Empörung in der SPD: Aufarbeitung der Vorwürfe gegen Adenauer gefordert

Dass Konrad Adenauer innenpolitische Gegner überwachen ließ, war bekannt. Doch nun sind Dokumente ausgewertet worden, die eine ganz neue Dimension enthüllen sollen. Die SPD fordert die CDU zum Handeln auf.
Aus Akten der Konrad-Adenauer-Stiftung soll hervorgehen, dass der erste Kanzler der Bundesrepublik die SPD-Spitze mithilfe zweier Informanten weitaus stärker ausspionieren ließ als bislang angenommen.
Aus Akten der Konrad-Adenauer-Stiftung soll hervorgehen, dass der erste Kanzler der Bundesrepublik die SPD-Spitze mithilfe zweier Informanten weitaus stärker ausspionieren ließ als bislang angenommen.Foto: dpa
Epoch Times10. April 2022

Die SPD hat mit Empörung auf einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ reagiert, wonach Konrad Adenauer (CDU) die SPD-Spitze als Bundeskanzler fast zehn Jahre lang ausspionieren ließ. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert forderte die CDU auf, die Vorgänge aufzuarbeiten.

„Es ist ein ungeheuerlicher und in der bundesrepublikanischen Geschichte wohl beispielloser Vorgang, dass der erste demokratische Bundeskanzler seine Macht systematisch unter Missachtung rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien ausbaute und festigte“, sagte Kühnert der „Süddeutschen Zeitung“ (Online). „Es wird Zeit, sich als deutsche Christdemokratie einer kritischen Aufarbeitung zu stellen.“ Die Aufdeckung dieses „skrupellosen Machtmissbrauchs lässt Teile unserer bundesrepublikanischen Geschichte in einem gänzlich anderen Licht erscheinen“.

„SZ“: Fast 500 vertrauliche Berichte

Wie die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf historische Dokumente berichtete, hatte Adenauer die SPD-Spitze mithilfe zweier Informanten weitaus stärker ausspionieren lassen als bislang angenommen. Einer von ihnen soll direkt in der SPD-Spitze gearbeitet haben. Fast 500 vertrauliche Berichte aus dem SPD-Vorstand seien so in das CDU-geführte Kanzleramt gelangt. Adenauer, der von 1949 bis 1963 regierte, sei über den Spitzel des Bundesnachrichtendienstes (BND) oft noch am selben Tag über Vorgänge in der Oppositionspartei informiert worden.

All dies geht dem Bericht zufolge aus Akten der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung hervor, die der Historiker Klaus-Dietmar Henke ausgewertet hat und die die „Süddeutsche Zeitung“ einsehen konnte. Henke ist Sprecher der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des BND.

Es sei heute zwar sinnlos, darüber zu spekulieren, inwiefern der Verlauf der Geschichte ohne diese massive politische Wettbewerbsverzerrung ein anderer gewesen wäre, sagte Kühnert. Das mindere jedoch nicht die Sprengkraft der Erkenntnisse. Vor diesem Hintergrund müssten Geschichtsbücher und Biografien neu geschrieben und insbesondere „das Werk Adenauers in Anbetracht seines Missbrauchs des Auslandsgeheimdienstes neu eingeordnet werden“.

Einer der Ausspionierten war Willy Brandt

Dass Adenauer über seinen Staatssekretär Hans Globke und Reinhard Gehlen, den Leiter der nach ihm benannten Organisation Gehlen, innenpolitische Gegner überwachen ließ, war bereits bekannt. Das wohl prominenteste Beispiel ist der spätere SPD-Bundeskanzler Willy Brandt. Die nun ausgewerteten Dokumente offenbaren laut „SZ“ aber eine „neue Dimension“ der Spionage bei der politischen Konkurrenz. Aus der Organisation Gehlen ging 1956 der BND hervor.

Die beiden Hauptlieferanten von vertraulichen Informationen aus der SPD-Spitze waren demnach die beiden Sozialdemokraten Siegfried Ortloff und Siegfried Ziegler. Ortloff arbeitete für den SPD-Vorstand und war dort für die Abwehr kommunistischer Unterwanderung zuständig. Ziegler war Mitglied der Organisation Gehlen sowie SPD-Kreisvorsitzender in Starnberg. Beide lieferten demnach Informationen an Gehlen, die über Globke ihren Weg zu Adenauer fanden.

So habe Adenauer etwa erfahren, was im SPD-Vorstand über den damals erwogenen Wechsel zum Mehrheitswahlrecht besprochen wurde – oder wer als SPD-Kandidat bei der Bundespräsidentenwahl antreten würde. Auch die vertrauliche Mitteilung, dass der damalige Parteivorsitzende Erich Ollenhauer bei der Bundestagswahl 1961 nicht erneut als Kanzlerkandidat kandidieren wolle, erhielt Adenauer demnach zeitnah. (dpa/red)



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