Entscheidung zum ehemaligen Weimarer Familienrichter Dettmar zieht sich hin

In der Corona-Krise hob der Familienrichter Christian Dettmar die Maskenpflicht für Schulkinder auf. Dafür wurde er wegen Rechtsbeugung verurteilt. Jetzt liegt das Verfahren beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
Titelbild
Der ehemalige Familienrichter Christian Dettmar (Mitte) und seine Verteidiger Peter Tuppat (l.) und Gerhard Strate bei der Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe am 28. August 2024.Foto: Max Kittan/Epoch Times
Von 28. August 2024

Im Revisionsverfahren des ehemaligen Familienrichters am Amtsgericht Weimar, Christian Dettmar, vor dem Karlsruher Bundesgerichtshof ist am Mittwoch, 28. August, keine Entscheidung gefallen.

Die Entscheidung soll erst nach den kurz bevorstehenden Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern Ende November verkündet werden.

Die Verhandlung begann mit weit mehr als einer Stunde Verspätung wegen enormen Besucherinteresses, trotzdem fanden nicht alle Besucher einen Sitzplatz im Verhandlungssaal.

Die Verteidiger Dettmars, die Rechtsanwälte Gerhard Strate und Peter Tuppat, stellten in der knapp eine Stunde dauernden Verhandlung den Antrag, das Verfahren gegen Dettmar einzustellen und das Urteil des Landgerichtes Erfurt (LG Erfurt) auf Rechtsbeugung aufzuheben.

Die Staatsanwaltschaft forderte eine Zurückweisung an das Landgericht. Sie zeigte sich bereits im Vorfeld der heutigen Verhandlung unzufrieden mit dem in ihren Augen zu niedrigen Strafmaß.

Strate verwundert über den späten Termin

„Das ist eine ungewöhnlich lange Zeit“, so Strate zur Epoch Times in Bezug auf den nächsten Verhandlungstermin am 20. November. Andererseits hoffe er, dass dadurch der Senat genügend Zeit habe, „noch einmal gründlich über alle Aspekte dieses Falles“ nachzudenken.

Als Verteidigung habe man deutlich zu machen versucht, dass selbst wenn ihr Mandant seine Kompetenzen „etwas“ überschritten habe, dies doch auf einer korrekten, sachlichen Grundlage basiere.

„Er hatte Gutachten eingeholt von anerkannten Sachverständigen und hat gemeint, hier sei eine Gefährdung des Kindeswohls zu bejahen und hat dann einen Beschluss gefasst, der möglicherweise seine Kompetenz überschritten hat. Aber der war weit davon entfernt, jetzt als Rechtsbeugung charakterisiert zu werden“, so der Hamburger Verteidiger.

Beobachterin sieht Verschwendung von Zeit und Steuergeldern

Unter den Prozessbeobachtern war auch Sandrine Knothe aus Berlin. Sie sagte, dass sie Dettmar mit ihrer Präsenz unterstützen wollte. Sie dachte damals im April 2021, dass nach seinem Urteil am Weimarer Familiengericht „der Albtraum mit diesen Maßnahmen endlich vorbei ist“.

Als das Urteil drei Tage später wieder einkassiert worden sei, sei sie am Boden zerstört gewesen. Als Bauingenieurin hatte sie bereits vor Corona mit FFP2-Masken zu tun gehabt. „Das ist ein Staubschutzmittel und es steht auf den Packungen, dass die FFP2-Maske nicht vor Viren schützt.“

Sie habe heute einen Freispruch erwartet, denn mit den jetzt veröffentlichten RKI-Protokollen läge alles auf dem Tisch. „Was will man noch wissen?“ In ihren Augen sei das Hinauszögern eines Freispruchs nur Verschwendung von Zeit und Steuergeldern.

Aber die Wahrheit wird kommen“, so die Deutsch-Französin.

Ende August 2023 verurteilte das Landgericht Erfurt Christian Dettmar (sitzend) zu zwei Jahren auf Bewährung. Foto: Epoch Times

Bewährungsstrafe gegen Dettmar

Am 23. August 2023 hat das LG Erfurt Dettmar wegen Rechtsbeugung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Verteidiger Strate kündigte unmittelbar nach der Urteilsverkündung an, Revision einlegen zu wollen.

Dettmar ­hatte im April 2021 per einstweiliger Anordnung den Leitungen und Lehrkräften zweier Schulen untersagt, einzelne Corona-Maßnahmen bei den Schulkindern durchzuführen, weil sie eine Gefährdung des Kindeswohls darstellen würden.

Dabei ging es um das Maskentragen, das Einhalten von Mindestabständen und das Durchführen von Corona-Schnelltests.

Die Entscheidung des dreifachen Familienvaters sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Auch die anschließenden Hausdurchsuchungen bei Dettmar und mindestens acht Personen seines Umkreises beziehungsweise Prozessbeteiligten sorgten gerade in der Justiz für Aufsehen. So sah ein Teil von ihnen ein Novum in der Rechtsgeschichte und befürchtete eine Aufweichung der Unabhängigkeit der Richterschaft durch staatlich verfügte unverhältnismäßige Durchsuchungen.

OLG und BGH hoben Dettmars Beschlüsse auf

Das Oberlandesgericht (OLG) Jena und später der BGH hoben die Beschlüsse des Familienrichters auf. Das Verwaltungsgericht Weimar akzeptierte die staatlichen Corona-Maßnahmen an den Thüringer Schulen, die die Landesregierung erließ, bei ausdrücklicher Missbilligung des ­familiengerichtlichen Entscheids von Dettmar, den das OLG als „ausbrechendem Rechtsakt“ bezeichnete.

Das LG Erfurt erklärte zu der Bewährungsstrafe, die es schließlich gegen Dettmar erteilte, dass es in seinem Verhalten „einen sehr schwerwiegenden Rechtsverstoß gegen die Grundprinzipien eines Rechtsstaats“ sah.

„Sie waren vorab gewillt, eine bestimmte Entscheidung zu treffen“, sagte der damalige Vorsitzende Richter Hampel zu Dettmar und führte weiter aus: Der Angeklagte habe gezielt ein Verfahren generiert, an dem er mitgewirkt habe und mit dem er ein bereits vorher festgelegtes Ziel öffentlichkeitswirksam erreichen wollte. Damit wollte er den Druck auf andere Gerichte erhöhen, um weitere Verfahren anzuregen, so Hampel.

Dabei gehe es nicht um die Zuständigkeit und auch nicht um das Urteil selbst, zu dem der Familienrichter gekommen sei – es sei grundlegender: die Unvoreingenommenheit als Richter, welche Grundvoraussetzung für rechtsstaatliche Verfahren sei.

Dabei wies Hampel auf die Möglichkeit Dettmars hin, selbst aus eigenem Antrieb ein Kindeswohlgefährdungsverfahren zu eröffnen, ohne dass sich jemand an ihn wendet.

Mutter zweier Schulkinder wandte sich ans Familiengericht

Dem Beschluss Dettmars ging voraus, dass sich eine Mutter, deren beiden Söhne (damals acht und 14) die betreffenden Schulen besuchten, an das Familiengericht wandte, weil sie eine mögliche Gefährdung der körperlichen, seelischen und geistigen Gesundheit ihrer Kinder durch die Corona-Maßnahmen an den Schulen befürchtete.

Richter Hampel zitierte im Verfahren am LG Erfurt aus zahlreichen E-Mails und Textnachrichten, die durch Hausdurchsuchungen bei neun Haushalten gefunden wurden. Sie belegen nach seiner Aussage, dass Dettmar bereits vor der Einleitung eines Verfahrens auf Überprüfung einer möglichen Kindeswohlgefährdung die Gutachter, die auch die Corona-Maßnahmen kritisch sahen, angesprochen hat.

Und ebenso, dass er plante, diese Gutachten mit seiner richterlichen Entscheidung abzudrucken und veröffentlichen zu lassen – wie es dann auch geschah.

Damit sollte der „Argumentationsdruck für zukünftige Entscheidungen“ erhöht werden, so der Richter, der eine angebliche Aussage Dettmars aus einer E-Mail zitierte.

Zudem warf der Richter Dettmar vor, gezielt im Vorfeld auf Eltern zugegangen zu sein und Anwälte angesprochen zu haben, damit ein Kindeswohlverfahren am Amtsgericht Weimar mit ihm als Richter zu Stande kommt. Daher spiele das Urteil und ob es rechtmäßig im Sinne des Inhalts war, gar keine Rolle.

Außerdem hielt ihm das Gericht vor, Dettmar habe verschleiern wollen, dass er an der Vorbereitung des entsprechenden Gerichtsverfahrens zugunsten der Mutter und ihrer beiden Kinder unmittelbar beteiligt gewesen war. „Er hat dafür das ihm übertragene Richteramt zielgerichtet benutzt und damit missbraucht“, heißt es in dem Urteil des LG Erfurt.

Dettmar ging auf Vorwürfe ein

In seiner Stellungnahme ging Dettmar auf die einzelnen Anklagepunkte der Erfurter Staatsanwaltschaft ein.

Damals erklärte er: Vor zwei Jahren habe das Ermittlungsverfahren gegen ihn begonnen. „Heute sitzen wir hier und ich weiß immer noch nicht warum.“

In seinen Augen hätte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungsergebnisse seiner Stellungnahme im Zusammenhang wiedergeben und sich damit dezidiert auseinandersetzen müssen. „Doch das tut sie nicht. Ich fühle mich völlig ungehört.“ Und er erhob weitere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft.

Immer wieder sei er von Familien darauf angesprochen worden, wie diese Maßnahmen sie und ihre Kinder belasteten. „Nicht wenige Kinder litten unter Kopfschmerzen und anderen Beschwerden, reagierten mit Schulunlust oder Schulverweigerung“, so Dettmar.

„Regelmäßig wurde ich auch gefragt, ob das nicht gerichtlich überprüft und zumindest eingeschränkt werden könne. Zugleich machten mir die meisten Familien aber deutlich, dass sie vor einer solchen gerichtlichen Überprüfung Angst hätten, weil sie in der Folge Repressalien für ihre Kinder befürchteten. Der Gedanke an Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB lag für mich als Familienrichter nun in der Luft.“

Schulkinder mit Corona-Gesichtsmasken. Foto: INA FASSBENDER/AFP via Getty Images

Kontakt mit Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte

In den Wochen vor dem April 2021 fing Dettmar an, wie er dem Erfurter Gericht mitteilte, mit Kollegen vom Netzwerk KRiStA, dem Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte, über solche Fragen zu diskutieren.

Einer habe die Idee gehabt, die anstehenden Fragen über ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung nach Paragraf 1666 BGB zu prüfen. Der § 1666 Absatz 4 BGB hat folgenden Wortlaut: „(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.“

„Wir waren uns schnell einig, dass es vom Wortlaut der Vorschrift des Paragrafen 1666 Absatz 4 BGB her keine Einschränkungen gibt, auch Lehrer und Schulleiter als Dritte im Sinne dieser Vorschrift zu betrachten, denen familiengerichtliche Weisungen erteilt werden können“, so Dettmar. Eine obergerichtliche Entscheidung, die dem entgegengestanden hätte, habe man nirgends gefunden.

Für ihn als Familienrichter sei es eine „blanke Selbstverständlichkeit“, dass man unmittelbar Betroffenen oder ihrem Umfeld nahelegen könne, geeignete Fälle von Kindeswohlgefährdung an das Familiengericht heranzutragen.

Dettmar wies Vorwurf der fehlenden Objektivität zurück

Und er ging damals in seiner Aussage vor dem LG Erfurt noch weiter: „Als Familienrichter kann ich also von mir aus – und bin dazu sogar verpflichtet – ein solches Verfahren einleiten, wenn mir Umstände bekannt werden, die den Verdacht einer Kindeswohlgefährdung begründen.“ Doch initiiert habe er das Verfahren nicht. „Die Kindesmutter, die die Verfahren angeregt hat, hat die Angelegenheit von sich aus an das Familiengericht herangetragen.“

Auf die Anregung der Mutter hin habe er dann am 15. März 2021 gemäß Paragraf 24 FamFG, Paragraf 1666 BGB in dieser Angelegenheit das Hauptsacheverfahren (9 F 147/21) und das einstweilige Anordnungsverfahren (9 F 148/21) eingeleitet.

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, er habe die Gutachter bewusst gewählt, weil sie coronakritisch eingestellt wären, und es ergebe sich aus der Gutachterauswahl eine fehlende Objektivität, wies er zurück.

„Bei allen drei potenziellen Gutachtern war deren Qualifikation für mich das ausschlaggebende Kriterium.“ Alle drei später bestellten Gutachter seien promovierte und habilitierte Professoren an deutschen Universitäten, führte Dettmar damals aus.

Aus Richterdienst entlassen

Bereits im Vorfeld des damaligen Verfahrens in Erfurt wurde Dettmar vom Richterdienstgericht Meiningen seines Richteramtes enthoben.

Sollte der BGH die Revision ablehnen, wäre Dettmar rechtskräftig verurteilt und automatisch aus dem Richteramt entfernt. Jede Strafe von mehr als einem Jahr – auch auf Bewährung – schließt den Richterdienst aus.

Unter Rechtsexperten ist der Ausgang ungewiss: So sehen Elisa Hoven und Frauke Rostalski keine Straftat. Beide sind Professorinnen für Strafrecht, die eine an der Universität Leipzig, die andere an der Universität Köln.



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