Entwarnung: Automatisierte „Handyblitzer“ sind in Deutschland nicht erlaubt
Es ist eine der Schlagzeilen dieser Tage: „Achtung Autofahrer, der Handyblitzer kommt.“ Zu reißerischen Überschriften wie dieser führte eine Mitteilung der niederländischen Polizei zum aktuellen Pilotversuch mit sogenannten „Handyblitzern“ – Radarfallen, die automatisiert erkennen sollen, ob ein Fahrzeugführer während der Fahrt unerlaubterweise sein Handy nutzt.
Seit 1. Oktober läuft der Test mit den neuen Geräten in den Niederlanden. Auch Australien setzt die Technologie bereits ein, deren künstliche Intelligenz erlernen soll, selbstständig zu erkennen, „ob ein Fahrer während der Fahrt ein mobiles elektronisches Gerät in der Hand hält“, so heißt es in der Meldung der niederländischen Beamten.
Erkennt die künstliche Intelligenz hinter der eingesetzten Kamera die Nutzung eines mobilen Endgerätes, werden Kennzeichen und Fahrer des Fahrzeuges fotografiert. Die entsprechenden Aufnahmen werden von zuständigen Beamten dann noch gesichtet und final entschieden, ob ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet wird. In den Niederlanden droht dann ein Bußgeld bis zu 240 Euro.
Umgerechnet bis zu 280 Euro kann die Handy-Nutzung in Australien kosten. Dort – wo bereits über eine Testphase hinaus mit dem neuen Radarsystem gearbeitet wird – waren in der ersten Jahreshälfte 2019 mehr als 100.000 Autofahrer bei der illegalen Smartphone-Nutzung erwischt worden.
Es gibt keine gesetzliche Grundlage dafür in Deutschland
Der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke gibt Entwarnung für alle deutschen Autofahrer. „Eine Bildaufnahme, bei der ausnahmslos und vor allem nahezu anlasslos jeder Fahrer eines Fahrzeugs geblitzt wird und identifizierbar ist, stellt einen erheblichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Die bildliche Erfassung aller Autofahrer bedürfte als Grundrechtseingriff aber einer gesetzlichen Grundlage. An einer solchen gesetzlichen Grundlage, die den Eingriff in das Grundrecht gestatten würde, fehlt es aber derzeit“, stellt Christian Solmecke, Rechtsanwalt und Partner der Kölner Rechtsanwaltskanzlei Wilde Beuger Solmecke klar.
„In Deutschland gelten hohe Auflagen im Bereich der Verkehrsmesstechnik. Alle Vorgänge müssen sauber durchgeführt und ordnungsgemäß protokolliert sein. Daran scheitert es ja teilweise schon in gängigen Blitzerverfahren wie beispielsweise Geschwindigkeitsübertretungen. Jeder dritte überprüfte Bußgeldbescheid ist rechtlich angreifbar“, so Solmecke.
Der Rechtsexperte ist neben seiner Tätigkeit als Anwalt auch auf dem Gebiet Legal-Tech aktiv. Legal-Tech verfolgt das Ziel, Rechtsvorgänge für Verbraucher einfacher und verständlicher zu machen – mit Hilfe des Internets. So ist Solmecke Mitbegründer des bekannten Serviceportals www.blitzereinspruch.de, das geblitzten Autofahrern (mehrheitlich Temposündern) kostenlose Erstberatung ermöglicht und in vielen Fällen Einspruch gegen unrechtmäßig ausgestellte Bescheide erhebt.
Dass er in Zukunft auch in Verfahren mit Handy-Blitzern tätig werden muss, hält er für unwahrscheinlich. „Eine Ermächtigungsgrundlage wird es wohl auch vorerst nicht geben“, so der Rechtsanwalt.
Software kann Gesichter noch nicht rechtssicher erkennen
Erst Anfang November stand eine ähnliche Diskussion im Raum. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte am 13. November 2019 dem Land Niedersachsen erlaubt, im Wege der sogenannten Abschnittskontrolle („Section Control“) die B6 zu überwachen. Die Besonderheit dieser Art der Geschwindigkeitsüberwachung besteht darin, dass auf der überwachten Strecke vorsorglich die Kennzeichen aller Fahrzeuge erfasst werden, und zwar unabhängig von ihrer Geschwindigkeit.
Hier lieferte der erst im Mai 2019 neu gefasste § 32 Abs. 7 des niedersächsischen Polizeigesetzes (NPOG) die erforderliche gesetzliche Eingriffsermächtigung. Darin aber kommt klar zum Ausdruck:
„Die Bildaufzeichnungen dürfen nur das Kraftfahrzeugkennzeichen, das Kraftfahrzeug und seine Fahrtrichtung sowie Zeit und Ort erfassen. Es ist technisch sicherzustellen, dass Insassen nicht zu sehen sind oder sichtbar gemacht werden können.“
Ein weiteres Problem: Die Software kann aktuell noch gar keine Gesichter rechtssicher erfassen. Fahrzeugführer können bislang also nicht identifiziert werden.
Bei einem Handy-Verstoß gibt es jedoch in Deutschland, anders als in anderen Rechtsordnungen, keine generelle Halterhaftung. Mit anderen Worten: Es kann nur derjenige verfolgt werden, der auch tatsächlich gefahren ist. Doch ohne Blitzer-Foto, kein Beweis. Der Halter des Fahrzeugs jedenfalls, sofern der Fahrer nicht ermittelt werden kann, muss weder eine Geldbuße zahlen noch drohen ihm Punkte in Flensburg oder gar ein Fahrverbot. (ks/mit Material von openpr)
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