Ein Plan ohne neue Schulden: So will Lindner die deutsche Wirtschaft retten

Das Bundesfinanzministerium arbeitet derzeit an einem Reformprogramm für die schwächelnde Wirtschaft. Minister Christian Lindner spricht von einem „Dynamisierungspaket“. Der Richtungsstreit zur Finanzierung dauert an.
Warnt vor Wettbewerbsverlust: Christian Lindner.
Warnt vor Wettbewerbsverlust: Christian Lindner.Foto: Ann-Marie Utz/dpa
Von 21. Februar 2024

Schon vor einigen Tagen hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Notwendigkeit einer „Wirtschaftswende“ beschworen. Zentraler Punkt soll ein „Dynamisierungspaket“ sein, das ohne neue Schulden auskommen soll. Nach Informationen des „Handelsblatts“ sind Lindner und seine Mitarbeiter dabei, Nägel mit Köpfen zu machen. „Derzeit werden konkrete Vorschläge vorbereitet, die in ein Reformprogramm einfließen werden“, heißt es in einem „Papier“ aus dem Finanzministerium. Denn Deutschland sei „träge geworden“ und benötige „ein strukturelles Update“.

Das „Handelsblatt“ erwähnt folgende Ideen als Eckpunkte in dem Papier:

  • Steuerentlastungen für Unternehmen und Bürger
  • Komplettabschaffung des Solidaritätszuschlags
  • Erweiterung des vierten Bürokratieabbaugesetzes
  • Transformationsprämien für unternehmerische Investitionen laut Wachstumschancengesetz
  • Verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten laut Wachstumschancengesetz
  • Erwerbsanreize für Bürgergeld-Empfänger
  • Mehr Flexibilität bei Arbeitszeiten und beim Renteneintritt

In einem Interview mit dem „Münchener Merkur“ über sein „Dynamisierungspaket“ hatte Lindner vor zehn Tagen zudem darüber gesprochen, eine „marktwirtschaftliche Energiereform“ und „Investitionen in Infrastruktur […] auf Rekordniveau“ auf den Weg bringen zu wollen. Außerdem forderte er, „die Meseberger Beschlüsse zum Bürokratieabbau [von Ende August 2023, Anm. d. Red.] rasch ins Gesetzblatt“ zu bekommen und das aus der Merkel-Zeit stammende Lieferkettengesetz zu „entschlacken“. Viel zu tun, viel zu berücksichtigen.

SPD und Grüne nicht mit allem einverstanden

Während SPD und Grüne bei einer Reform der Unternehmenssteuern wohl noch mitgehen könnten, lehnen die beiden großen Ampelparteien ein endgültiges Aus für den Solidaritätszuschlag laut „Handelsblatt“ (Bezahlschranke) bisher ab: Der umstrittene Zuschlag bringe jährlich immerhin etwa zwölf Milliarden Euro ein. Den Widerstand aber wolle FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer nicht gelten lassen:

In dieser ernsten wirtschaftlichen Lage kann sich kein Koalitionspartner gegen Steuerentlastungen und Bürokratieabbau verweigern.“

Nach Angaben des „Handelsblatts“ dürfte speziell die SPD auch beim Bürgergeld, bei Arbeitszeiten und beim Renteneintritt auf dem Status quo beharren. Der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte sich im jüngsten „Bericht aus Berlin“ allerdings offen für Änderungen beim Bürgergeld gezeigt: „Darüber kann man diskutieren, muss man diskutieren, […] das muss man prüfen“. Die Frage liege aber nicht in seiner Zuständigkeit.

Schulden oder Strukturreformen?

Auch über die Frage „Wer soll das bezahlen?“ herrscht noch immer keine Einigkeit innerhalb der Ampel. SPD- und Grünenvertreter würden am liebsten die Schuldenbremse auch für 2024 aussetzen und ein neues Kreditaufnahmeprogramm („Sondervermögen“) auf den Weg bringen, um an mehr Geld für ihre „klimaneutrale Transformation“ zu kommen, so das „Handelsblatt“. Damit würden allerdings nicht nur heutige, sondern auch zukünftige Generationen belastet.

Der Finanzminister aber wolle das anders als in den Vorjahren nicht mehr mitmachen: „Wenn die Politik Mut zu strukturellen Reformen beweist, ist all dies möglich im Rahmen der Schuldenbremse“, zitiert das „Handelsblatt“ Lindners Standpunkt aus dem Finanzministeriumspapier.

Union hofft auf Kompromiss: Wachstumschancengesetz für Zugeständnisse beim Agrardiesel

Auch die Opposition macht sich Gedanken darüber, wie das Land aus der Konjunkturmisere entkommen könnte. Für eine Unternehmenssteuerreform können sich offenbar nicht nur die Fraktionen der Grünen und der FDP, sondern auch die Union und die AfD grundsätzlich erwärmen.

CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatten Kanzler Olaf Scholz (SPD) bereits vor zwei Wochen ein Dutzend „Sofortmaßnahmen“ für die kommenden zwei Monate vorgeschlagen, die ohne neue Schulden funktionieren sollen. Ähnlich wie von Lindner angestrebt, sollen dafür hauptsächlich Steuern, Abgaben und Energiekosten für Unternehmen und Arbeitnehmer gesenkt, die Arbeitszeiten flexibilisiert, die Lieferkettengesetze überarbeitet und arbeitsunwillige Bürgergeld-Empfänger sanktioniert werden.

Dissens zu Lindner besteht allerdings in der Frage des Agrardiesels: Die Union will den ermäßigten Steuersatz dauerhaft beibehalten, Lindner hatte sich koalitionsintern auf einen schrittweisen Anstieg bis 2026 eingelassen. Das wiederum bringt ihn jetzt in die Zwickmühle: Die Unionsvertreter im Bundesrat wollen ihre Zustimmung zum drei Milliarden Euro schweren Wachstumschancengesetz auch davon abhängig machen, dass die Ampel ihnen beim Agrardiesel entgegenkommt. Der nächste Verhandlungstermin dazu findet am Abend des 21. Februar im Vermittlungsausschuss des Bundestages statt.

Finanzministerium: Unionsvorschläge würden 43 Milliarden kosten

Wie das „Handelsblatt“ berichtet, würde das Maßnahmenpaket „nach internen Berechnungen des Bundesfinanzministeriums“ jedes Jahr über 43 Milliarden Euro kosten. Allein eine Senkung der Sozialabgaben auf 40 Prozent würde „zu Einnahmeausfällen von rund 15 Milliarden Euro führen“. Die Steuersenkung für Kapitalgesellschaften auf nur noch 25 Prozent würde ebenfalls ein Loch von mindestens 14 Milliarden in die Haushaltskasse reißen.

„Im Milliardenbereich“ würde auch eine entsprechende Senkung der Steuern für Personengesellschaften liegen. Würde man die Energiesteuern nach den Vorschlägen der Union abschmelzen, kostete dies weitere 7,8 Milliarden Euro, „die Halbierung der Netzentgelte“ noch einmal 5,5 Milliarden Euro. Ein Steuerfreibetrag für Rentner-Arbeit in Höhe von 2.000 Euro pro Jahr bedeute für die Staatskasse immerhin noch ein Minus von unter einer Milliarde Euro.

Ob all diese Einnahmeausfälle durch einen Konjunkturaufschwung und den damit einhergehenden Steuer-Mehreinnahmen ausgeglichen werden könnten, kann niemand mit Sicherheit sagen.

ifo Institut sieht zehn Abwärtsjahre voraus

Am Montag, 19. Februar, hatte das ifo Institut laut „Handelsblatt“ im Auftrag des Bundesfinanzministeriums eine „Kurzanalyse zum Wirtschaftsstandort Deutschland“ vorgestellt.

Die ifo-Auswertung von mehr als 1.500 internationalen Expertenstimmen habe „ein ernüchterndes Bild“ ergeben: Die Bundesrepublik Deutschland habe „in den vergangenen zehn Jahren deutlich an Attraktivität verloren“ und auch für die nächsten zehn Jahre werde es abwärtsgehen. Das liege unter anderem an der hiesigen Bürokratie, am Fachkräftemangel und der „unzureichenden Digitalisierung“.



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