Urteil im Fall Dettmar: Ein Urteil nach Gesetz, aber zu Unrecht? – „Wir werden in die Revision zum Bundesgerichtshof gehen“

Das mit Spannung erwartete Urteil im Falle des Weimarer Familienrichters Christian Dettmar (60) ist gefallen. Es stellt für die deutsche Rechtsprechung ein Novum dar.
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Ende August 2023 wurde ein Urteil im Fall des Weimarer Familienrichters Christian Dettmar (sitzend) gesprochen.Foto: Epoch Times
Von 23. August 2023

Im Prozess gegen den Weimarer Familienrichter Christian Dettmar ist das Urteil am Landgericht Erfurt gefallen. Das Landgericht verurteilte Dettmar zu zwei Jahren auf Bewährung wegen Rechtsbeugung. Der Vorsitzende Richter sah eine gezielte Herbeiführung des Verfahrens auf Kindeswohlgefährdung und eine Betreuung der dafür angeforderten Gutachten durch Dettmar, um gezielt die Maskenpflicht aufheben zu können. Die Verteidiger des Familienrichters kündigten an, in Revision gehen zu wollen. Epoch Times war vor Ort und im Gespräch mit dem Gericht, Dettmars Verteidigern und Prozessbeobachtern.

Urteil gefasst aufgenommen

Dettmar nahm das Urteil durch den Vorsitzenden Richter Detlef Hampel und zwei Schöffen gefasst auf. Außerhalb des Gerichtsgebäudes wurde der 60-jährige Familienrichter von rund 50 Personen jubelnd und mit Beifall, Blumen und Transparenten wie „Danke Richter Dettmar!“ und „Für eine unabhängige Justiz!“ empfangen.

Protestler mit Plakaten vor dem Landgericht Erfurt am Tag der Urteilsverkündung zum Fall des Weimarer Familienrichters. Foto: Epoch Times

Im April 2021 hatte Dettmar die Corona-Maßnahmen an zwei staatlichen Schulen in Weimar wegen Kindeswohlgefährdung aufgehoben. Dazu zählte unter anderem die Maskenpflicht. Danach brauchten die Kinder der Pestalozzi-Grundschule und der Pestalozzi-Regelschule keine Tests mehr zu machen oder zu ihren Mitschülern Abstand zu halten.

Die Staatsanwaltschaft forderte drei Jahre Haft ohne Bewährung, die Verteidigung einen Freispruch – bei einem Strafrahmen für den Fall von Rechtsbeugung zwischen ein und fünf Jahren Freiheitsentzug. Dettmar habe sich „bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt“, meinte die Strafverfolgungsbehörde. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, verliert Dettmar sein Richteramt, denn ab einer einjährigen Freiheitsstrafe ist das Ausüben eines Richteramtes unmöglich.

Das Gericht sah in seinem Verhalten „elementare und schwerwiegende Rechtsverstöße“. „Sie waren vorab gewillt, eine bestimmte Entscheidung zu treffen“, so Richter Hampel zu Dettmar. Der Angeklagte habe gezielt ein Verfahren generiert, an dem er mitgewirkt habe und mit dem er ein bereits vorher festgelegtes Ziel öffentlichkeitswirksam erreichen wollte. Damit wollte er den Druck auf andere Gerichte erhöhen, um weitere Verfahren anzuregen, sagte Hampel.

Dabei gehe es nicht um die Zuständigkeit und auch nicht um das Urteil selbst, zu dem der Familienrichter gekommen sei, es sei grundlegender: die Unvoreingenommenheit als Richter, welche Grundvoraussetzung für rechtsstaatliche Verfahren sei.

Richter: Rechtmäßigkeit des Urteils spielt gar keine Rolle

In der einstündigen Urteilsbegründung zitierte der Vorsitzende Richter Hampel aus zahlreichen E-Mails und Textnachrichten, die durch Hausdurchsuchungen bei neun Haushalten gefunden wurden. Sie belegen nach seiner Aussage, dass Dettmar bereits vor der Einleitung eines Verfahrens auf Überprüfung einer möglichen Kindeswohlgefährdung – durch eine Mutter zweier Schüler – die Gutachter, die auch die Corona-Maßnahmen kritisch sahen, angesprochen hat. Und ebenso, dass er plante, diese Gutachten mit seiner richterlichen Entscheidung abzudrucken und veröffentlichen zu lassen – wie es dann auch geschah.

Damit sollte entsprechend der Aussage des Richters, der eine mutmaßliche Aussage Dettmars aus einer E-Mail zitierte, der „Argumentationsdruck für künftige Entscheidungen“ erhöht werden.

Er sei auf Eltern zugegangen, er habe Anwälte angesprochen, er habe also im Vorfeld bereits darauf hingewirkt, dass ein solches Verfahren am Amtsgericht Weimar dann zu ihm als Richter kommen wird. Daher spiele das Urteil und ob es rechtmäßig im Sinne des Inhalts war, gar keine Rolle.

Er erklärte auch, dass dieser Fall ein Novum für das Gericht darstellt und resümiert: „Man muss lange nach einem ähnlichen Fall suchen.“

Auffallend war, dass der Richter erklärte, dass es, wenn der Weimarer Familienrichter selbst einen Antrag auf Überprüfung des Kindeswohls eingeleitet hätte, wahrscheinlich nicht zu einem Verfahren wegen Rechtsbeugung gekommen wäre.

Dettmar erklärte in seiner Stellungnahme vor Gericht zu Beginn des Verfahrens, dass er keine Befangenheit bei sich sehe, aber er sich mit der Thematik vorher befasst habe. Ihm sei es nur um das Kindeswohl gegangen, so der dreifache Vater.

Verteidigung überrascht vom Urteil

Der renommierte Verteidiger des Familienrichters, der Hamburger Dr. iur. h.c. Gerhard Strate, zeigt sich überrascht vom Urteil: „Wir hatten fest mit einer Freisprechung von Herrn Dettmar gerechnet, weil die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft unsinnig waren.“ Sie blieben auch unsinnig in der Interpretation durch dieses Gericht, erklärte der Verteidiger gegenüber Epoch Times.

Jeder Richter sei ab einem bestimmten Zeitpunkt befangen, wenn er sich mit einer Sache, mit einem Problem befasse, befand der Hamburger. Man wisse nicht so recht, was seinem Mandanten eigentlich vorgeworfen werde.

„Nach der Rechtsprechung ist es so: Wenn ein befangener Richter entscheidet, ist immer noch die Frage zu stellen, ob die Entscheidung eine richtige gewesen ist oder eine falsche?“ Diese Frage habe das Gericht an keiner Stelle beantwortet. „Wir werden jedenfalls dieses Urteil anfechten und auch in die Revision zum Bundesgerichtshof gehen.“

Ein salomonisches Urteil?

Der Kölner Strafverteidiger und ehemalige Vorsitzende der „Anwälte für Aufklärung“, Dirk Sattelmaier, nahm an der Urteilsverkündung als Prozessbeobachter teil.

Er wertet das Urteil als ein möglicherweise „salomonisches Urteil“, bei dem die Mitte zwischen den Forderungen der Anklage und Verteidigung gewählt wurde. „Du hast das zwar gemacht, du hast Rechtsbeugung begangen, wir schicken dich aber nicht ins Gefängnis“, so seine Wahrnehmung.

Bei der Urteilsbegründung fiel ihm auf, dass nicht auf die Frage nach dem Unrecht eingegangen wurde. „Auch Richter sind zwar ans Gesetz gebunden, laut Grundgesetz aber auch an das Recht.“ Also die Frage, ob der Richter hier möglicherweise Unrecht [die Maskenpflicht bei Kindern] mit seinen Mitteln bekämpfen wollte und das möglicherweise die Tat rechtfertigte. Dies werde vielleicht in der Zukunft noch eine historische Rolle spielen und erst dann beantwortet.

Denn es sei eine Verordnung gewesen, gegen die sich die Entscheidung des Familienrichters gerichtet habe. „Und nicht alles, was in einer Verordnung steht, ist ja auch rechtens.“ Das Gericht habe heute diesen möglichen Rechtfertigungsgrund relativ kurz abgebügelt, so Sattelmaier.

Protest vor dem Landgericht Erfurt am Tag der Urteilsverkündung zum Fall des Weimarer Familienrichters. Foto: Epoch Times

Gegen das Gesetz, aber für das Recht?

Dieser Punkt fiel auch dem Generalsekretär der Landtagsgruppe „Bürger für Thüringen“, Clarsen Ratz, auf. Daher stieß bei ihm das Urteil auf großes Unverständnis. Er nahm als Prozessbeobachter teil. Nach der Urteilsverkündung erklärte er gegenüber Epoch Times, dass das Gericht den Fall nur aus juristischer Sicht betrachtet habe.

„Ich nehme mal das Beispiel der Mauerschützen. Die sind ja nach Auflösung der DDR nach DDR-Recht für schuldig gesprochen worden, obwohl sie sich nach DDR-Gesetzen im Recht sahen, mit dem, was sie getan haben.“

Damals habe es ja den Schießbefehl und eine klare Befehlskette für „Grenzverstöße“ gegeben. „Aber im Urteilsspruch der BRD-Richter hieß es damals, sie hätten das Unrecht ja erkennen müssen.“ Er wolle nicht die Mauertoten gleichsetzen mit den Opfern der Corona-Maßnahmen. Aber an dem juristischen Beispiel könne man etwas erkennen, so Ratz.

Durch Kinder- und Jugendpsychologen sei klar geworden, dass die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, die in Deutschland in psychologischer Behandlung sind, um 50 bis 70 Prozent gestiegen sei. „Das heißt, dass dieser Maskenzwang bei vielen Kindern und Jugendlichen schwere psychologische Probleme hervorgerufen hat.“

Wenn man das berücksichtige, könne man zu dem Schluss kommen, dass Richter Dettmar dieses Unrecht erkannt habe und zu Recht die Kinder genau vor dem schützen wollte, wofür man jetzt über das Gesundheits- und Sozialsystem teuer bezahlen müsse.

Kritische Plakate vor dem Landgericht Erfurt am Tag der Urteilsverkündung zum Fall des Weimarer Familienrichters. Foto: Epoch Times

Somit wäre nicht das Recht gebeugt, sondern dem Recht Geltung verschafft worden, weil Unrecht beschlossen worden sei, erklärt Ratz weiter. In der DDR habe man politische Widerständler in die Haftanstalt für politische Gefangene nach Bautzen (Sachsen) gebracht. „In unserem heutigen System treibt man sie in die wirtschaftliche Existenznot.“ Dafür seien in seinen Augen Michael Ballweg und Christian Dettmar gute Beispiele.

Hier der Video-Bericht auf Epochtv.de



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