Einnahmeausfälle, geschlossene Konzertsäle: Künstler verlieren Klage gegen Kultur-Lockdown
Der Berufsmusiker Martin Kilger ist vor dem Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Versuch gescheitert, vom Land Baden-Württemberg Entschädigung für seine Einnahmeausfälle zu Beginn der Pandemie zu erstreiten. Die Corona-Maßnahmen im Frühling und Frühsommer 2020 seien „rechtmäßig“ gewesen, entschied der BGH am Donnerstag, 3. August 2023, in Karlsruhe. Baden-Württemberg hatte wie die anderen Bundesländer Veranstaltungen zunächst verboten und das Verbot später stufenweise gelockert. (Az. III ZR 54/22).
Corona-Hilfen teilweise zurückgezahlt
Kilger forderte 8.300 Euro, weil er im Frühling 2020 nicht auftreten konnte. Ihm seien dadurch Einnahmen weggebrochen: Seine Aufträge bestünden zu mehr als 90 Prozent aus Liveauftritten, gab er an. Corona-Hilfen, die auch er erhalten hatte und zum Teil zurückzahlen musste, seien außerdem in keiner Weise ausreichend gewesen. Vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht Stuttgart hatte Kilger keinen Erfolg. Nun wies der BGH seine Revision zurück.
Zwar sei durch die damaligen Beschränkungen in den Betrieb des Klägers als Eigentum eingegriffen worden, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann bei der Urteilsverkündung. Die Verordnungen des Landes seien verhältnismäßig und zum Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung absolut notwendig gewesen, betonte der 3. Senat. „Es gab damals kein Medikament, keine Impfungen“, sagte der Vorsitzende Richter. „Es galt zudem, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.“
Kilger erwägt Gang vor Bundesverfassungsgericht
Herrmann führte aus, dass der Musiker Kilger nur zweieinhalb Monate lang gar nicht auftreten konnte. Das sei zumutbar gewesen, der Steuerzahler könne das Unternehmerrisiko nicht umfassend abnehmen.
Der BGH hatte staatliche Haftung für Einnahmeausfälle wegen der Corona-Maßnahmen bislang immer ausgeschlossen. Dabei war es um Friseursalons und Gaststätten gegangen.
Kilger zeigte sich nach dem Urteil vom Donnerstag „traurig“, auch wenn er darauf vorbereitet gewesen sei. Über Kultur sei nicht gesprochen worden, sagte er. „Leben und Gesundheit der Kultur wurden leider nicht geschützt.“ Er behielt sich vor, nach Rücksprache mit seinem Anwalt noch vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.
Der Anwalt des Landes aus den Vorinstanzen, Malte Weitner, begrüßte die Entscheidung. Der BGH habe nun schon zum dritten Mal in die gleiche Richtung entschieden. „Corona traf alle, die ganze Gesellschaft, manche mehr, manche weniger“, sagte er. Finanzielle Verluste während dieser Zeit gehörten auch zum unternehmerischen Risiko.
Auch in vorherigen Urteilen hatte der BGH eine Staatshaftung wegen coronabedingter Einnahmeausfälle stets zurückgewiesen. So scheiterte im Mai 2023 eine Friseurin, die ihren Betrieb 2020 während eines sechswöchigen Lockdowns hatte schließen müssen und dafür einen Ausgleich gefordert hatte. Zuvor waren im März ein Gastronom und ein Hotelier mit ihren Klagen abgeblitzt.
Initiative scheitert mit Klage gegen Schließung von Opernhäusern
Einen anderen Ansatz hatte bereits im Dezember 2020 eine Gruppe renommierter klassischer Künstler um den Bariton Christian Gerhaher.
Die Initiative „Aufstehen für die Kunst“ ging gegen die pauschale Schließung von Konzert- und Opernhäusern zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gerichtlich vor, um diese aufheben zu lassen. Dazu wollte sie einen entsprechenden Antrag beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof München einreichen.
Dann rief der Freistaat jedoch den Katastrophenfall aus, sodass die Künstler ihren Antrag vorläufig zurückzogen. Die Initiative unterstützen Sänger und Musiker wie die Geigerin Anne-Sophie Mutter, der Tenor Rolando Villazón sowie der Dirigenten Kent Nagano.
Im Februar bereitete die Gruppierung einen Eilantrag vor, die Epoch Times berichtete darüber. Darin hieß es unter anderem, dass Kunst und Kultur in ihrer Bedeutung auf eine Stufe gestellt werden sollen mit der Versammlungs- und Religionsfreiheit. „Wir wollen eine Gleichbehandlung“, forderten Gerhaher und seine Mitstreiter. Den Eilantrag lehne der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ab. Erfolglos war auch der Versuch der Initiative vor dem Bundesverfassungsgericht.
Verletzung der Grundrechte nicht ausreichend dargelegt
Die Karlsruher Richter lehnten die Beschwerde gegen die gesetzlichen Beschränkungen von Kulturveranstaltungen ebenfalls ab. In der Begründung hieß es unter anderem, dass eine Verfassungsbeschwerde keine „hinreichende Aussicht auf Erfolg“ hat, da ihre Begründungen den Anforderungen des Bundesverfassungsgesetzes (§ 23, Abs. 1, Satz 2 und § 92) nicht genügt.
Die Musiker hätten die Möglichkeit einer Verletzung ihrer Grundrechte nicht ausreichend dargelegt. Auch setze sich die Beschwerde mit der bislang ergangenen fachgerichtlichen Rechtsprechung zur Untersagung der Öffnung von Kultureinrichtungen beziehungsweise Kulturveranstaltungen nicht ausreichend auseinander.
Julia Neigel kritisiert „2G-Impfpflicht“ für Konzerte
Auch die deutsche Rocksängerin Julia Neigel zog vor den Kadi und klagt gegen den „Kultur-Lockdown“ während der Corona-Pandemie in Sachsen. Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Bautzen steht noch aus.
Im Mittelpunkt steht eine Normenkontrollklage der Musikerin gegen die Corona-Schutzverordnung des Landes vom 5. November 2021. Julia Neigel wirft dem Bundesland vor, nach der Aufhebung der pandemischen Lage in Deutschland eine „2G-Impfpflicht“ für Konzerte eingeführt zu haben, obwohl diese laut Infektionsschutzgesetz „gar nicht vorgesehen war“. Für Monate habe der Freistaat alle Kulturbetriebe geschlossen.
Diese ohne konkrete Hotspot-Regelung und parlamentarischen Beschluss angeordneten Kultur-Lockddowns „müssen überprüft werden“, sagte sie unter Verweis darauf, dass kulturelle Teilhabe „ein Menschenrecht“ sei. „Kultur ist systemrelevant“, zitiert die „Neue Musikzeitung“ (NMZ) die Sängerin.
Neigel spricht von „willkürlicher Handhabe“, sie selbst habe mehrere Konzerte absagen müssen. Eine solche Vorgehensweise dürfe sich nicht wiederholen und eine „Blaupause“ für künftige Krisen dieser Art sein. Einen Eilantrag hatte das Oberverwaltungsgericht bereits zurückgewiesen.
Urteil vermutlich erst im Winter
Die Verhandlung zu einer Normenkontrollklage fand am 27. Juli 2023 statt, war allerdings nur von kurzer Dauer und wurde vertagt. Der Senat ließ am Donnerstag einen von Neigels Prozessbevollmächtigten nicht zu. Es müssten weitere Erkundigungen eingeholt werden, begründete der Vorsitzende kurz nach Beginn.
So habe das Gericht bisher nicht prüfen können, ob es sich bei der von ihm vertretenen Künstlergewerkschaft Good Governance Gewerkschaft um eine Gewerkschaft im Sinne des Gesetzes handele. Vermutlich werde sich der Senat erst im Winter 2023/2024 mit dem Fall beschäftigen können.
Neigel zeigte sich nicht enttäuscht über die Verschiebung. „Dann haben wir noch mehr Zeit zur Vorbereitung“, sagte sie der „Deutschen Presse Agentur“ (dpa). Es gebe immer wieder neue Erkenntnisse und Studien, die besser aufklärten.
Neigel freute sich, dass auch Kollegen aus der Kulturszene angereist waren. Einige hätten draußen bleiben müssen, weil der Saal zu klein gewesen war.
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