Empörung nach „Deutschlandstudie“: NRW-Bürgermeister verweigern neue ZDF-Studien

Die schlechten Ergebnisse bei "Die große Deutschlandstudie" des ZDF rühren die Gemüter der NRW-Landräte und Bürgermeister. In einem Boykottbrief verweigern sie ihre Teilnahme an den nächsten ZDF-Studien, deren negatives Ergebnis bereits jetzt "absehbar und teilweise systematisch begründet" sei.
Titelbild
Oberhausen landete in der Deutschlandstudie auf dem viertletzten Platz., gefolgt von Duisburg, Herne und Gelsenkirchen.Foto: istockphoto/Jule_Berlin
Epoch Times8. April 2019

Die neueste ZDF-Studie kam bei den Bürgermeistern und Landräten in NRW nicht gut an. Die Städte Oberhausen, Duisburg, Herne und Gelsenkirchen landeten bei „Die große Deutschland-Studie“ auf den letzten Plätzen.

Bei einer Studie  zum Thema „Wo lebt es sich am besten“ verglich das ZDF 401 Städte und Kreise in Deutschland. Dabei landete NRW im letzten Viertel, vier der Städte bildeten die Schlusslichter.

Dieses Ergebnis sorgte für Empörung der Bürgermeister und Landräte. In einem „Boykottbrief“ richteten sie laut „Focus“ klare Worte an das ZDF:

Die teils heftigen Debatten der zurückliegenden Monate nach Veröffentlichung der ,Deutschland-Studie’ haben uns nicht nur keine neuen Erkenntnisse geliefert; sie haben uns hier in der Region auch nicht weiter gebracht … Wir sind nicht der Überzeugung, dass wir uns an einer Studie beteiligen sollten, deren negatives Ergebnis … absehbar und teilweise systematisch begründet ist.“

Als Beispiel führten die Oberhäupter der NRW-Städte und -Landkreise an, dass Hagen, die waldreichste Stadt in NRW, im Bereich „Freizeit und Natur“ lediglich Platz 321 von 401 belegte. Sie kommen zu dem Ergebnis: „Das ist so nicht vermittelbar.“

Eine Teilnahme an erneuten Studien des ZDF, dem geplanten „Familienatlas“ und dem „Seniorenatlas“, lehnen sie ab. Stattdessen würden sie sich gerne „an einem Projekt beteiligen, das den Fokus darauf richtet, wie die Menschen in der Metropole Ruhr die Lebensqualität ihrer Heimat selbst einschätzen.“

Oliver Wittke, CDU, Mitglied des Deutschen Bundestags. Foto: Thomas Trutschel/Deutscher Bundestag

Der parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Oliver Wittke (CDU), spricht hingegen von einem „Realitätsverweigerung“ der Stadtoberhäupter. Gegenüber „WR“ sagte er:

Leugnung von Sozialdaten hilft nicht weiter. Die Veränderung zum Besseren beginnt mit der Akzeptanz der Realität. Und genau das verweigern die Oberbürgermeister. Auch andere Untersuchungen bescheinigen unseren Städten Defizite im Bereich Selbstständigkeit, Forschung und Entwicklung, Personennahverkehr, Flächenverfügbarkeit.“

Er rät den Oberhäuptern eine Zusammenlegung von Verkehrsgesellschaften und Erweiterung von Gewerbeflächen.

Dass Gelsenkirchen nach wie vor die höchste Arbeitslosigkeit der Republik aufweist, kann man auch durch eine Nicht-Teilnahme an Untersuchungen nicht kaschieren“, so der ehemalige Gelsenkirchener Bürgermeister Wittke laut „WR“.

Gemeinsam mit Bürgermeistern, Vertretern des Regionalverbandes Ruhr sowie Wissenschaftlern möchte er in Berlin Zukunftskonzepte für die Region besprechen.

Die Deutschland-Studie 2018: „Leben in Frieden und Rechtsstaat nicht erfasst“

In der Deutschlandstudie wurden statistische Werte miteinander verglichen. Darin sollten „Lebensumstände in jenen Bereichen gemessen werden, die den Menschen in der Regel grundsätzlich wichtig sind, wenn es um Lebensqualität geht“.

Eine Erfassung der „subjektiven Wünsche und unterschiedliche Ansprüche des Einzelnen“ erfolgte ausdrücklich nicht. Damit wurde auch nicht erfasst, ob Menschen lieber auf dem Land oder in der Stadt wohnen.  „Auch persönliche Umstände wie Mentalität, Heimatgefühl sowie „glückliche“ oder „unglückliche“ Ereignisse wie Familiengründung“ sind nicht erfasst.

In der Studie heißt es auch ganz klar:

Überregionale Faktoren wie „Leben in Frieden“ oder „Leben in einem Rechtsstaat“ sind vielen Menschen sehr wichtig, wurden hier aber ausgeklammert, da diese Bedingungen für die Bundesrepublik allgemein gelten.“

Und so schnitten die NRW-Städte und -Landkreise bei der Deutschland-Studie 2018 ab:

  • Ennepe-Ruhr-Kreis: Rang 338 von 401
  • Kreis Wesel: Rang 356 von 401
  • Mülheim an der Ruhr: Rang 369 von 401
  • Bochum: Rang 371 von 401
  • Essen: Rang 379 von 401
  • Hagen: Rang 387 von 401
  • Hamm: Rang 390 von 401
  • Bottrop: Rang 391 von 401
  • Kreis Recklinghausen: Rang 393 von 401
  • Dortmund: Rang 394 von 401
  • Kreis Unna: Rang 395 von 401
  • Oberhausen: Rang 398 von 401
  • Duisburg: Rang 399 von 401
  • Herne: Rang 400 von 401
  • Gelsenkirchen: Rang 401 von 401

Eine Bertelsmann-Studie erfasste NRW als regelrechte „Hartz-IV-Kolonie“. Von den zehn Städten mit dem höchsten Anteil an Hartz-IV-Empfängern befanden sich acht im Bundesland NRW, von den ersten 18 waren es 13 – geführt von Gelsenkirchen. Dort hatte sich der Prozentsatz an Sozialhilfeempfängern von 21 im Jahr 2007 auf 26 gesteigert hat.

Auch in Essen, Dortmund, Duisburg, Herne, Mönchengladbach, Wuppertal und Recklinghausen stieg der Prozentsatz an Hartz-IV-Empfängern um zwei bis vier Prozent. Die einzigen Städte in den Top 10 der Armutswertung, die nicht in NRW liegen, sind Saarbrücken und Bremen. (sua)



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