Gewinn sei jedoch schwierig, sagt BDEW-Vorsitzende Kerstin Andreae. Die Diskussion weise in die falsche Richtung, außerdem bräuchten die Energieunternehmen Gelder für „massive Investitionsentscheidungen für den Ausbau erneuerbarer Energien“, so die ehemalige Grünen-Politikerin.
„Tür und Tor“ staatlicher Willkür
Laut einer Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats des Finanzministeriums, den auch der Lindner zitiert, könne die „Übergewinnsteuer“ für die Innovationskraft einer Ökonomie fatal sein. Es entstünden „willkürlichen Belastungen und Verzerrungen“, berichtet „Die Welt“.
Eine Übergewinnsteuer „würde willkürlichen Besteuerungsmaßnahmen des Staates Tür und Tor öffnen“, warte Djir-Sarai und griff damit ein Argument von FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner auf. „Das wäre das Ende der sozialen Marktwirtschaft.“
Weiter „bestünde die Gefahr, dass ständig neue Sondertatbestände geschaffen würden“, warnt die Gruppe von mehr als 30 Experten. „Wer in der Krise hohe Gewinne macht, zahlt schon heute entsprechend hohe Steuern“, sagt Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts der „Rheinischen Post“.
Manche Unternehmen machten derzeit hohe Gewinne, „weil sie in Zeiten, als andere nichts davon hielten, vorgesorgt und beispielsweise in die Erschließung von Öl- und Gasquellen investiert haben“, erläuterte Fuest. „Dass sie das getan haben, hilft uns heute – ohne diese Investitionen wären die Preise noch höher.“
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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