Einzelimpfstoff aus der Schweiz erfüllt Masernimpfpflicht in Deutschland
Masern, Mumps, Röteln. Wer sein Kind gegen Masern impfen lässt, musste in Deutschland bislang auf einen Dreifach-Impfstoff zurückgreifen. Wenn dieser nicht vorhanden war, verabreichten Arztpraxen einen kombinierten Vierfach-Impfstoff, der auch vor Windpocken schützen soll. Doch es geht auch anders.
Das Verwaltungsgericht Ansbach entschied am 5. Mai 2022, dass eine Masernimpfung auch dann ausreichend ist, wenn ein in der Schweiz zugelassener Einzelimpfstoff verabreicht wurde. Im konkreten Fall ging es um einen Dreijährigen, der den Kindergarten nicht besuchen durfte.
Das Kind sollte von der Krippe in den Kindergarten wechseln. Dafür legten die Eltern den Nachweis vor, dass das Kind zweimal mit einem in der Schweiz zugelassenen Einzelimpfstoff gegen Masern geimpft worden war. Das Gesundheitsamt untersagte ihm daraufhin den Wechsel bis zum Nachweis eines ausreichenden Masernimpfschutzes. Ein ausreichender Schutz gegen Masern im Sinne des Infektionsschutzgesetzes sei durch den in Deutschland nicht zugelassenen Impfstoff nicht erworben, argumentierte die Behörde.
Keine Einschränkung von Masernimpfstoffen
Das Gericht sah das anders. Die 18. Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach folgte dem Eilantrag der Eltern des Kindes. Das Infektionsschutzgesetz sehe bezogen auf die Masernimpfung keine Einschränkung auf Impfstoffe vor, die nur in Deutschland zugelassen seien. Anders als bei den COVID-Impfstoffen, bei denen eine EU-Zulassung vorgeschrieben ist, gebe es keine Einschränkung bezüglich der Masernimpfstoffe.
Der verwendete Impfstoff könne zulässigerweise von deutschen Apotheken importiert werden und stehe damit deutschen Verwendern entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes zur Verfügung, hieß es seitens des Gerichts. Auch sei nicht ersichtlich, dass der verwendete Wirkstoff aus der Schweiz weniger sicher und wirksam sei, als in Deutschland zugelassene Wirkstoffe.
Die Ärzte und Ärztinnen für individuelle Impfentscheidung, kurz ÄFI, werten dieses Urteil als Erfolg. Der Verein hatte das Verfahren mit medizinischem Fachwissen unterstützt. Nach der Entscheidung im Eilverfahren dürfe das dreijährige Kind ab sofort in den Kindergarten, teilte ÄFI mit.
Ob die Stadt Nürnberg nun Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einlegt, bleibe abzuwarten. „Durch die ausführliche Begründung des Gerichtes erscheint eine anderslautende Entscheidung in der Hauptsache aber unwahrscheinlich“, heißt es von dem Verein weiter.
Einzelimpfstoff eher Ausnahme
Trotzdem gehen die Ärzte von ÄFI davon aus, dass eine Impfung mit dem Masern-Einzelimpfstoff eine Ausnahme bleiben wird:
„Ärztinnen und Ärzten wie Familien muss bewusst sein, dass Measles Vaccine Live in Deutschland über keine Zulassung als Impfstoff verfügt.“ Er könne zwar als sogenannter Einzelimport über deutsche Apotheken legal in Deutschland bezogen werden. Aber wegen der fehlenden Zulassung handele es sich um einen Off-label-use, das heißt „nicht bestimmungsgemäßer Gebrauch”.
„Im Falle eines Impfschadens würde deshalb die Herstellerfirma nicht haften. Ob in einem solchen Fall der staatliche Entschädigungsanspruch besteht, ist ungeklärt“, klärt das Netzwerk auf.
Dennoch sei es erfreulich, dass das Verwaltungsgericht Ansbach zumindest klargestellt hat, dass auch mit dieser Impfung der gesetzlich geforderte Nachweis ausreichenden Masernschutzes erbracht werden kann.
Masern in Deutschland zurückgegangen
Für das Jahr 2020 wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) 76 Masernfälle übermittelt, in den Vorjahren waren es noch über 500. Diese Entwicklung führt die Behörde auf die Corona-Maßnahmen zurück.
„Es ist nicht zu erwarten, dass die Masernfallzahlen in Deutschland und der Europäischen Region so niedrig bleiben, wenn die Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie wieder gelockert werden“, heißt es in dem vom RKI herausgegebenen Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2020. Es bleibe wichtig, die Immunitätslücken in der Bevölkerung zu erkennen und so schnell wie möglich zu schließen.
In Österreich wurden im Jahr 2022 mit Stand 29. März keine Masernfälle gemeldet. Im Vorjahr war es lediglich ein Fall, 2020 wurden 25 Fälle registriert.
Obwohl der gesetzlich geforderte Nachweis über eine Masernimmunität auch mit einem Antikörpernachweis erfolgen kann, wird seitens der deutschen Behörden nur selten darauf hingewiesen. Im Gegenteil. „Die Feststellung einer Masernimmunität sollte primär durch eine Kontrolle des Impfausweises erfolgen.[…] Eine Antikörperkontrolle nach der Impfung wird von der STIKO nicht empfohlen“, so das RKI.
Sobald zwei Masernimpfungen dokumentiert seien, könne ein Schutz trotz eines negativen oder grenzwertigen Antikörperspiegels angenommen werden. Diese Einschätzung beruhe auf der Erkenntnis, dass der Masernschutz sowohl von der Antikörper-vermittelten Immunität als auch von der zellulären Immunität vermittelt werde, für die kein Routinemessverfahren zur Verfügung steht.
Ungeachtet dessen kann es jedoch auch bei Maserngeimpften zu einzelnen Erkrankungsfällen kommen.
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