„Eine einzige Katastrophe“: Scharfe Kritik für Cannabisgesetz im Bundesrat

Der Bundesrat hat eine Reihe von Ergänzungen zum Kabinettsentwurf des geplanten Cannabisgesetzes (CanG) gefordert und das Vorhaben als Ganzes scharf kritisiert. Nach dem Willen der Regierung soll das Gesetz aber schon in drei Monaten greifen.
Der Erste Bürgermeister von Hamburg und Bundesratsvorsitzende Peter Tschentscher eröffnet in Berlin die Sitzung des Bundesrates. Heute auf dem Programm: Das Heizungsgesetz, Verbandsklagen sowie die Cannabislegalisierung.
Der Erste Bürgermeister von Hamburg und Bundesratsvorsitzende Peter Tschentscher eröffnet in Berlin die Sitzung des Bundesrates am Freitag.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 30. September 2023

Der Bundesrat hat am Freitag, den 29. September, eine Reihe von Änderungen und Ergänzungen am Entwurf des geplanten Cannabisgesetzes (CanG) gefordert. Ob sie zum Tragen kommen, bleibt unklar: Nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) soll das Gesetz möglichst schon zum Jahresbeginn 2024 greifen. Und nach Angaben des Gesundheitsministeriums ist die Zustimmung des Bundesrats nicht erforderlich.

Trotzdem traten gleich vier Landesvertreter aus den Reihen der Union ans Rednerpult, um ihre Nachbesserungsvorschläge zu verlesen und ihrem Unmut Luft zu machen.

Haseloff: „Dieses Gesetz ist falsch“

Rainer Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, machte gleich zu Beginn der Debatte keinen Hehl daraus, dass er das Gesetz am liebsten gar nicht unterstützen will: „Dieses Gesetz ist falsch und […] seiner Amtsausführung nach eine einzige Katastrophe.“ Er glaube nicht daran, dass die Entkriminalisierung von Cannabis dazu dienen könne, Gesundheitsschutz und Prävention zu verbessern. Einen Kausalzusammenhang gebe es dabei jedenfalls nicht, so Haseloff. Er befürchte „mehr Bürokratie“ und halte eine legale Besitzmenge von 25 Gramm für zu hoch: „Wer garantiert, dass der zulässige THC-Wert von maximal zehn Prozent eingehalten wird?“

Davon abgesehen habe Deutschland aus seiner Sicht aktuell ganz andere Probleme zu bewältigen als ein Cannabisgesetz. Haseloff nannte den Ukrainekrieg, die Rezession, Medikamentenmangel und den „Umbau unserer Krankenhauslandschaft“.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat die Legalisierung von Cannabis am 29.09.2023 als „großen Fehler“ bezeichnet.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bezeichnete die Legalisierung von Cannabis am 29.09.2023 als „großen Fehler“. Foto: Bildschirmfoto/Bundesrat

Sütterlin-Waack sieht zusätzlichen Personalbedarf

Sabine Sütterlin-Waack (CDU), Landesinnenministerin von Schleswig-Holstein, thematisierte die „erheblichen Lücken“ im Gesetzentwurf. Diese beträfen beispielsweise die Bekämpfung der Schwerkriminalität, das richtige Maß an Strafbarkeit für den Jugendschutz und den Erwerb illegaler Ware.

Wichtig sei ihr auch, dass der Bund die Kosten für Überwachung, behördliche Kontrolle und eine „erweiterte Suchtprävention“ übernehme, die auf die Länder zukommen würden. Für all die neuen Aufgaben werde es zusätzlichen Personalbedarf geben.

Herrmann befürchtet „administratives Bürokratiemonster“

Florian Herrmann (CSU), der bayerische Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien, sprach von einer „Büchse der Pandora“, die eine „echte Bedrohung“ für Kinder und Jugendliche sei. Kein Mensch blicke bei dem aktuellen Gesetz mit seinen „absurdesten Konstruktionen“ durch. Das ganze Gesetz sei „von vorneherein missglückt“ und werde „auch in der Praxis nicht gut werden“, so Herrmann.

Cannabis sei „einfach gefährlich“, insbesondere für Kinder und Jugendliche. „Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen zur Prävention sowie zum Jugendschutz“ seien „einfach unzureichend“. Das betreffe auch die „Verbotszonen“. Herrmann sagte in jedem Fall ein „administratives Bürokratiemonster“ voraus.

Nach Angaben des „Münchener Merkur“ will der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) das Gesetz unbedingt verhindern. Dazu wolle er im Bundesrat einen „Plenarantrag“ stellen. Sollte er damit scheitern, beabsichtige er wenigstens, „eine zentrale Kontrolleinheit“ für das CanG ins Leben zu rufen, um „den Konsum dieser gefährlichen Droge ein[zu]dämmen und so weit wie möglich [zu] verhindern“. Die „Kontrolleinheit“ solle vor allem für die Überwachung der geplanten Anbauvereinigungen eingesetzt werden. Details zu den Plänen seien noch „in Abstimmung“, so der „Merkur“.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) habe zwar bereits Verständnis für Holetscheks Vorstoß signalisiert, aber zu bedenken gegeben, dass es personell „keine Ressourcen für eigene Cannabis-Kontrollen“ gebe.

Wie der „Merkur“ weiter berichtet, sei in der bayerischen Landeshauptstadt bereits im April 2023 ein „Cannabis-Club“ auf den Weg gebracht worden. Schon 3.500 Menschen hätten sich auf der Interessentenliste eintragen lassen. Das Oberlandesgericht habe allerdings einen regulären Eintrag im Vereinsregister verhindert, weil das CanG noch nicht verabschiedet sei.

Schuster vermisst „Präventionskampagne“

Doch zurück in den Bundesrat. Dort verwies der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) als letzter Redner des Tagesordnungspunktes wie sein Vorredner Herrmann auf die Niederlande, wo man die Legalisierung von Cannabis mittlerweile als „den größten Fehler“ betrachte.

Er vermisse zudem die bereits groß angekündigte „Präventionskampagne“ und hege den Verdacht, dass die Freigabe auch ohne geschehen könnte. Dabei werde sich das Gesetz „massiv“ auf die Verkehrssicherheit auswirken: „Und wir wissen nicht einmal: Wie lange kann man’s im Körper nachweisen?“.

Wenig Verständnis von Richtern, Polizei und Ärzten

Nicht nur aus Unionsreihen, sondern auch von Vertretern der SPD gibt es viel Unmut über Karl Lauterbachs Cannabis-Legalisierungsvorhaben.

Nach Angaben des Portals „LTO“ sind beispielsweise Hamburgs Innensenator Andy Grote und Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (beide SPD) gegen das Gesetz.

Auch der Richterbund, die Gewerkschaft der Polizei und Kinder- und Jugendmediziner sind dagegen. Unter Studenten gehen die Meinungen auseinander.

Bundestagsdebatte am 13. Oktober

Nach Angaben des Bundesrats wird die Bundesregierung nun eine „Gegenäußerung“ zu den Anmerkungen der Redner verfassen „und dem Bundestag zur Entscheidung“ vorlegen.

Am 13. Oktober um 11.40 Uhr steht das CanG aktuell noch auf der Tagesordnung im Bundestag. Neben dem geplanten Gesetz soll auch über den Antrag von CDU/CSU „Cannabislegalisierung stoppen, Gesundheitsschutz verbessern – Aufklärung, Prävention und Forschung stärken“ beraten werden.

Falls das Parlament das CanG verabschiedet, will sich der Bundesrat noch einmal abschließend damit befassen.

Darum geht es im CanG

Im Kern sieht der aktuelle Gesetzentwurf (PDF) des Kabinetts vor, Kauf und Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für über 18-Jährige zu erlauben. Parallel soll die Droge im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen werden.

Für Jugendliche unter 18 Jahren, die mit Cannabis erwischt werden, soll es zwar keine strafrechtlichen Konsequenzen geben, aber eine Pflicht zur Teilnahme an einem Präventionsprogramm.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist überzeugt, dass durch das CanG der Schwarzmarkt eingedämmt, die Drogenkriminalität bekämpft und der Gesundheitsschutz erhöht werden kann. Für Fragen erstellte das Bundesgesundheitsministerium eine eigene FAQ-Seite.

Anbau und Abgabe des Hanfprodukts sollen möglichst kontrolliert über spezielle Vereine erfolgen. Um Mitglied in solch einem Verein zu werden, müssen die Personalien angegeben und eine Mitgliedsgebühr gezahlt werden. Dafür kann dann über den Verein monatlich bis zu 50 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum erworben werden. Für 18- bis 21-Jährige soll die Grenze nach Angaben des Portals „Onvista“ bei 30 Gramm pro Monat liegen – mit einem „maximalen Gehalt von zehn Prozent an Tetrahydrocannabinol (THC)“.

Auch der private Anbau von maximal drei Pflanzen zum Eigenbedarf soll gestattet werden. In der Öffentlichkeit soll in einem Abstand von bis zu 200 Metern zu Schulen, Kitas, Spiel- oder Sportplätzen allerdings nicht gekifft werden dürfen („Schutzzonen“).

In einem zweiten Schritt soll in Modellregionen der Verkauf über lizenzierte Fachgeschäfte getestet werden.

Die offizielle Stellungnahme des Bundesrates vom 29. September 2023 findet man als PDF-Datei auf der Webseite des Bundesrats.



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