„Erfolg“ oder „importierter Bürgerkrieg“? Silvesterbilanz fällt höchst unterschiedlich aus

Hunderte Festnahmen und Einsätze, Böllerschlachten, verletzte Polizisten: Gänzlich friedlich verlief der Jahreswechsel von 2023 auf 2024 in Deutschland nicht. Die Einsatzkräfte zogen dennoch eine weitgehend positive Silvesterbilanz.
Zahlreiche Menschen feiern den Jahreswechsel auf Sankt Pauli über den Landungsbrücken am Hamburger Hafen.
Zahlreiche Menschen feiern den Jahreswechsel auf Sankt Pauli über den Landungsbrücken am Hamburger Hafen.Foto: Christel Köster/dpa-Zentralbild/dpa
Von 1. Januar 2024

Eine vollständige Erhebung aller Einsätze von Polizei, Rettung und Feuerwehr zum Jahreswechsel 2023/24 in Deutschland ist noch nicht absehbar. Die Einsatzkräfte haben bezüglich größerer Städte wie Berlin jetzt schon eine positive Silvesterbilanz gezogen. Ausschreitungen oder Vorfälle in einem Ausmaß, die im Vorjahr in Berlin oder 2015/16 an der Kölner Domplatte zu beklagen waren, blieben aus.

Mehrere Polizeieinsätze wegen Böllerschlachten an Silvester

Dennoch ist es in Berlin und anderen Städten vereinzelt zu Vorfällen gekommen, die ein Einschreiten der Einsatzkräfte erforderlich machten. Bereits vor Mitternacht hatten sich mehrere Dutzend Personen auf dem Alexanderplatz – eigentlich einer Böllerverbotszone – eine Pyrotechnikschlacht geliefert. Der „Berliner Zeitung“ zufolge sollen die vorwiegend jungen Männer auch absichtlich mit Raketen auf Menschengruppen gezielt haben.

Auch am Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus hat es nach Angaben der Polizei in Berlin ein Böllergefecht gegeben, an dem sich rund 500 Personen beteiligt haben sollen. Einen Einsatz gegen randalierende und teils mit illegalen Kugelbomben ausgestattete Personengruppen gab es in Lichtenrade. In Neukölln wurde ein Polizeiwagen damit beschossen, in Tempelhof schossen Personen mit Schreckschusswaffen auf einen Bus.

Berlins Polizeisprecherin „mit der Einsatzkonzeption zufrieden“

In der Hauptstadt waren 4.500 Polizeibeamte in der Silvesternacht im Einsatz, schwerpunktmäßig in drei zuvor als „Gefahrenzonen“ eingestuften Arealen in Berlin. Dazu kamen bewachte Bahnhöfe und Liegenschaften, Sprengstoffhunde, Bodycams und weitere modernste Technik. Mit Stand 2:30 Uhr war es dennoch zu 300 Festnahmen und mehr als 750 Feuerwehreinsätzen gekommen. Während ihres Einsatzes wurden 15 Beamte verletzt.

Berlins Polizeisprecherin Anja Dierschke zeigte sich „mit der Einsatzkonzeption zufrieden“. In der Silvesternacht sei es den Einsatzkräften aufgrund ihrer Stärke und Präsenz stets gelungen, unmittelbar einzuschreiten. Auch deshalb sei es nicht zu ähnlich gravierenden Zwischenfällen wie vor einem Jahr gekommen.

Im Vorjahr war es in Berlin zum Teil zu gezielten Angriffen auf Einsatzkräfte gekommen. Die Zahl an verletzten Beamten war deutlich höher. Dazu gab es eine Vielzahl an Vandalenakten, beispielsweise gegen öffentliche Verkehrsmittel.

Blogger wirft „NIUS“-Herausgeber Reichelt „Fake News“ vor

Auf X kam es zu heftigen Debatten darüber, ob die Vorfälle, die einen Einsatz von Polizeikräften erforderten, eine Form der Normalität zum Jahreswechsel widerspiegelten – oder über diese hinausgingen. Die Wahrnehmungen und die darauf beruhenden Silvesterbilanzen waren entsprechend uneinheitlich.

Vor allem das Nachrichtenportal „NIUS“ von Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt sieht einen „importierten Bürgerkrieg“. Reichelt selbst meint: „Die Migrationspolitik zündet unser Land an.“

Andere X-Nutzer werfen ihm und seinem Portal hingegen vor, die Lage zu dramatisieren und zum Teil gezielt falsche Eindrücke zu vermitteln. Einige Nutzer warfen Reichelt Clickbaiting vor, so beispielsweise der selbst ernannte „Fakenews-Killer“ Stefan Michels, der erklärt, es habe „keine Ausschreitungen in Neukölln“ gegeben.

Weitere X-Nutzer attestieren dem „NIUS“-Herausgeber unverhohlenen Rassismus:

Auch SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese wertet das Vorgehen der Polizei in der Silvesternacht in Berlin und in anderen Städten als Erfolg. „Das harte Durchgreifen war konsequent und richtig“, sagte Wiese der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe). „Das Strafrecht allein hilft hier nicht.“

Kaum noch Frauen an Silvester auf den Straßen?

Langfristig ließen sich die „erwarteten und in Teilen eingetretenen Krawalle aber nur präventiv verhindern“, äußerte Innenexperte Wiese weiter. „Hier helfen nur mehr Bildungsangebote und mehr gesellschaftliche Teilhabe und dies ist nicht umsonst zu haben.“

Demgegenüber pflichtet die Deutsche Umwelthilfe den kritischen Betrachtern des Jahreswechsels bei und spricht von einer „bitteren Böller-Bilanz“ und einem „Silvester mit Pyrotechnik und viel Leid“.

Zahlreiche Nutzer monierten auch, dass vor allem in Berlin auf Videos in sozialen Medien kaum noch Frauen auf den Straßen zu sehen gewesen seien. Dies wurde vor allem auf die überwiegende und vermeintlich einschüchternde Präsenz junger Männer mit arabischem Migrationshintergrund zurückgeführt. Aber auch diesbezüglich gab es Gegenmeinungen.

Ex-FDP-Kandidat von jungen Männern beschimpft

Schauplatz von Randale und Ausschreitungen waren neben Berlin jedoch auch andere Städte. In Leipzig haben Linksextreme im Stadtteil Connewitz eine Polizeiwache angegriffen. In Solingen kam es ebenfalls zu Übergriffen gegen Polizeibeamte. In Frankfurt am Main wiederum kam es zu einem Feuerwehreinsatz und Randale in der Innenstadt, die jedoch zeitnah beendet werden konnte.

Der Unternehmensberater und frühere FDP-Europakandidat Hasso Mansfeld berichtete auch aus dem beschaulichen Bingen von einer unangenehmen Begegnung im häuslichen Umfeld.

(Mit Material von dts)



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