Elf Wochen nach der Wahl in Thüringen: Linke trifft sich erstmals offiziell mit CDU und FDP
Elf Wochen nach der Thüringer Landtagswahl ist es so weit: Das rot-rot-grüne Bündnis von Linke-Ministerpräsident Bodo Ramelow trifft sich an diesem Montag erstmals offiziell mit CDU und FDP.
Linke, SPD und Grüne fehlen vier Stimmen an einer Minderheitsregierung im Parlament in Erfurt. Ihr Regierungsprogramm werde voraussichtlich an diesem Mittwoch fertig sein, kündigte Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow an. Fraglich ist nur, wie all die Projekte – drittes gebührenfreies Kita-Jahr, mehr Lehrer und Polizisten – ohne Mehrheit im Landtag umgesetzt werden sollen.
Projektregierung Linke / CDU
CDU-Partei- und Fraktionschef Mike Mohring hatte nach der Landtagswahl zwar kurz in Richtung Ramelow geschaut, wurde aber von der Bundespartei und dem Landesvorstand gestoppt. Danach hieß es bei der CDU nur noch: Keine Zusammenarbeit mit der Linken – weder in einer Regierung noch durch eine Tolerierung von Rot-Rot-Grün. Auch die FDP, der knapp der Einzug ins Parlament gelang, machte die Schotten dicht.
Eine Projektregierung Linke/CDU wäre ebenso wie eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung ohne Tolerierungspartner ein politisches Novum in Deutschland und ein Tabubruch. 2018 hat ein CDU-Bundesparteitag beschlossen: keine Zusammenarbeit mit der Linken oder der AfD.
Ramelow sagte, er kenne den Projektregierungsvorschlag bisher nur aus den Medien. Ob die CDU konkreter wird, ist offen. Sie will erst Mitte der Woche in einer Klausur klären, ob der Vorschlag in ihren eigenen Reihen mehrheitsfähig ist und dann offiziell der Linken unterbreitet wird.
CDU-Generalsekretär Raymond Walk sagte zu dem Modell: „Ich könnte mir das so vorstellen, dass die Regierung durch verschiedene Projekte zusammengehalten wird. Dabei wäre dann aber jeder autark für seine jeweiligen Projekte zuständig.“ Linke-Chefin Hennig-Wellsow hat bereits recht direkt reagiert: „Die CDU kommt mit ihrem Denkprozess zu spät.“
Mehr Demokratie, weniger Parteibuch
„Es ist Zeit, mehr Demokratie zu wagen und weniger Parteibuch“, verlangt Ramelow seit Wochen. Die Erwartungen an das Treffen sind nicht sehr hoch. Er gehe von einer Zusammenarbeit mit CDU und FDP „unterhalb einer Tolerierung“ aus, sagte SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee. Rot-Rot-Grün fürchte eine „destruktive Oppositionsmehrheit“, wie es Grünen-Umweltministerin Anja Siegesmund ausdrückt.
CDU-Chef Althaus sprach davon, seine Partei sei zur Fundamentalopposition und damit zum politischen Zuschauen verdammt. Auch das Gefühl, die CDU sei in der Opposition neben der AfD gefangen, behagt vielen in der Partei nicht. Es gibt Stimmen, nicht nur von Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, für ein Zugehen auf die Partei von Ramelow. Der gebürtige Niedersachse gilt manchen eher als linker Sozialdemokrat.
Vorbild Österreich
Politikwissenschaftler sprechen von einer Konstellation, die neue Wege erfordere. „Das können – wie in Österreich – Koalitionen der gelebten und vereinbarten Differenz ebenso sein wie Minderheitsregierungen, die ad hoc und punktuell projektbezogen Mehrheiten erarbeiten“, sagte der Parteienforscher Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen jetzt der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Der Jenaer Parteienforscher Torsten Oppelland vertrat bereits nach der Landtagswahl die Meinung, eine Minderheitsregierung brauche eine halbwegs verlässliche Zusage, dass zumindest ein Teil ihrer Projekte unterstützt werde. (dpa)
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