Ende für Ramelow? Landtagswahl läuft auf Rennen zwischen CDU und AfD hinaus
Nur noch ein paar wenige Briefwahlbezirke sind für die Kommunalwahlen in Thüringen auszuzählen. Wesentliche Veränderungen bei den Ergebnissen wird es jedoch nicht mehr geben. Die CDU stagniert in den Landkreisen und kreisfreien Städten – bei einem Auszählungsstand von 98,5 Prozent kommt sie wie schon 2019 auf 27,3 Prozent, bleibt aber stärkste Kraft. Deutlich gewann mit 8,0 Prozentpunkten die AfD hinzu, die Sonstigen steigerten sich um 4,2. Alle übrigen erlitten zum Teil deutliche Verluste. Die Wahlbeteiligung stieg von 60,3 auf etwa 63 Prozent.
Von Thüringens Landtagsparteien gewinnt nur die AfD dazu
Mit einem Plus von 78 Sitzen ist die AfD die einzige im Landtag von Thüringen vertretene Partei, die absolut an kommunalen Mandaten zulegen konnte. Die Sonstigen – darunter befinden sich BSW und WerteUnion ebenso wie Wählergemeinschaften oder rechtsextreme Splittergruppen – gewannen 34 Sitze dazu.
Nach dem letzten Stand der Auszählung kommt die CDU in den Kreistagen und kreisfreien Städten auf 27,3 Prozent und 271 Sitze (plus 0,1 bzw. minus 13). Die AfD hält bei 25,7 Prozent und 255 Sitzen (plus 8,1 bzw. plus 78). Die SPD behauptet sich mit 11,6 Prozent und 107 Sitzen auf dem dritten Platz (minus 1,8 bzw. minus 24).
Deutlich abgeschlagen landet die Linkspartei auf Platz 4 mit 9,0 Prozent und 90 Sitzen (minus 5,0 bzw. 55). Die Grünen kommen auch nach Auszählung der meisten Briefwahlstimmen nur auf 4,1 Prozent (minus 3,4). Sie verlieren 36 Sitze und halten nur noch 40. Die FDP kommt auf 2,6 Prozent und 26 Sitze (minus 2,2; minus 25). Die Sonstigen kommen auf 19,6 Prozent und 192 Sitze (plus 4,2; plus 34).
BSW holt bekannten Fernsehmoderator auf die Liste
Bei der Landtagswahl im September werden sich einige Faktoren ändern. Einer davon ist, dass die lokalen Wählergruppen, die einen erheblichen Teil der Sonstigen ausmachen, dort nicht kandidieren werden. Ihre Stimmen werden sich auf andere Wahlvorschläge verteilen.
Zudem wird das Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit (BSW) nicht nur in einzelnen Wahlkreisen, sondern landesweit antreten. Wie der „Stern“ mitteilt, ist es der Partei gelungen, mit dem MDR-Nachrichtenmoderator Steffen Quasebarth eines der bekanntesten Gesichter des Freistaats für sich zu gewinnen.
Ein Faktor, der bei den Landtagswahlen 2019 eine wesentliche Rolle gespielt hatte, war der Ministerpräsidentenbonus von Bodo Ramelow. Der Wahlkampf war polarisiert – Ramelow selbst spitzte ihn auf die Frage „Bodo oder Barbarei“ und damit zwischen sich und AfD-Chef Björn Höcke zu. Dies hatte zur Folge, dass die Linkspartei durch „Leihstimmen“ anderer Parteien auf 31 Prozent der Zweitstimmen kam.
Mario Voigt als etabliertes Gegenangebot zu Höcke?
Nach den Kommunalwahlen vom Sonntag droht dieser Ramelow-Effekt nun zu verpuffen. Stattdessen läuft der Ministerpräsident selbst Gefahr, sang- und klanglos abgewählt zu werden. CDU-Landeschef Mario Voigt könnte zum neuen Hoffnungsträger der etablierten Parteien avancieren, den es gegen Höcke zu stärken gelten würde. Dazu kommt, dass das BSW jüngsten Umfragen zufolge jetzt schon gleichauf mit der Linkspartei liegt.
Gegner der AfD sehen diese als Wahlverliererin, weil es der Partei voraussichtlich nicht gelingen wird, einen weiteren Landratssitz oder Bürgermeistersessel zu erobern. In fast alle Stichwahlen, für die sich Kandidaten der Partei qualifiziert haben, gehen diese mit Rückstand.
Bei der Landratswahl im Altenburger Land und bei der Bürgermeisterwahl in Zeulenroda-Triebes liegen die AfD-Kandidaten voran. Allerdings ist ihr Vorsprung minimal und wird erfahrungsgemäß angesichts von Mehrparteienbündnissen nicht halten.
AfD gestärkt – aber weiterhin weit von eigenen Machtoptionen entfernt
Andererseits ist die AfD in neun von 21 Kreisräten und Parlamenten kreisfreier Städte stimmenstärkste Kraft. In acht dieser Kommunalvertretungen kommt sie auf mehr als 30 Prozent. In Saalfeld-Rudolstadt stand man sich zudem selbst im Weg: Dort kandidierte eine offizielle AfD-Liste ohne den Segen der Parteispitze und kam auf 18,6 Prozent. Die Landesführung hingegen stellte eine „Alternative für den Landkreis“ auf, die auf 13,7 Prozent kam. Gemeinsam wäre man stärkste Kraft geworden.
Jüngste Umfragen sehen die Partei trotz der Turbulenzen der vergangenen Wochen nach wie vor landesweit bei 30 Prozent. Damit würde es sowohl für Bodo Ramelow als auch für Mario Voigt schwierig, eine Mehrheit gegen die AfD zu bilden – zumal aufseiten der CDU immer noch ein Kooperationsverbot mit Blick auf die Linkspartei gilt.
Die AfD könnte im Vorfeld der Landtagswahl jedoch auch ihrerseits Konkurrenz auf der Rechten bekommen. Im Saale-Orla-Kreis kam die WerteUnion mit 3,2 Prozent zu einem Mandat. Die rechtsextremistische HEIMAT – ehemals NPD – konnte sich im Wartburgkreis (2,2 Prozent) und im Kyffhäuserkreis (3,1 Prozent) neben der AfD behaupten und kam jeweils auf ein Mandat.
In Hildburghausen, wo der Wahlausschuss trotz einer Vielzahl an verfassungsschutzrelevanten Erkenntnissen den Neonationalsozialisten Tommy Frenck zur Landratswahl zugelassen hatte, kam dieser ohne AfD-Konkurrenz mit 24,9 Prozent in die Stichwahl. Im Kreistag kam sein Bündnis Zukunft Hildburghausen (BZH) auf 11,9 Prozent. Die AfD legte mit 5,8 Prozentpunkten unterdurchschnittlich auf 18,1 Prozent zu. Chancen auf einen Landtagseinzug hat die Konkurrenz von ultrarechts nicht – allerdings könnte sie der AfD im Rennen um knappe Direktmandate schaden.
Ungewisses Schicksal der „Brandmauer“ in Thüringen
In einem Exklusivinterview mit „Focus online“ hat der Bochumer Politologe Oliver Lemcke erklärt, dass es der AfD gelungen sei, ihr Potenzial abzurufen. Die CDU habe sich als einzige etablierte Partei in Szene gesetzt, die noch vor Ort existent sei. Allerdings habe die AfD aufgrund ihrer Stärke in den Kreistagen „eine Erpressungsmacht“. Dies führe dazu, dass „die Brandmauer attackiert und abgetragen wird“.
Der nicht mehr angetretene CDU-Bürgermeister im thüringischen Waltershausen, Michael Brychcy, hat sich gegenüber dem „Deutschlandfunk“ auch schon in diesem Sinne geäußert. Er sieht im Ergebnis seiner Partei einen „Rückschlag“. Eine „Brandmauer“ sei faktisch kaum durchzuhalten, wenn die Zahl der gewählten Kommunalvertreter von AfD und Linkspartei entsprechend groß sei.
Sachlich unterstützenswerte Anträge abzulehnen, weil sie von der AfD kämen, und sie später als eigene einzubringen, erzeuge nur noch größeren Unmut bei Wählern. Deshalb plädiert Brychcy dafür, bei kommunalpolitischen Themen wie Fußgängerübergängen oder Eintrittspreisen des lokalen Schwimmbads pragmatisch mit Vorschlägen von AfD und Linkspartei umzugehen. Nach den Landtagswahlen könne sich der Politiker eine Zusammenarbeit mit dem BSW vorstellen.
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