Energiekrise bedroht deutschen Stahl: GMH Gruppe warnt vor Produktionsaus

Das Stahlwerk Georgsmarienhütte in Niedersachsen steht vor einer ungewissen Zukunft. Explodierende Energiekosten und politische Versäumnisse gefährden die Produktion. Die Spitzenmanagerin der GMH Gruppe Anne-Marie Großmann fordert eine energiepolitische Wende, um Arbeitsplätze und den Standort Deutschland zu retten.
Die Stahlindustrie ist unter Druck.
Die Stahlindustrie ist unter Druck.Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Von 22. Januar 2025

Ein paar Monate könne es noch so weitergehen, äußerte die Gesellschafterin der GMH Gruppe, Anne-Marie Großmann, in der Vorwoche bei einem Branchentreffen in Düsseldorf. Danach droht jedoch dem von ihr betriebenen Stahlwerk in Georgsmarienhütte im niedersächsischen Landkreis Osnabrück das Aus.

Bereits seit Anfang des Monats betreibt die Produktionsstätte ihren Elektroofen nur noch stundenweise. Vorerst bis Ende Februar soll dieser zwischen 09:00 und 19:00 Uhr stillstehen. Am vergangenen Montag, 20. Januar, war er sogar für 12 Stunden abgeschaltet, wie der NDR berichtet. In der Zwischenzeit konnten immerhin andere Produktionsprozesse weiterlaufen.

GMH Gruppe denkt über Konsequenzen für deutsche Werke nach

Derzeit könne das Stahlwerk Georgsmarienhütte alle Aufträge erfüllen, heißt es aus der GMH Gruppe. Allerdings werde im März die Situation „neu bewertet“. Wie die „Neue Osnabrücker Zeitung“ darlegte, entspreche der Stromverbrauch der Produktionsstätte jenem der gesamten Stadt Osnabrück. Die Energiekosten hätten sich für die Unternehmensgruppe jedoch seit 2019 mehr als verdoppelt.

Vor diesem Hintergrund erwägt man im Vorstand drastische Schritte. Die GMH Gruppe könnte sich von deutschen Werken trennen – wobei unklar ist, inwieweit auch das Stammwerk in Georgsmarienhütte davon betroffen wäre. Die Gruppe betreibt in Deutschland Standorte zur Erzeugung, Verarbeitung und Aufbereitung von Stahl unter anderem in Bous (Saarland), Nürnberg, Osnabrück und Dortmund.

Verarbeitung von Stahl findet unter anderem in Witten und Troisdorf, jeweils in NRW, statt, ein knappes Dutzend deutscher Werke befasst sich mit Schmiedetechnik und Bearbeitung. Dazu kommen Standorte für Lenkungstechnik, Guss und Anlagenbau.

„Verfehlte Energiepolitik, die unsere Wettbewerbsfähigkeit zerstört“

Auf ihrem LinkedIn-Account hat Vorstandsmitglied Großmann am Montag einen dringlichen Appell für eine „energiepolitische Wende“ veröffentlicht. An jenem Tag habe man aufgrund der exorbitanten Energiepreise bereits um 08:00 Uhr die Produktion einstellen müssen. Großmann strich heraus, dass man in Georgsmarienhütte bereits „grünen Stahl“ produziere – und Deutschland bis dato als das „Land der Ingenieure und Innovatoren“ gegolten habe. Einen Grund für die Entwicklung macht sie ebenfalls aus:

Eine verfehlte Energiepolitik, die unsere Wettbewerbsfähigkeit zerstört, während unsere Konkurrenten im Ausland einfach weitermachen können.“

Großmann kritisierte, dass die letzten Kernkraftwerke abgeschaltet worden seien, ohne auch nur ein Gaskraftwerk zu genehmigen oder zu bauen. Die Netzentgelte hätten sich verdoppelt. Auch ein Brückenstrompreis sei nicht zustande gekommen. Bei seinem Besuch in Georgsmarienhütte im September des Vorjahres hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck der Industrie Entlastung in Aussicht gestellt.

Noch 2019 habe es keinen einzigen Tag gegeben, an dem der Spotmarkt-Preis in Deutschland 130 Euro pro Megawattstunde überschritt. Am Montagmorgen – „wo man normalerweise produzieren muss“ – habe es 400 Euro überschritten.

Umstieg auf Langzeitverträge wegen hoher Preise ebenfalls keine Option

Die Spitzenmanagerin wirft der Politik vor, Milliarden Euro an Wertschöpfung vernichtet zu haben. Der Wohlstand und die Arbeitsplätze wanderten zu den Nachbarn ab. Während der Rest der Welt immerhin ein Wirtschaftswachstum von 3 Prozent verbuchen könne, weise Deutschland bereits seit zwei Jahren kein solches mehr auf.

Das in den Kommentaren unter ihrem Beitrag vorgebrachte Argument, dass das Werk in Georgsmarienhütte durch langfristige Verträge zum Strombezug sparen könne, greife hier nicht, so Großmann. Die Kosten wären dann so hoch, dass man sich selbst aus dem Markt preisen würde. Die stetige Anpassung der Produktion an den Strommarkt sei zwar nicht effizient, bisher habe man damit aber wirtschaften können.

Die Managerin fordert von der künftigen Bundesregierung, Wachstum und Wohlstand wieder zu priorisieren. Dabei müssten „wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen der Kompass sein – nicht Ideologien oder kurzfristige soziale Wohltaten“. Der Strompreis müsse auf ein stabiles, wettbewerbsfähiges Niveau sinken, die Netzentgelte müssten herunter und es sei erforderlich, Erdgas als Brückentechnologie zu akzeptieren.

Vorstandschef der GMH Gruppe sieht Ende der Tragfähigkeit von CO₂-Preisen

Auch Vorstandschef Dr. Alexander Becker machte deutlich, dass ein wettbewerbsfähiges Niveau der Netto-Stromkosten von 4 bis 6 Cent pro Kilowattstunde unabdingbar sei. Er erklärt in einem Schreiben, aus dem die „Finanzmarktwelt“ zitiert:

Es ist unverständlich, warum die niedrigen Erzeugungskosten erneuerbarer Energien nicht bei der Industrie ankommen.“

Auf LinkedIn fordert Becker ein Ende der künstlichen Verteuerung von Erdgas durch politisch festgesetzte CO₂-Preise. Die GMH Gruppe werde zukünftig auch Wasserstoff für Hochtemperaturprozesse in Walzwerken und Schmieden benötigen. Solange es grünen Wasserstoff nicht in ausreichender Menge und zu vertretbaren Preisen gebe, sei man weiterhin auf Erdgas angewiesen. Deshalb könne dessen stetige Verteuerung durch CO₂-Preise so nicht weitergehen:

„Die Lenkungswirkung des CO₂-Preises ist in diesem Fall nicht vorhanden, da die Alternative Wasserstoff auf absehbare Zeit nicht verfügbar sein wird.“

Bereits im Dezember musste ein Stahlwerk tagelang seine Produktion anhalten

Das Stahlwerk in Georgsmarienhütte ist nicht die erste Produktionsstätte in Deutschland, die aufgrund der hohen Energiepreise die Produktion phasenweise stilllegen muss. Bekannt wurde das etwa im vergangenen Dezember während einer sogenannten Dunkelflaute. Am 12. Dezember 2024 hatten die Preise für Strom auf dem Spotmarkt mehr als 900 Euro pro Megawattstunde erreicht.

Unternehmen wie Feralpi Stahl in Sachsen hatten daraufhin ihre Produktion vorübergehend eingestellt. Länder wie Schweden und Norwegen haben daraufhin scharfe Kritik an der deutschen Energiepolitik geübt. Man warf Berlin vor, sich auch an Tagen der Dunkelflaute auf Lieferungen aus dem Ausland zu verlassen – und trage damit auch dort zu hohen Strompreisen bei.



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