Ein Jahr Ampelkoalition: Scholz zufrieden – die Bürger nur bedingt
Vor fast genau einem Jahr hat Bundeskanzler Olaf Scholz seinen Amtseid abgelegt. Die Ampelkoalition aus SPD, Grüne und FDP hat damit die Große Koalition unter Angela Merkel abgelöst. Scholz zieht über das erste Jahr als Regierungschef eine positive Bilanz. In der Bevölkerung hat das Mitte-Links-Bündnis jedoch an Rückhalt eingebüßt.
Ukraine-Krieg durchkreuzte den Zeitplan der Ampelkoalition
Unter dem Motto „Mehr Fortschritt wagen“ hatten die Regierungsparteien eine Reihe von Schritten angekündigt, die Dynamik in die Entwicklung des Landes bringen sollten. Diese reichten von weitreichenden Klimaschutzversprechen über einen höheren Mindestlohn bis hin zur Legalisierung von Cannabis.
Tatsächlich sprengte der Krieg in der Ukraine nicht einmal ein Vierteljahr nach Amtsantritt der Ampelkoalition die Agenda. Gesellschaftspolitische Leuchtturmprojekte mussten warten – die Regierung war mit Krisenbewältigung beschäftigt und ist dies bis heute.
Scholz verweist in seiner wöchentlichen Videobotschaft auf eine Reihe von Vorhaben, die seine Koalition habe umsetzen können. So sei es gelungen, die Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro auf den Weg zu bringen, das Kindergeld ist gestiegen und man habe das Wohngeld ausgebaut. Anfang Januar wird das Bürgergeld das alte System von „Hartz IV“ ersetzen.
Scholz: Ukraine unterstützt – gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht vernachlässigt
Es sei „richtig“ gewesen, so Scholz, die Ukraine finanziell, humanitär und auch mit Waffen zu unterstützen, sowie die Bundeswehr besser auszustatten. Gleichzeitig habe man die drängenden Aufgaben zum Erhalt des gesellschaftlichen Zusammenhalts „nicht vernachlässigt“.
Am Vorhaben, Deutschland in die Lage zu versetzen, klimaneutral zu wirtschaften, habe man trotz der Umstände festgehalten. Die Ampelkoalition habe mehrere Gesetze beschlossen, um den Ausbau erneuerbarer Energien voranzubringen.
Um die Folgen des Krieges und der Energiekrise abzumildern, baue man Flüssiggasterminals aus, fülle Gasspeicher und helfe den Haushalten über eine Gas- und Strompreisbremse. Diese soll ab März 2023 – rückwirkend zum 1. Januar – eine bestimmte Verbrauchsmenge subventionieren.
Viele FDP-Wähler sind mit ihrer Entscheidung von 2021 unzufrieden
In der Bevölkerung ist man vom Weg der Ampelkoalition mittlerweile offenbar nicht mehr so überzeugt. Mehrere Umfragen der vergangenen Tage bescheinigen hauptsächlich der SPD dramatische Stimmenverluste gegenüber der Bundestagswahl. GMS und Infratest dimap sehen sie mittlerweile wieder bei 18 Prozent und damit deutlich unter der 20-Prozent-Marke. Nur INSA traut der Partei zu, zumindest 20 Prozent zu halten.
Auch die FDP kommt – wie schon bei den Landtagswahlen seit Bestehen der Ampelkoalition – unter die Räder. INSA und GMS trauen ihr noch sieben Prozent der bundesweiten Zweitstimmen zu, Infratest dimap zufolge muss die Partei mit gerade fünf Prozent zittern.
Die Aussicht, nach Ende gegenwärtiger Krisen wieder zur Schuldenbremse zurückzukehren, reicht offenbar vielen FDP-Wählern des Jahres 2021 nicht als Erfolgsnachweis aus. Dass FDP-Exponenten wie Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu den Scharfmachern im Ukraine-Konflikt gehören, stößt ebenfalls nicht auf ungeteilte Zustimmung in der Wählerschaft.
Die Liberalen hatten darüber hinaus linksideologische Projekte wie die Abschaffung des Abtreibungswerbeverbots oder das „Selbstbestimmungsgesetz“ mitgetragen. In Fragen wie der Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke hat man sich demgegenüber der vom Kanzler durchgesetzten Minimallösung gebeugt. Nach der Landtagswahlschlappe in Niedersachsen äußerte Parteichef Christian Lindner, die Wähler glaubten, die FDP sei „jetzt auch eine linke Partei“.
Lindner glaubt an das gemeinsame „Modernisierungsprojekt“
Im „Focus“ klagt FDP-Chef Christian Lindner zudem, er könne es „als Finanzminister niemandem recht machen“. Zudem sei er auf 200 Milliarden Euro zusätzlicher Schulden „gewiss nicht stolz“. Er sieht jedoch die Energiepreisbremsen als unverzichtbar, um nicht die Substanz des Landes aufs Spiel zu setzen. Sein Ehrgeiz sei, als Bundesfinanzminister dafür zu sorgen, dass das Land am Ende seiner Amtszeit „mit der öffentlichen Verschuldung wieder deutlich besser“ dastehe.
Längerfristig rechnet er damit, seine Partei wieder stabilisieren zu können:
Wir tun unser Bestes, um unser Land gut durch die Krise zu führen und unsere Modernisierungsprojekte umzusetzen. Ich bin überzeugt, dass der Erfolg der FDP sich daraus ergibt, Ergebnisse zu erzielen.“
Bereits jetzt spricht er von Erfolgen, die sich etwa in Form der geplanten Aktienrente, der Digitalisierung der Verwaltung oder „mehr Raum für Bürgerrechte und Selbstbestimmung“ zeigten. Die FDP sorge zudem innerhalb der Ampelkoalition für eine „Stärkung der Wirtschaft“.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hingegen wirft der Ampelkoalition vor, diese habe „bislang kein gemeinsames Projekt entwickelt“. In der „Bild am Sonntag“ erklärte er:
„Der Machterhalt ist der Kitt, der diese Regierung zusammenhält, und statt Vernunft regiert die Ideologie.“
Grüne als einzige Nutznießer der Ampelkoalition
Ausbauen können ihre Position unter den Koalitionsparteien nur die Grünen. Dass Umfrageinstitute sie stabil zwischen 17 und 21 Prozent sehen, lässt erkennen, dass sie die eigentlichen Nutznießer der Ampel sind. Bis dato ist kaum ein Bereich erkennbar, in dem es der Partei nicht gelungen wäre, ihre Position vollständig oder weitgehend zu behaupten.
Kompromisse mussten sie lediglich etwa bei einer dreimonatigen Verlängerung der KKW-Laufzeiten oder dem Forcieren der Kohle in Krisenzeiten eingehen. Aber auch dort schaffen sie es mit der Hilfe ihres starken medialen Rückhalts, sich als „Pragmatiker“ darzustellen.
Neben der starken Loyalität ihrer Wählerschaft und deren hoher Bereitschaft, wählen zu gehen, kommt den Grünen zweifellos auch zugute, dass Unzufriedene häufiger in die Wahlenthaltung flüchten. Viele betrachten die Merz-Union oder die AfD nicht als wählbare Alternativen, weshalb diese bei 30 beziehungsweise 15 Prozent an eine gläserne Decke zu stoßen scheinen. Auch die Linkspartei kann kaum von der Unzufriedenheit profitieren und müsste um das Erreichen der Fünf-Prozent-Hürde bangen.
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